Die Kräfte der Steine

Auf der „Straße der Skulpturen“ im Saarland

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Die Umgebung von St. Wendel im Saarland kennen viele Mountainbike-Freaks. Die wellige Landschaft mit ihren Senken und Kuppen ist immer wieder aufs Neue eine Herausforderung für die Querfeldeinradler. Dass aber entlang des Saarlandrundweges besondere Steine den Weg weisen, wissen nur wenige. Einige Kilometer nördlich von St. Wendel nämlich sind mehr als ein Dutzend Großplastiken am Rande von Feldern und Koppeln aufgestellt.

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Wendelinusbalisika in St. Wendel

Die historische Altstadt von St. Wendel, Ausgangspunkt unserer Wanderung auf der „Spur der Steine“, wird von der Wendelinus-Basilika beherrscht. In dieser Hallenkirche mit ihren braunroten Pfeilern und den Rankenmustern im Gewölbe werden die Gebeine des heiligen Wendelin aufbewahrt. Dieser Reliquie verdankt der Ort seit 1500 jährliche Wallfahrten. Etwas versetzt zum Westwerk der Kirche, deren Zwiebelturmhaube nicht zu übersehen ist, wurde das Rathaus errichtet, das mit den Bürgerhäusern am Fruchtmarkt das Gesicht der Altstadt prägt. Nur wenige Schritte von hier sind es bis zur Magdalenen-Kapelle, die als Sakralbau nicht mehr zu erkennen ist. Die einstige mittelalterliche Pfarrkirche wurde im Laufe der Geschichte zum Schulhaus und zur Kaserne umgestaltet. Die Kapelle diente umgestaltet als Wohnhaus, ehe dort schließlich ein Weinhaus mit Weinkeller eingerichtet wurde.

Über die Schloss-, Luisen- und Kelsweiler Straße verlässt man St. Wendel. Wer dem verschwenkten Verlauf der Gudesbergstraße folgt, stößt rechter Hand auf eine verwahrloste Treppe, die auf eine Anhöhe hinaufführt. Flankiert von einer Baumreihe hat eine Sandsteinplastik auf einem Betonsockel ihren Platz gefunden. Michael Schoenholz hat im Herbst 1984 diese aus zwei verkeilten Steinelementen bestehende Skulptur geschaffen.

Ein Pfahl im Fleische

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Herbert George (USA): Skulptur Nr. 14 ("Zerfließende Pyramide"), 1972

Nach diesem Abstecher kehren wir zur Gabelung der Gudesbergstraße und Kelsweiler Straße zurück und biegen nach rechts in die Kelsweiler Straße ein. An der Felsenmühle vorbei führt der Weg leicht bergab. Über die schmale, rasch fließende Blies hinweg geht es weiter bis zur Unterführung einer ehemaligen Bahntrasse, die heute als Radweg dient. Dahinter geht es sofort auf einem schmalen Pfad bergan. Zwischen Feldrand und Baumreihen führt der Weg hinauf auf eine Kuppe.

Von hier aus überblickt man die gewellte Landschaft. Unter uns in einer Senke entdecken wir einen rotbraunen Kegel umgeben von sich im Wind neigenden Kornhalmen. Der Bildhauer Bruno K. nannte seine Arbeit »Rotdorn – Pfahl im Fleische« und nimmt mit dieser Holzskulptur Bezug auf den Galgenberg in der Nähe. Von weitem erinnert diese plastische Arbeit an eine abgebrochene Kirchturmspitze, die als trigonometrischer Punkt in der Landschaft eine neue Aufgabe gefunden hat. In nördlicher Richtung wird von hier aus die Wanderung fortgesetzt. Schaut man auf Höhe einiger Koppeln gen Osten, so kann man zahlreiche Plastiken am Rande der Straße zwischen St. Wendel und Elsweiler ausmachen.

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Gabi Beju (Rumänien): Skulptur Nr. 19 ("Erinnering an die Nike von Samothrake"), 1972

Vor einem Stacheldrahtzaun, versunken in Feldblumen und sattgrünen Gräsern, sehen wir Rudi Scheuermanns stereometrische Komposition. Kreis und Kubus sowie Einkerbungen in den massiven Block erzeugen ein rhythmisiertes Gebilde, das ein wenig verloren in der Landschaft liegt. Östlich der viel befahrenen Straßen befinden sich gleich zwei Plastiken, an denen auch der Mountainbike-Freak auf einem ausgeschilderten Parcours vorbeistrampelt: Einem stilisierten Atompilz gleicht Genort Rumpfs aus rotem Sandstein und Aluminiumelementen bestehende Plastik. Die Aluminiumelemente verstopfen die Bruchlinien der auf einem Steinfuß ruhenden Quaderelemente.

