Zu beiden Seiten des Äquators

Quito und die Straße der Vulkane in Ecuador

Text und Fotos: Beate Schümann

Ecuador Quito Indígena mit Baby

Borsalino, Melone, Tirolerhut? Die Wollhüte, die sich da turmhoch stapeln, haben von allen etwas. Sie sind mit Kordel, Schärpe, Schleife oder Feder besetzt, Braune, Graue, Grüne, Rote, und sehr männlich. „Sitzt der?“ erkundigt sich kritisch die Frau bei dem Händler, der auf dem Markt von Latacunga den größten Hutstand hat. Unter dem Männerhut ragt ein langer geflochtener Nackenzopf, ein pinkiger Poncho über dem Rock, weiße Strickstrümpfe. „Feinstes Lama, puro!“ preist der Mann und reicht der Kundin einen Handspiegel. Mehrmals dreht und wendet sie das Modell, das wohl auch Frank Sinatra gefallen hätte, setzt den alten wieder auf und geht.

Ecuador Quito Frau mit HutIn den Anden von Ecuador tragen die Frauen die Hüte, die Männer nähen sie. Auf dem Indiomarkt von Latacunga geht keine ohne. Der „sombrero de lana“, so heißt der andine Wollhut, gehört bei den Indígenas zur modischen Grundausstattung, ist Statussymbol und Sonnenschutz auf dem Hochland dreitausend Meter über dem Meer. Es gibt ihn in zig Farben und Formen, denn in dem Vielvölkerstaat hat jede Volksgruppe eigene. Die Mode kam im 16. Jahrhundert auf, als die Spanier ihre Hüte in der Kolonie herstellen ließen und dafür sogar die Schafe einführten. Auf Dauer war der Transport aber zu teuer, weshalb die Einheimischen für sich selbst zu nähen begannen. Seither floriert die Textilindustrie.

Auch wenn Latacunga als Hauptstadt der Provinz Cotopaxi keine weltbewegenden Sehenswürdigkeiten hat, auf der Plaza El Salto vergnügen sich dienstags die Sinne zwischen zahlreichen Ständen voll reifer Bananen, praller Passionsfrüchte, sonnenblumengelber Maiskolben, violetter Zwiebeln, zum Trocknen ausgebreiteter Bohnen, Säcken voller Reis, dicken Bunden aus frischem Koriander, Stapel gelber und knallroter Chilis. Eine andere Abteilung lockt mit Düften vom „lechón“, knusprig gebratenem Spanferkel, „cordero“ (Lamm) oder dem Maisfladen-Snack „tostada“. Anders als die berühmten Märkte in Otavalo und Ríobamba ist Latacunga angenehm untouristisch.

Der höchste aktive Vulkan der Erde

Wenige Kilometer entfernt wartet jedoch eine der größten Attraktionen Ecuadors, der Cotopaxi. Er ist 5.897 Meter hoch, der höchste aktive Vulkan der Erde. Diese Vulkanriesen haben eine seltsam magische Anziehungskraft, immer stärker, je näher man ihnen kommt. Am bewachten Parkeingang blättert der ausländische Besucher zehn US-Dollar hin. Dann führt eine staubige Straße bergauf zum vulkanischen Abenteuer. Die Luft wird dünner, der Wind schärfer. Der Kegel ist halb verschleiert. Doch er ist da, bedrohlich und schön. Um die Schneekuppe liegt eine Wolkenwand. Plötzlich reißt sie auf, und dann steht er da, der „sanfte Nacken des Mondes“, sagenhaft majestätisch.

Ecuador Quito Cotopaxi aus der Ferne

Der Cotopaxi aus der Ferne ...

Seit 1975 schützt ein Nationalpark den Cotopaxi auf einer Fläche von 33.000 Hektar. Vor dem Feuerspeier, der seit 1738 mehr als fünfzig mal ausgebrochen ist und zuletzt im Jahr 2003 deutliche Erwärmung zeigte, schützt nur ein gutes Frühwarnsystem. Doch das schreckt nicht ab. Jenseits der Baumgrenze bei etwa 3.800 Metern parken schon zwei Busse und Jeeps an der Laguna Limpiopungo, einem See mit Rundwanderweg, der als eine Art vulkanischen Freiluftmuseums fungiert. Windig-kalt ist es, spärlich der Pflanzenwuchs. Unter dem Vulkan grasen ein paar Büffel, eine Herde flinker Lamas flüchtet vor den Ankömmlingen. Nach tausend Meter, bei der Schutzhütte für Bergsteiger, verabschiedet sich die Vegetation. Dann herrschen nur noch Asche und Geröll.

