Durchnässt zum Diplom

Eine Floßfahrt auf der Wilden Rodach

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Zugegeben, für Wasserscheue ist so etwas nichts. Die Floßfahrt auf der Wilden Rodach ist keineswegs eine Gaudi-Bootsfahrt mit Bier, Weißwürsten und Volksmusik, etwa wie eine Floßfahrt auf der Isar. Im Gegenteil!

Frankenwald - Floßfahrt auf der Wilden Rodach

Bevor die Rodach-Flöße in Schnappenhammer (1) starten, geben die Flößer noch letzte Sicherheitshinweise: Wenn ein Floß unter einer niedrigen Brücke hindurch fährt, keinesfalls aufstehen. Und wer hinten auf dem Floß sitzt, muss sich besonders gut festhalten, damit ihn der Wasserdruck nicht vom Floß herunter zieht – so dass er dann im Wasser schwimmend womöglich mit dem folgenden Floß kollidieren könnte. Schwimmwesten freilich werden nicht verteilt, bevor unsere spritzige Fahrt auf der Wilden Rodach beginnt. Wobei die Bezeichnung „Wilde Rodach“ eher täuscht. Das idyllische Flüsschen im oberfränkischen Landkreis Kronach ist eigentlich ziemlich unscheinbar. Bei normalen Wasserstand würde ein Floß hier nicht allzu weit kommen. Doch die Mitglieder der „Flößergemeinschaft Wallenfels e. V.“, die 1982 neu gegründet wurde, wissen sich zu helfen – an insgesamt sechs Stauwehren sammeln sie das Wasser an. Die sechzehn Meter langen Holzflöße starten nur, wenn die Wehre kurz zuvor geöffnet wurden und dadurch ein kräftiger Sog entsteht. Meist sind es mehr als zwanzig Flöße, die dann nacheinander losfahren.

Frankenwald - Floßfahrt auf der Wilden Rodach

Gleich beim ersten Wehr wird das Wasser etwa zwei Meter hoch angestaut. Schon danach sind die gut zwanzig Personen, die hintereinander rittlings auch einem Holzbalken sitzen, ordentlich durchnässt. Vor allem die Gäste auf den zuerst startenden Flössen trifft das Wasser mit voller Wucht. Reinhold Franz, genannt Flößer Picco, steuert sein Floß überaus geschickt und sorgt mit seinem Flößerhaken dafür, dass es nicht am Ufer hängen bleibt. „Als Flößer muss ich das Wasser lesen, ich muss schon im Voraus erkennen, wenn das Floß nach rechts treiben würde – und dann muss ich rechtzeitig dagegen drücken“, sagt der 65-Jährige. Er ist schon seit Jahrzehnten bei den Gaudiflößern dabei und gilt als einer der erfahrensten Freizeit-Flößer im Frankenwald. Bislang hat er während seiner aktiven Zeit nur eine wirklich kritische Situation erlebt: Ein betrunkener Gast, der eigentlich Passagier des vorausfahrenden Floßes war, hatte sich am Wehr festgehalten. Glücklicherweise ging das Ganze glimpflich aus.

Frankenwald - Floßfahrt auf der Wilden Rodach

Picco

Floßfahrten im Frankenwald werden von Mai bis September angeboten und sind ein spritziges Vergnügen für Jung und Alt. Insgesamt sechs Wehre sind auf der etwa fünf Kilometer langen Strecke zu überwinden, das heißt sechs Mal gut festhalten und den Mund besser geschlossen halten, um kein Wasser zu schlucken. Wenn erfahrene Flößer mit ihrem Floßhaken das Holzfloß hin und her schieben, wirkt das für die Besucher spielerisch einfach. „Es sind aber immerhin fünf Tonnen Gewicht, die wir dabei bewegen“, versichert Picco. „Man muss ein Gefühl dafür haben“, erläutert Andreas Müller. Der 79-Jährige hat das Flößen von seinem Vater gelernt, heute fährt er nicht mehr aktiv, gibt aber am Wehr in Schnappenhammer regelmäßig das Startkommando. „Ein echter Flößer muss auch mal reinfallen“, so lautet sein Fazit aus mehreren Jahrzehnten aktiven Floßfahrens. Noch immer trägt er mit Stolz den Flößerohrring.

