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Limousin – Lust auf Langsamkeit

 Frankreichs Mitte per Rad erfahren

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Das Limousin ist das Herz und eine der am dünnsten besiedelten Regionen Frankreichs. Flüsse und Seen, Grün und Natur sind vorherrschend. Eine waldige, eine bäuerliche und beschauliche Gegend mit jeder Menge kulturellen und kulinarischen Genüssen. La France profonde ist nicht spektakulär, aber liebenswert. Gemütlich geht es hier zu. Eine von Bauernhöfen geprägte Region mit netten kleinen Dörfern, in denen es langsam voran geht. Langsamkeit hat Charme – man hat Zeit für Details.

Was also käme einem eher in den Sinn als Rad zu fahren? Merkwürdig eigentlich, dass andere französische Regionen so viel bekannter dafür sind. Oder aber: Gut so, denn hier ist die Entdeckung der Langsamkeit per Fahrrad noch möglich. Eine Region für Genießer auf dem Rad!

Frankreich - Limoges - Rue de la Boucherie
In der Rue de la Boucherie (Metzgerstraße)

Kommt man in Limoges am Bahnhof Bénédictins an, lohnt ein Blick zurück auf die außerordentlich schmucke Fassade aus dem 19. Jahrhundert, bevor man sich die „Stadt der Kunst und des Feuers“ ansieht. Der Beiname rührt von der hier gepflegten Fabrikation von Porzellan und Email her, das man im Emailmuseum bestaunen kann. Das weiße Gold, wie Porzellan auch genannt wird, wird in allerlei hübschen Geschäften im Labyrinth der Sträßchen zum Kauf angeboten. Von kunstvollen schmiedeeisernen Balkonen werden die Häuser aus dem 17./18. Jahrhundert geziert. Eine besonders hübsche Gasse ist die Rue de la Boucherie, die Straße der Metzger, mit ihren Fachwerkhäusern. Früher einmal sollen darin über 50 Fleischerläden gewesen sein. Die Gilde der Metzger von Limoges nennt sogar einen Heiligen ihr Eigen, den Heiligen Aurélien, der gleichzeitig Schutzpatron ist. Einige Läden gibt es noch, einer davon ist als Museum eingerichtet. Einkaufen kann man auch in der Markthalle, die außen mit Porzellanplatten geschmückt ist, die verraten, was es drinnen gibt.

An Vienne und Tard entlang

Framreich - Limousin - Royeres
In Royères

Raus aus der Stadt geht es zunächst nach Feytiat und über grüne Hügel  bis Royères und an den Fluss Vienne. Die Moulin du Got, eine Papiermühle, liegt am Wegesrand. Allerlei Kunstwerke aus Papier gibt es zu kaufen und man kann Führungen mitmachen. Früher gab es längs der Vienne und des Tard viele Papierfabriken, Gerbereien und Zink- und Eisenschmieden. Noch ein Stück am Flüsschen Tard entlang, dann folgt Saint-Léonard-de-Noblat mit ganzen vier Porzellanfabriken und einer beeindruckenden Kirche mit romanischem Glockenturm. Der Ortsname rührt vom hl. Leonhard her, der Gefangenen zur Freiheit verhalf und später zum Einsiedler wurde. Zweifarbige Straßenschilder erinnern an die mittelalterlichen Namen (rot) und an die heutigen, die in Blau gehalten sind.

Frankreich - Limousin - zweifarbige Staßenschilder in Saint-Léonard-de-Noblat
Zweifarbige Staßenschilder in Saint-Léonard-de-Noblat

Radfahrer sollten unbedingt die hiesige Spezialität Massepain probieren, eine Art Makronen aus Eiweiß, Zucker und Mandeln, die Kraft und Energie geben. Schnell merkt man, dass der Ort auch am Jakobsweg liegt: Viele Pilger treffen per Fahrrad ein und lassen sich im Office du Tourisme ihre Etappe abstempeln.

