Manche Mühle klappert noch

Stationen an der »Mühlenstraße« in Oberschwaben

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Es ist zwei Jahrhunderte her, da glich Oberschwaben einem territorialen Flickenteppich. Unzählige weltliche und geistliche Herrschaften bestanden in dieser süddeutschen Region. Jede von ihnen besaß eigene Mühlen: Korn und Rinden wurden gemahlen, Holz mit einer Gattersäge gesägt, Knochen zerstampft, Leder und Wolle gewalkt, Eisenhämmer und Blasebälge gehoben und gesenkt. Wasser zum Betrieb der Mühlen war in Hülle und Fülle vorhanden. Nur ein Teil dieser Mühlen hat bis in unsere Tage überlebt. Einige von ihnen hat unser Autor bei seiner Fahrt über die »Mühlenstraße« in Oberschwaben besucht.

Massives Fachwerk eines Weberhauses

Weber sind längst nicht mehr in Biberach ansässig. Nur ihre massiven Behausungen – Fachwerkbauten auf einem gemauerten Untergeschoss – haben als Zeugnis einer alten Handwerkstradition die Zeit überdauert. In feuchten Kellern mussten Weber Tuche für Kaufleute fertigen und nicht immer wurde das Werk von Monaten auch abgenommen. Bisweilen behaupteten die Kaufleute Biberachs, die Qualität der Webarbeit sei schlecht und unverkäuflich. So blieben die Weber auf ihren fertigen Produkten sitzen und mussten den Gürtel noch enger schnallen.

Hier wohnen längst keine Gerber mehr und Felle werden auch nicht zum Trocknen über die Brüstungen gelegt

Neben den Webern war noch eine weitere Zunft in der Stadt ansässig: die Gerber. Nicht weit von den Resten der Stadtmauer sind noch einige, wenn auch baulich umgestaltete Gerberhäuser mit ihren typischen Balkonen zu sehen. Über das Geländer der Balkone wurden einst die gegerbten Felle und Leder zum Trocknen gehängt. Die bis heute noch sichtbaren Stadtbäche waren wichtige Voraussetzung für die Biberacher Rotgerber. Denn ohne Wasser war der Betrieb der Walkerei lange Zeit nicht möglich.

Die Mühle eines Weißgerbers vor den Stadttoren Biberachs

Vor den Toren der Stadt produziert bis heute eine in Familienbesitz befindliche Gerberei und walkt und gerbt die Felle nicht mit Eichenrinde, sondern mit Fischtran. Stege, die in den Bachlauf ragen, dienen zum Aufhängen der Häute. Beim Betreten der Walkmühle Kolesch riecht man den Tran. Der Fußboden ist leicht klebrig. Große Bottiche, in denen der Tran gekocht wird, stehen herum, Felle hängen zum Trocknen auf dem Trockenboden. Verarbeitet werden vor allem aus Sibirien stammende Hirschfelle, aus denen die Firma nach Wunsch auch modische Lederjeans herstellt.

Im »oberschwäbischen Kreml«

Dass historische Mühlen bis heute überlebt haben, ist zumeist dem Engagement der Betreiber zu verdanken. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann bereits der Niedergang dieses Gewerbes. Von den einst dreihundert verschiedenen Mühlen im Landkreis Biberach sind etliche längst umgewidmet worden, wurden zu Cafés umgebaut oder beheimaten Museen wie die Ölmühle in Bad Waldsee oder die Klostermühle in Rot an der Rot. Insgesamt 105 Mühlen kann man entlang der oberschwäbischen Mühlenstraße sehen. Dies ist dem Müller Graf aus Tannheim zu verdanken, wahrlich ein Müller mit Leib und Seele.