Ist die samstägliche Gaudi vorbei, erhalten die Touristen ein Flößerdiplom. Danach ziehen sie sich erst einmal trockene Kleidung an, bevor im Flößerhaus in Wallenfels (2) eine Flößerbrotzeit serviert wird. Die ehrenamtlichen Flößer und Wehraufsetzer hingegen haben ihren Treffpunkt schräg gegenüber. Im „Flösserkeller“ fachsimpeln sie über Gott und die Welt – und darüber, ob in den nächsten Wochen wohl genügend Wasser vorhanden sein wird, um die Floßfahrten programmgemäß durchzuführen.

Frankenwald - Floßfahrt auf der Wilden Rodach - Flösserkeller

Flösserkeller

Im „Flösserkeller“ treffen wir nette, freundlich und aufgeschlossene ältere Herren – doch früher, in der Hochzeit der Flößerei, boten die Flößer zum Teil ein anderes Bild. Sie waren raue Gesellen und brachten der Region Kronach einen Spitzenplatz in der Kriminalstatistik ein. Zur täglichen Ration eines Flößers zählten fünf Liter Leichtbier, so erfahren wir im Flößermuseum in Unterrodach (3). Durch dieses führt uns Herbert Kleylein, dessen Großvater selbst noch Weißflößer war. Kleylein berichtet davon, dass ein Floß von Kronach bis Mainz früher etwa 15 Tage unterwegs gewesen ist. Weitere Zielorte waren Mannheim oder Koblenz, von dort ging es dann nach Holland. Hauptsächlich Fichten- und Buchenholz ist auf den Flößen transportiert worden, und zwar vom Mittelalter bis zu den 1930er Jahren. Je breiter der Fluss wurde, desto mehr Flöße hat man zusammengebunden, ein Mainfloß bestand schließlich aus 400 Festmetern Holz. Die Floßknechte mussten hart arbeiten, hatten jedoch nicht den besten Ruf. „Betreten des Festplatzes für Zigeuner, Tiroler und Flößer verboten“ hieß es beispielsweise in Koblenz.

Frankenwald - Floßfahrt auf der Wilden Rodach - Herbert Kleylein im Flößermuseum in Unterrodach

Herbert Kleylein im Flößermuseum in Unterrodach

Die Floßherren, die angestellte Flößer für sich arbeiten ließen, brachten es zu erheblichem Reichtum. Den Spuren ihres Wohlstands folgt man auf einer Flößerstadtführung durch Kronach (4). Stadtführerin Rosi Ross bietet diese Spaziergänge seit dem Jahr 2013 an. Sie zeigt ihren Gästen, welch prächtige Häuser früher den Floßherren gehörten – und wie drei Flüsse und zahlreiche Mühlen die Stadt Kronach lange Zeit prägten.

Das Flößen, so erfahren wir von Rosi Ross, war nicht nur eine hervorragende Einnahmequelle für die Floßherren, auch Mühlenbesitzer und die Obrigkeit verlangten Passiergebühren bzw. Wegezoll. Eine bunt gewürfelte Truppe aus Männern, Frauen und Kindern auf einem Floß, wie bei der Gaudi-Floßfahrt von Schnappenhammer nach Wallenfels, wäre früher jedoch nicht denkbar gewesen. „Die Flößer waren der Auffassung, dass Frauen auf einem Floß Unglück bringen“, verrät Herbert Kleylein im Flößermuseum. Ein Haltung, die sich inzwischen geändert hat – auch wenn sich unter den Hobby-Flößern der „Flößergemeinschaft Wallenfels e.V.“ bis heute noch keine Frau befindet.

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