Frankreich - Limousin - Massepain, Spezilität aus Saint-Léonard-de-Noblat
Massepain, Spezilität aus Saint-Léonard-de-Noblat

Die D14 ist eine schmale Landstraße mit rauem Asphalt und führt Richtung Bujaleuf. Ein Abstecher dort zum See ist bei gutem Wetter sicher lohnend, doch heute ist alles seltsam nebelverhangen und wirkt verwunschen. Kein Wunder, dass hier die Fantasie blüht und es viele Märchen, Mythen und Sagen gibt. Es tropft von Farnen und Efeu umrankten Baumstämmen, von Eichen und Walnussbäumen. Niemand ist zu sehen, auch keine motorisierten Zeitgenossen, nur Schafe und Rinder lassen sich nicht stören. Es ist ein ständiges Auf und Ab über Hügel. Nach Eymoutiers hinunter belohnt eine steile Abfahrt die vorherigen Mühen. Eymoutiers ist wohl das, was man ein „nettes Örtchen“ nennt. An der Vienne ist es gelegen und direkt am Fluss liegt auch das alte sehenswerte Haus des Gerbermeisters. Gegenüber erhebt sich die für die Größe des Ortes überdimensioniert wirkende Kirche, die aus zwei Teilen zu bestehen scheint. Und das tut sie auch: Einer ist aus dem 12. Jahrhundert, einer aus dem 15. Jahrhundert mit wunderschönen bemalten Glasfenstern. Was man hier aber bestimmt nicht erwartet, ist das Museum Paul Rebeyrolle mit Gemälden und Skulpturen dieses außergewöhnlichen Künstlers und wechselnden Ausstellungen. Es liegt direkt an der beschriebenen Radroute, ein Stopp an diesem Juwel ist ein Muss.

Frankreich - Limousin - Verwunschene, nebelverhangene Landschaft Richtung Bujaleuf
Verwunschene, nebelverhangene Landschaft Richtung Bujaleuf

Das Plateau de Millevaches

Weiter in Nedde ist man endlich auf dem Plateau de Millevaches angekommen. Mit Kindern sollte man einen Abstecher zur 2,5 km entfernten Cité des Insectes, Insektenstadt, machen. Schnitzeljagden, ein Kuriositätenkabinett, ein Ameisenhaufen, Rätsel, exotische Insekten und vielerlei Ausstellungsobjekte zum Thema machen die Welt der Insekten spannend. Nedde selbst ist nett, wie man vermuten könnte, und außerdem ein prächtiger Platz zum Übernachten im Hotel Le Verrou. Es ist das Tor zum Plateau de Millevaches. Bis Faux la Montagne strampelt man nun hoch auf die Ebene: Limousin-Rinder mit kurzem Hals sieht man vom Rad aus zuhauf. Kein Wunder, denn in der Region gibt es dreimal mehr Kühe als Einwohner. Besonders hier in der Corrèze auf dem Plateau de Millevaches sind sie vertreten. Glupschäugig, rotbraun und gutmütig stehen sie in der Landschaft auf grünen Weiden herum. Man sagt, dieses Rindfleisch sei das beste der Welt. Auf dem Plateau de Millevaches sollte man einfach bei einer Kuh im Gras liegen bleiben, denke ich mir gerade. Die Kuh scheint sich dazu eins zu grinsen, kein Wunder: „La vache qui rit“ ist eine Kindheitserinnerung an den weltumspannenden Dreieckskäse. Muh! Doch welch Überraschung: Der Name des Plateaus rührt gar nicht von den Tausenden von Kühen her, wie die französische Bezeichnung vermuten lassen könnte, sondern stammt von dem keltischen Wort „batz“, was Quelle bedeutet. In der Tat gluckern Tausende von Bächen und Flüssen auf der Hochebene.

Frankreich - Limousin - Türriegel (der Kirche in Nedde)
Türriegel der Kirche in Nedde

