Einsamer Kurs auf Nordosten

Finnland: Paddeln im Seengebiet von Saimaa

Text und Fotos: Michael Hennemann

Finnland ist bei Paddlern für seinen Wasserreichtum bekannt. Ein flüchtiger Blick auf die Landkarte reicht, um zu erkennen, dass die meisten Seen im Südosten des Landes zu finden sind. Ganz im Osten, unweit der Grenze zu Russland liegt das Saimaa-Seengebiet. Schier unerschöpflich sind die Paddelmöglichkeiten und nicht leicht zu beantworten ist die Frage nach dem wohin? Doch wer einmal in den Nationalparks Linannsaari oder Kolovesi war, der kennt die Antwort. Hier wartet eine der landschaftlich reizvollsten Strecken des gesamten Saimaa-Seengebiets auf ihre Entdeckung. Doch da die Route nicht markiert und das Inselgewirr dicht ist, heißt es: aufgepasst und sicher navigiert!

FinnlandSaimaa See

Nach der langen Anreise hatte ich mich eigentlich auf ein zünftiges Lagerfeuer gefreut. Doch das fällt erst einmal aus. Langsam vernebelt mein Atem die Sicht. Schlechtgelaunt sitze ich im Auto und sehe den Regentropfen zu. Sie rinnen draußen auf der Windschutzscheibe herunter, ziehen langsam aber stetig ihre Bahnen. Gleich nach meiner Ankunft in Heinävesi hat mich ein Regenschauer überrascht, so schnell, dass an Zeltaufbauen nicht zu denken war. Auch das Kajak liegt noch unangetastet auf dem Autodach. Tropfen sammeln sich an der Bootsspitze, fallen irgendwann der Schwerkraft zum Opfer und landen schließlich mit einem dumpfen "Plong" auf der Motorhaube.

Finnland Saimaa Lagerfeuer

Reicht der Stauraum?

Meine Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Nach einer anstrengenden, scheinbar nie enden wollenden Autofahrt durch Dänemark, Schweden und Finnland will ich nun endlich aufs Wasser, und zwar dort, wo Finnland angeblich am schönsten ist. Eine Tour durch die Nationalparks Kolovesi und Linnansaari soll es sein.

Beängstigend hoch türmt sich am nächsten Morgen der Ausrüstungshaufen neben meinem Boot. Wie immer zu Beginn einer Tour, solange das Packen noch nicht zur täglichen Routine geworden ist, zweifle ich daran, dass der Stauraum im Boot ausreicht. Natürlich ist meine Skepsis umsonst. Ohne zu murren schluckt das Kajak Kocher, Stativ, Zelt und die wasserdichten Säcke mit dem ganzen Kleinkram, der für eine ausgedehnte Paddeltour nötig und nicht ganz so nötig ist, den ich aber aus Bequemlichkeit trotzdem gerne dabei habe.

So warm kann Finnland sein!

Gemächlich dümple ich durch eine herbschöne, fast melancholische Landschaft aus schroffen Felsinseln mit leicht gerundeten Kuppen. Kiefern und Birken krallen sich in die stellenweise steil abstürzenden Hänge. Auf einer kleinen Felsinsel hat ein anderer Paddler seine Hängematte zwischen zwei Bäumen aufgespannt und winkt mir zu. So schön kann Urlaub sein! Und: so warm kann Finnland im Sommer sein. Mein Abendbrot kann ich, nach einem ausgiebigen Bad im See auf einem großen Felsen in der Badehose schmorend, einnehmen.

Finnland Saimaa Regenborgen

Am nächsten Tag wird es gegen Mittag Nacht. Vom Horizont her rückt die Dunkelheit heran. Der Regen kommt näher, das Sirren der auf der Wasseroberfläche einschlagenden Tropfen steigert sich zu kleinen Explosionen. Für die nächsten fünf Minuten geht die Welt unter. Ein Sommergewitter grummelt über mich hinweg, dicke Regentropfen plattern wie Kometen auf mich herab. Zum Glück ist der Spuk genauso schnell vorbei, wie er gekommen ist.

Wo ist der richtige Kurs?

Mit dem Gewitter verlasse ich auch den Kolovesi-Nationalpark und erreiche über die Ortschaft Oravi den Haukivesi. Es ist windig, und ich habe genug damit zu tun mein Kajak auf Kurs zu halten. Doch auf welchem? Mit einem forschen "Die Linnansaari ist die größte Insel weit und breit, die werde ich schon nicht verpassen” vernachlässige ich den genauen Blick auf die Karte und paddle drauflos, ohne mich um eine exakte Navigation zu bemühen.

Finnland Saimaa Kartenlesen

Wenig später paddle ich hilf- und ziellos zwischen ein paar Inseln hin und her, ohne genau zu wissen, wo ich bin. Ich ertappe mich dabei, wie ich den Horizont nach einem Motorboot absuche. Natürlich vergeblich. Während ich noch darüber nachdenke, wie ich ein weit an mir vorbei düsendes Schiff anhalten könnte - wenn denn mal eines käme - treffe ich auf eine Fahrwassermarkierung. “Die wird ja wohl kaum ins Leere führen”, atme ich auf. Meinen zweiten Gedanken: “Wenn ich den Schifffahrtszeichen folge, muß ich irgendwann zu einem Ort kommen”, brauche ich nicht in die Tat umzusetzen. Auf der Landkarte sind nicht allzu viele Schifffahrtswege eingezeichnet, so daß ich schnell herausfinde, wo ich mich befinde: ich habe es tatsächlich geschafft, einmal um die Linnansaari herum und daran vorbei zu fahren. Über mich selbst schmunzelnd kehre ich um. Wer nicht navigieren kann, muss eben paddeln.