Ecuador Quito Cotopaxi aus der Nähe

... und aus der Nähe

Der Cotopaxi liegt an der „Straße der Vulkane“, wie Alexander von Humboldt diese zwischen den Kordilleren über mehrere hundert Kilometer durch die Anden verlaufende Senke taufte. Vom Cayambe im Norden zum Sangay im Süden führt heute der gut befahrbare Panamericana-Highway mitten durch zwei Vulkanreihen, sodass sich bei klarer Sicht spektakuläre Bilder bieten. 52 Vulkane besitzt Ecuador, allein zehn Fünftausender mit ewigem Schnee. Achtzehn gelten als aktiv. Andere sind erloschen, wie der Chimborazo, der mit 6.310 Metern hier der höchste ist. Die Aktiven tragen Mitschuld, dass von der Hochkultur der Inka in Ecuador kaum noch etwas zu sehen ist.

Am Mittelpunkt der Erde

Ecuador Quito MarktSüdlich von Quito verläuft der Äquator quer durch die Landkarte und die Panamericana. Das Überfahren dieser Trennlinie zwischen der Nord- und Süderdkugel ist relativ gefahrlos. Wenn man es genau nimmt, ist es bedauernswert unspektakulär. Doch der Äquator hat in Ecuador eine Bedeutung, weil das Land seit seiner Unabhängigkeit nach dem Meridian benannt ist. Deshalb wurde auch Quito, auf Quechua „Mittelpunkt der Erde“, Hauptstadt. Selbst die 1,4-Millionen-Einwohner-Metropole hat einen eigenen Hausvulkan, den Pichincha, der neuerdings mit einer Drahtseilbahn flott zu erklimmen ist.

Der beliebteste Aussichtspunkt ist wiederum ein Vulkan, ein erloschener zum Glück. Denn auf dem Cerro Panecillo oder „Brötchen-Hügel“ möchte man länger verweilen. Er bietet den besten Blick auf die am besten erhaltene koloniale Altstadt Südamerikas. Dass die zweithöchst gelegene Kapitale des Kontinentes unter einer ständigen Dunstglocke liegt, ist bei dem Smog und dem gleißenden Höhenlicht keine Besonderheit. Wie unter einem zarten Schleier erkennt man doch die schachbrettartige Anlage, die zahlreichen Kirchen und Klöster im Meer der rötlich schimmernden Ziegeldächer. Auf der Hügelspitze wacht die 43 Meter hohe, aus 7000 Blechteilen zusammengeschweißte Statue der geflügelten, drachentötenden Jungfrau von Quito als Schutzengel über die Stadt.

Ecuador Quito Plaza

Auf der Plaza de Independencia in Quito

Doch das Herz von Quito pulsiert unten an der Plaza de la Independencia. Seit der Kolonialzeit säumen die Machtzentralen das große Karree: Kathedrale, Bischofspalast, Rathaus und Präsidentenpalast. Unter den schattigen Araukarien bevölkern Quiteños und Fremde die Bänke, tummeln sich Schuhputzer, Losverkäufer, Limonadenhändler und Müßiggänger, verhökern Kinder Kaugummi, becircen Otavalo-Frauen, das Jüngste im Poncho auf dem Rücken, Käufer für ihre bunte Webkunst. Auch die Touristenpolizei beäugt das Treiben.

Der gute Engel darf nicht fortfliegen

Ecuador Quito Indígena mit HutVon dem Platz gehen die Gassen und Blöcke ab, in denen man sich den fast fünfhundert Jahre alten Stadtkern leicht erschließt. An der Plaza de San Francisco stehen mit Franziskanerkloster und Kirche die Monumente der frühen Gründungszeit. Die Mönche bauten ihr Gotteshaus hier auf den Ruinen eines von den Spaniern niedergebrannten Inka-Tempels. Überschwänglich dekoriert und vergoldet, wird es darin nur durch die benachbarte Jesuitenkirche La Compañía getoppt.

Unerwartet trifft man in der Franziskanerkirche eine alte Bekannte. Auf dem Hauptaltar tänzelt eine geschnitzte Madonna, die als weltweit einzige mit Flügeln gilt. Diese berühmte goldene Maria von Bernardo Legarda war das Vorbild für die Blechschwester oben auf dem Aussichtsberg, sodass Quito gleich zwei Flügelfiguren besitzt. Die Indígenas sagen, dass oben auf den hohen Vulkanen die Götter wohnen. Deshalb wollte der Künstler vom Panecillo wohl sichergehen. Damit der gute Engel von Quito nicht fortfliegt, hat er ihn angekettet.

Ecuador Quito Marktfrauen

Reiseinformationen zu Quito / Ecuador

Auskunft

Ecuadorianische Zentrale für Tourismus
Robert-Bosch-Str. 28
63225 Langen
kostenlose Hotline: 00800-59300593
www.vivecuador.com.

Beste Reisezeit

Ganzjährig, aber Höhenlage beachten.

Deutsche Ecuador-Spezialisten

Colibri Travel, www.colibri-travel.de/

Chamäleon Reisen, www.chamaeleonreisen.de

Miller Reisen, www.miller-reisen.de.

Literatur

Volker Feser, Ecuador, Michael Müller Verlag, Erlangen 2005.

 

 

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