Nach Tarnac geht es dann hauptsächlich abwärts. Tannen und Torfmoor säumen die Route. Der Lac de Chammet leuchtet dunkel, das Heidekraut lila und violett. Ein märchenhafter Urwald! Tarnac selbst ist klein und verschlafen. Die meisten der Häuser sind hier, wie in der ganzen Gegend, aus Granit. Je nach Dorf schimmert er rosa, grau oder ockerfarben. Auch der Brunnen des Hl. Georg hinter der halb romanischen, halb gotischen Kirche ist aus diesem Stein. An der Außenseite der Kirche sind auch der Hl. Georg und der Hl. Ägidius eingemeißelt. Abends im Dorf ist die Welt/die Kuh wieder im Lot/Dorf. Man debattiert am Tresen. Worüber spricht man? Ich verstehe nicht. Über Kühe, Madame! Rindfleisch darf auf der Speisekarte natürlich nicht fehlen, doch gibt es hier auch Walnüsse, Äpfel und Kastanien, Stopfleber, Entenbrust, Blutwurst. Die Küche des Limousin ist so recht nach Radfahrers Geschmack: kräftigend. Genug, um  einen zum Anhalten oder wenigstens zur Langsamkeit zu zwingen.

Frankreich - Limousin - von Tarnac bis St. Merd les Oussines
Von Tarnac bis St. Merd les Oussines

Nun geht es Richtung St-Merd-les-Oussines, an einer alten Steinbrücke vorbei. Ein gemütliche Dorfwirtschaft, das Restaurant & Auberge du Mont Chauvet, lockt mit einem einfachen Vier-Gänge-Menü für nur 11 Euro. Formidable! Nun sind die gallorömischen Ruinen von Cars einen kleinen Umweg von 8 Kilometern hin und zurück wert. Die Fundamente des Tempels, des Mausoleums, der Zisterne und der Thermen sind noch zu sehen. Zurück auf der D 109 folgt Tourbière du Longeyroux, ein 250 Hektar großes Gebiet, in dem viele kleine Quellen entspringen und letztendlich die Vézère bilden. Das Torfmoor und die Heide können auf verschiedenen Wegen zu Fuß besichtigt werden. Also runter vom Rad und auf in die Welt der Eidechsen, Vipern und Otter.

Frankreich - Limousin - Gallorömische Ruinen von CarsGallorömische Ruinen von Cars

Die Route des Hêtres

Die Route des Hêtres entlang rollen wir weiter, eine Straße, die links und rechts, einer Allee gleich, von Buchen gesäumt wird. Die Route des Hêtres entlang fühle ich mich endlich wie im Märchenwald. Zur Rechten weite Ausblicke in die Landschaft, auf die grünen Hügel, braun getupft mit Kühen, auf Kastanien, Tannen... und es folgt das Zisterzienserkloster von Jassonneix: Hier verbringen Nonnen ihr Leben zwischen Konvikt und Konfitüre, Marmeladen und Messen. Die Marmeladen stehen im Klosterladen auch zum Verkauf bereit. Apfel oder Blaubeeren mit Walnuss als Marmelade, das klingt viel versprechend und ist es auch. Délicieux! Wer will, kann hier auch übernachten, ein kleines Hotel ist angeschlossen. Ruhe pur.

Frankreich - Limousin - in der mittelalterlichen Stadt Meymac
In der mittelalterlichen Stadt Meymac

Nach Meymac geht es fast stetig bergab. Eine mittelalterliche Stadt, die eine Kirche mit einer schwarzen Madonna ihr Eigen nennt, von der leider nur eine Kopie hier steht. Die richtige sei viel beeindruckender und leuchtender, sagt die sympathische Touristenführerin Stéphanie Marchand, aber man könne die echte eben nicht sichern, die Bewunderer würden sie sicher stehlen. Ein  Zentrum für zeitgenössische Kunst befindet sich nebenan in der ehemaligen Abtei Saint André. Meymac ist einer der schönsten Orte an der Route und lädt ein zum Umherstreifen und Verweilen. Schwer fällt der Abschied von dieser liebenswerten Region. Doch noch schwerer fällt er, wenn man seine letzte Nacht in der „Moulin des Farges“, einer ehemaligen Mühle, einem limousinischen Traum, gebucht hat.

Frankreich - Limousin - unterwegs

Fazit: Eine Region voller Charme und Natur. Eine ruhige Gegend mit genauso ruhigen Landstraßen, wie geschaffen zum Rad fahren. Ausgeschilderte Radwanderrouten gibt es zwar nicht, doch beschleicht einen auch das seltsame Gefühl, dies sei nicht nötig, vielleicht sogar wäre es kontraproduktiv. Man mäandert auf zwei Rädern durch die Landschaft. So kommt sie zu ihrem Recht. Langsamer ist mehr!



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