Blick in die Walke eines Biberacher Weißgerbers

Prämonstratensern ist die Gründung des Klosters Rot zu verdanken, das auch die Enteignung des Kirchenbesitzes 1803 überdauert hat. Schelme nennen das Kloster wegen seiner massiven Erscheinung den oberschwäbischen Kreml, der durch ein oberes und ein unteres Tor – beide mit aufwändigen Fassadenmalereien verziert – zugänglich ist. Die Kirche, die Mühle und die Ökonomie – der Wirtschaftsteil des Klosters – gehen auf den Anfang des 18. Jahrhunderts zurück. Die Klostermühle ist heute Bäckerei und Café.

Das kunstvoll bemalte obere Tor der Klosteranlage von Rot an der Rot

Betritt man die Kirche, die der heiligen Verena geweiht ist, so entdeckt man prächtig bunte Freskenmalerei. Januarius Zick, einer der in Süddeutschland bekannten Barockmaler, hat unter anderem den 12-jährigen Jesus im Tempel gemalt. Zu sehen ist außerdem so genannte Grisaille-Malerei in den Gewölbezwickeln. Das Kirchenschiff ist in klassischem Weiß gehalten, nur hier und da durch Gold unterbrochen. So wirkt die Kirche eher schlicht und nicht überladen, wie das sonst für Barockbauten üblich ist.

Leben mit der Natur

Peter Graf, ein Müller mit Leib und Seele

In Tannheim treffen wir die gute Seele der oberschwäbischen Mühlenstraße, den Müller Gerd Graf, uns in die Mühlengeschichte einführt: Die Tannheimer Dinkelmühle ist schon seit dem 18. Jahrhundert im Familienbesitz. Nach einer kurzen Lektion über oberschlächtige, unterschlächtige und mittelschlächtige Mühlen – dies ist eine Frage des Wasserradantriebs – kommt Gerd Graf ins Schwärmen, wenn er die alte Mühlentechnik vorstellt. Mit dem im Durchmesser sieben Meter großen Wasserrad werden nicht nur die Mahlwerke der oberschlächtigen Mühle angetrieben, sondern auch Strom erzeugt. »Doch ohne die Pflege des Mühlbaches nutzt dieses technische Wunder gar nichts.«, fügt der Müller an. Falltore müssen ebenso gereinigt werden wie der Mühlbach. Und das kostet Zeit, die eigentlich mit dem Preis für die Energieeinspeisung ins Netz nicht bezahlt wird.

Müller haben auch Humor

Hauptzweck dieser Mühle ist das Mahlen von Dinkel. Betritt man das Innere, so sieht man ein Gewirr aus ledernen Transmissionsriemen und Antriebsscheiben. Neben traditionellen Mahlwerken gibt es auch so genannte Walzenstühle, die seit 1914 mittels Eisenwalzen das Korn stufenweise mahlen. Gerd Graf meint scherzend, dass er mit seiner Kleinmühle, die von sechs bis acht Landwirten mit Getreide beliefert wird, sicherlich die Stadt Memmingen nicht durchfüttern könnte. Sein Großvater habe noch acht Tonnen gemahlen, er selbst schaffe neben seiner Landwirtschaft bis zu 1,5 Tonnen in ein bis drei Tagen, während eine Tagesleistung von 650 Tonnen in modernen Industriemühlen normal sei.

Aber ihm und seiner Familie genüge, was die Mühle und die Landwirtschaft mit fünfzehn Milchkühen und zwanzig Hektar Land abwerfe. Stolz verweist er mit schelmischem Blick auf seinen Bauch – und fürwahr als Hungerleider käme Gerd Graf nicht durch. Von besonderer Gottesehrfurcht spricht er, als er durch die Mühle führt, verweist auf einen 78 Jahre alten Lederriemen, der aus einem Rinderfell gemacht wurde und bis heute seine Funktion erfüllt, und schimpft auf die Unkenntnis der Leute, die nicht wissen, wie man mit der Natur und von der Natur leben kann. Nicht alles ist verständlich, was Müller Graf zu sagen hat, denn hat er sich einmal in Rage geredet, so überwiegt Mundart statt Hochdeutsch.

 

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