Finnland Saimaa Bucht

Gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang erreiche ich die idyllische Bucht an der Nordseite der Insel. Um die Mühen und Mißgeschicke des Tages zu vergessen, gibt es heute abend etwas besonderes: Pfannkuchen mit Apfelmus. Die neue beschichtete Pfanne für meinen Spirituskocher ist eine Wucht. Endlich mal ein Produkt der Outdoorindustrie, das hält, was es verspricht. War die alte Pfanne nur als Topfdeckel oder als Unterlage zum Zwiebelschneiden zu gebrauchen, so kann ich jetzt endlich richtig braten und backen. Ich verschlinge einen Pfannkuchen nach dem anderen und freue mich über dieses Produkt aus der Grundlagenforschung der Weltraumfahrt.

Robben im Süßwasser?

Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine „Saimaanorppa“-Sichtung zur Abrundung der Tour. Die Saimaa-Robbe ist eine seltene, vom Aussterben bedrohte und hier ansässige Robbenart, die auf eindrucksvolle Weise von der Entstehung der Ostsee erzählt. Nach dem Ende der letzten Eiszeit war der Saimaa kein Binnensee. Die Seenplatte war eine Bucht des Meeres, aus dem die heutige Ostsee entstehen sollte. Nachdem die Gletschermassen sich zurückgezogen hatten, begann sich das Land zu heben. Noch heute wächst Finnland pro Jahr um etwa sieben Quadratkilometer. Im Falle des Saimaas sorgte die Landhebung dafür, dass die Seenplatte von der übrigen Ostsee abgeschnitten wurde. Einige der dort lebenden Robben wurden davon "überrascht" und mussten sich auf völlig neue Lebensumstände einstellen: sie entwickelten sich zu Süßwassertieren.

Finnland Saimaa Abendstimmung

Wie auch an den vergangenen Tagen ist der Wunsch der Vater des Gedankens und meine Fantasie spielt mir des öfteren einen Streich. Mehr als einmal bin ich mir ganz sicher, dass sich „da vorne etwas bewegt hat“. Doch beim Näherkommen entpuppt sich die vermeintliche Robbe als schwimmender Ast oder ein aus dem Wasser ragender Stein.

Finnland Saimaa Wald

Bevor ich zum Endpunkt der Tour nach Kangaslampi paddle, erkunde ich noch den Naturlehrpfad der Insel. Der Weg führt durch einen märchenhaften Wald. Nachdem ich bisher nur die kargen Felsufer vom Wasser aus gesehen habe, bin ich etwas überrascht von dem Bild, das sich mir jetzt bietet: flechtenbehangene Birken, umgestürzte Baumriesen, dicke Moospolster auf dem Boden. Irgendwo klopft ein Specht. Als Höhepunkt führt der Weg noch zum Aussichtspunkt Linnavuori, von dem sich aus der Vogelperspektive ein beeindruckendes Panorama über das Nebeneinander von Wasser, Wald und Inseln bietet.

 

Reiseinformationen

Anreise
Autofahrer, die mit einem eigenen Boot anreisen, können grundsätzlich zwischen zwei Varianten wählen: zum ersten gibt es Direktverbindungen von Deutschland nach Finnland, zum zweiten diverse Durchgangsverbindungen via Schweden oder Dänemark und Schweden nach Finnland. Um das jeweils günstigste Ticket zu finden, sind gründliche Preisvergleiche der einzelnen Reedereien sehr zu empfehlen.

Unterkunft
In den Nationalparks sind Camping und Lagerfeuer nur an den ausgewiesenen Stellen erlaubt, entlang der übrigen Strecke ist natürlich auch Wildzelten erlaubt und für Wildnismüde stehen in den Ortschaften einige feste Herbergen bereit.

Reiseführer/Karten
- Michael Hennemann: Südfinnische Seenplatte, Pollner Verlag 2001, insgesamt 13 detailliert recherchierte Tourenbeschreibungen auf der südfinnische Seenplatte
- "Heinävesi Matkailukartta" (Touristenkarte), 1:100.000, erhältlich z.B. in der Touristeninformation in Heinävesi.

Wichtige Tipps
Die Nationalparks Kolovesi und Linnansaari zählen zu den besten Lebensräumen für die Saimaa-Robbe. Insgesamt gibt es nur noch etwa zweihundert dieser Urbewohner des Saimaas. Die Saimaa-Robbe ist vom Aussterben bedroht und die am stärksten gefährdete Robbenart der Welt. In der freien Wildbahn sind die Tiere nur äußerst selten anzutreffen. Erhöhen lässt sich die Wahrscheinlichkeit, einen dieser Urbewohner des Saimaas zu erspähen auf geführten Safaris, die zum Beispiel vom Saimaa-Wilderness-Service in Oravi angeboten werden.

Anbieter
Adressen von Kanutouren-Anbietern unter www.heinavesi.fi

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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