185 Millionen Jahre Erdgeschichte auf 160 Kilometern

Englands Jurassic Coast

Text und Fotos: Karsten-Thilo Raab

Jurassic Coach - versteinerte Schnecke

Dinosaurier leben hier schon lange nicht mehr. Ihre Fußabdrücke haben sie jedoch an vielen Stellen deutlich sichtbar hinterlassen. Hinzu kommen Tausende von Muscheln und Einzellern, deren fossile Abdrücke vor allem während der Herbststürme an der Jurassic Coast angespült oder freigelegt werden. Die auffällig roten Klippen entlang der englischen Südküste zwischen Studland Bay in der Grafschaft Dorset und Exmouth in Devon verdanken ihre Farbe dem hohen Eisengehalt und dokumentieren wie die vielen spektakulären Funde 185 Millionen Jahre Erdgeschichte. Neben prächtigen Jurafelsen sind an dem 160 Kilometer langen Küstenabschnitt, der im Jahre 2001 von der UNESCO in den Status des Weltnaturerbes erhoben wurde, auch ältere Trias- und jüngere Kreidefelsen zu sehen.

Jurassic Coast

Schwanensee auf englisch

Eine geologische Besonderheit ist Chesil Beach. Die hohe Kieselbank wird durch die Fleet Lagune vom Festland getrennt und verhindert so seit Jahrhunderten, dass das nahe gelegene Seebad Weymouth (1) überflutet wird. Eine weitere Besonderheit dieses 20 Kilometer langen Kieselstrandes ist die Tatsache, dass die Steine von Osten nach Westen kleiner werden.

Jurassic Coast - Chesil Beach

Chesil Beach

An der Lagune befindet sich auch die Swanery von Abbotsbury. Ganzjährig tummeln sich hier Hunderte von Schwänen, ohne gefangen gehalten zu werden. Damit wandeln sie das Fleet-Gewässer im wahrsten Sinne des Wortes in eine Art Schwanensee, auch wenn die Musik hier nichts mit dem gleichnamigen Ballet von Tschaikowsky gemeinsam hat, sondern vielmehr aus aufgeregtem Geschnatter besteht. Gegründet wurde die Swanery von Benediktinern der St. Peter’s Monastery um das Jahr 1040, um die eigene Speisetafel zu bereichern. Heute müssen die Vögel nicht mehr befürchten, auf dem Mittagstisch zu landen. Stattdessen werden sie täglich um 12 Uhr mittags und um 16 Uhr gefüttert.

Jurassic Coast - die Swanery von Abbotsbury

Die Swanery von Abbotsbury

Abbotsbury (2) selber erweist sich als ein Bildbucherdorf par excellance. Mit seinen honigfarbenen und Reet gedeckten Steinhäusern könnte die 480-Seelen-Gemeinde als perfekte Kulisse für Kinoabenteuer aus dem viktorianischen Zeitalter dienen. Am westlichen Ende des Dorfes liegen die Abbotsbury Subtropical Gardens, die fraglos zu den attraktivsten Gärten im ganzen Land gehören. Auf 14 Hektar wechselt hier die Landschaft ständig den Charakter. Schattige Haine und Palmenrondelle gehen in von Rhododendren gesäumte Pfade über. Da locken Bambuswäldchen und sonnendurchflutete Lichtungen, japanische Bananen, australischer Eukalyptus, mächtige Korkeichen, eine Magnolienallee sowie ein Stück Dschungellandschaft und nicht zu vergessen ein Skulpturenpark.

Jurassic Coast - Abbotsbury Subtropical Gardens

Abbotsbury Subtropical Gardens

Von Abbotsbury führt der South West Coast Path bergauf, bergab, vorbei an Farnen, meterhohen Disteln und über Kuhweiden Richtung West Bay. Wie überall entlang des 1.000 Kilometer langen Wanderweges passiert einen auch auf diesem Abschnitt kaum ein Engländer ohne einen freundlichen Gruß oder ein „Lovely day for a walk, isn’t it?“. West Bay (3) ist ein kleines Seebad, das heute zu Bridport gehört. Rund um das T-förmige Hafenbecken gruppieren sich Fish & Chips Shops, Amusement Arcades, jene typisch englischen Spielhallen, und die niedliche St. John’s Church. Einhandsegler, Motorboote und kleine Fischkutter schaukeln im Wind, während sich die Gischt am Kiesstrand meterhoch auftürmt.