Ein Phallus aus Lava

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Franz-Xaver Ölzant (Österreich): Skulptur Nr. 12 ("Erinnerung an Hammurabi"), 1971

In unmittelbarer Nachbarschaft hat der Japaner Hajime Togashi einen Ort für seinen geschichteten Marmorblock gefunden, dessen Kerbungen im Sonnenlicht wechselnd in Licht und Schatten getaucht sind. An einem Querweg, der von der Straße zurück auf den Saarlandrundweg führt, stößt man auf die teilweise organisch komponierte Arbeit des aus Polen stammenden Adolf Ryszka. Betrachtet man die Ostseite des Steinblocks, so meint man, das weibliche Geschlecht identifizieren zu können. Die „Irisgestalt“ dieser Seite steht im Gegensatz zur Schroffheit der gegenüberliegenden. Die Vorstellung von Orgelpfeifen oder erstarrten aufsteigenden Wellen drängt sich auf, steht man vor Hiromi Akiyamas roter Sandsteinskulptur ganz in der Nähe.

Einem Phallus aus Basaltlava gleicht Franz-Xaver Ölzants Arbeit, die man auf dem weiteren Weg entdeckt. Wer sie genauer betrachtet, kann die schuppige Gestalt der Außenhaut dieses Menhirs erkennen. Am Rande eines östlich des Wanderwegs gelegenen Parkplatzes haben zahlreiche Skulpturen ihren Platz gefunden, eine zerfließende Pyramide ebenso wie geknickte Rohre in einem Sandsteinquader. Aus dem Erdreich dringt ein Marmorrohr empor, das an Schiffsaufbauten erinnert. Riesig ist der Fuß aus gelblichem Sandstein, den Yoshimi Hashimoto aus dem rohen Steinblock herausgemeißelt hat. Wirft man einen Blick auf den faltigen Umhang, den die rumänische Künstlerin Gabi Beju entworfen hat, so denkt man vielleicht an die Nike von Samothrake oder an einen Römer, der sich gegen die Kälte in seinen Umhang gewickelt hat.

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Paul Schneider (Deutschland): Skulptur Nr. 15 ("Durchblick in die Landschaft"), 1971

Verlassen wir den Parkplatz und setzen unseren Weg auf der Alten Trierer Straße fort, so können wir Leo Kornbrusts Basaltthron nicht übersehen: Mit Sinn für Witz und Surreales gestaltete der aus St. Wendel stammende Künstler seine Arbeit. Eingeritzt in den besteigbaren Thron liest man: „Sitze recht und scheue niemand, wer nicht hören will, muss sitzen, wer zuletzt sitzt, sitzt am besten.“

Ein Felsblock mit Fahrzeugketten

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Gernot Rumpf (Deutschland): Skulptur Nr. 8 ("In Erinnerung an das Grubenunglück in der Schwerspatgrube Eisen"), 1971

Erreichen wir anschließend ein kleines Gehölz, so sehen wir dort einen mächtigen Steinblock mit aufgesetzten Scharnieren. Diese Arbeit befindet sich direkt an der Kreuzung nach Göckelmühle. Sobald wir die ersten Häuser von Baltersweiler erreicht haben, können wir unter einem knorrigen Baum eine Bank sehen, zudem Panzersperren aus Beton, die man vom Westwall her kennt. Doch was machen diese am Rande von Baltersweiler? Kurz vor der Querung der Bundesstraße 41 fällt unser Blick auf ein sich umarmendes Riesenpaar. Jenseits der Bundesstraße durchwandern wir ein kleines Waldstück. Am Wegesrand blüht im Frühjahr gelber Ginster, später im Jahr auch Erika.

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Rudi Scherumann(Deutschland): Skulptur Nr. 7 ("Komposition mit stereometrischen Elementen"), 1971

Im weiteren Verlauf der Alten Trierer Straße bewegen wir uns mal durch Felder, mal durch kleine Waldstücke. Hinter dem Abzweig nach Bliesen stoßen wir am Waldrand auf einen liegenden Felsbrocken, dessen Oberfläche an knospende Korallen erinnert. Kurze Zeit später sehen wir rechts am Weg eine kristalline Plastik, die an Arbeiten von Wenzel Hablik erinnert. Im Angesicht dieses Werkes könnte man auch das Bild einer Rhododendronknospe wählen, um die Plastik zu beschreiben. An einem abführenden Weg nur wenige Schritte später liegt Hans-Jürgen Breustes Plastik »Overkill 1982« – ein liegender Felsblock, der von Fahrzeugketten umschlungen wird. Auf sich kreuzenden Metallbändern kann man lesen: „die Kräfte der Steine und die Kräfte, die Steine bersten lassen“.

 

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