Jurassic Coast - Ebbe im kleinen Hafen von West Bay

Ebbe im kleinen Hafen von West Bay

Ein Örtchen weiter, in Eype (4), findet sich ein Phänomen, das an vielen Stellen entlang der Jurassic Coast zu beobachten ist. Unmittelbar am Strand liegt ein privater Parkplatz, der gerne von Wanderern, Tagesausflüglern und Badegästen benutzt wird. Da der Parkplatz nicht bewacht oder beschrankt ist, wurde dort eine Honesty Box angebracht. Quasi ein fest installierte Spardose, in die Parkplatzbenutzer auf Vertrauensbasis die vorgeschlagene Parkgebühr von drei britischen Pfund pro Tag entrichten sollen.

Jurassic Coast - Lyme Regis

Lyme Regis

Ungleich lebhafter geht es in Lyme Regis (5) zu. Steile, enge Gassen winden sich in dem charmanten Seebad die Klippen hinauf. Das Dinosaurland Fossil Museum zeigt neben zahlreichen Fossilien auch das Skelett eines chinesischen Dinosauriers sowie einen 73 Kilogramm schweren Klumpen mit Dinosaurierexkrementen. Die Strände von Lyme Regis und des benachbarten Charmouth gelten als die besten Orte entlang der Jurassic Coast für Fosillienfunde. Sogar Knochen von Ichthysauriern, jener ausgestorbenen Meeresreptilien, wurden hier angespült.

Zwar verläuft die Küstenstraße B3157 fast parallel zur Küstenlinie der Jurassic Coast, doch um zu den vielen verträumten Städtchen und Dörfern zu gelangen, muss in der Regel auf enge Country Lanes abgebogen werden. Diese Straßen sind kaum breiter als ein Auto und werden von Hecken und Farnen gesäumt, die zwei bis drei Meter hoch sind. Zudem sind sie extrem kurvenreich. Mal hoppelt ein Hase unvermittelt über die Straße, dann traben Ross und Reiter gemütlich durch die Gegend. Aber dies stört hier niemanden. Hier haben alle Zeit – wohl auch notgedrungen. Die Hecken und Straßenführung machen hier eine Geschwindigkeitsbeschränkung überflüssig. Nur im Schritttempo geht es voran. Immer wieder müssen Autofahrer in den nächsten Passing Place, eine Ausbuchtung in den Hecken, zurücksetzen, um entgegenkommende Fahrzeuge vorbei zu lassen. Einheimische Fahrzeuge sind häufig daran zu erkennen, dass die linke Fahrzeugseite von den Hecken bei Passiermanövern zerkratzt wurde.

Jurassic Coast - Beer - West und East Beach laden Sonnenliegen zu einer vom Meeresrauschen begleiteten Pause am Kiesstrand ein

Sonnenliegen laden zu einer Pause am Kiesstrand ein

Eines dieser verträumten Örtchen ist Beer (6). Am West und East Beach laden Sonnenliegen zu einer vom Meeresrauschen begleiteten Pause am Kiesstrand ein. In den örtlichen Steinbruchhöhlen versteckten in längst vergangenen Zeiten Schmuggler ihre Ware. Der dort geschlagene Stein kennzeichnet nicht nur den Charakter des Dorfes, sondern wurde auch zum Bau der prächtigen Kathedralen von Exeter und Winchester verwendet. Und immer wieder fanden sich im Beer Stone auch wertvolle Fossilien.

Wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten mutet auch Branscombe (7) an. Zwar zählt das Dorf kaum mehr als 25, vielleicht 30 Häuser, dafür gibt es hier den wohl besten Cream Tea in Devon. Eine Brise frischer Seeluft, dazu in der Old Bakery eine gepflegte Tasse Tee mit Scones (Kuchenteigbrötchen), Erdbeermarmelade und Clotted Cream, einem dicken, sahneähnlichen Rahm aus roher Kuhmilch. Keine Frage, so schmeckt die Jurassic Coast. Da müssen die nächsten Fossilienfunde unweigerlich einen Moment auf sich warten lassen. Und nach so vielen Millionen von Jahren kommt es ganz sicher auf die Stunde auch nicht an…

Jurassic Coast - Cream Tea in Branscombe

Cream Tea in Branscombe

 

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