Springen, Rutschen, Abseilen

Schluchtenwandern (Canyoning) im bayerischen Oberallgäu

Text: Adrienne Friedlaender
Fotos: baWILDria

Links und rechts der Schlucht ragen die Felswände bis zum Wald hinauf. Dazwischen plätschert glasklar der Osterbach über das steinige Bachbrett. Mitten im Gebirgsbach drei Männer und eine Frau in schwarzen Neoprenanzügen und mit gelben Helmen geschützt. Nur wenige Sonnenstrahlen dringen bis hier in die Tiefe und begleiten die Wanderer, die durch das knietiefe, eiskalte Wasser marschieren. Sie folgen dem Gebirgsbach hinunter ins Tal. Schluchtenwandern, auch Canyoning genannt, ist Wandern mit Hindernissen und ein echtes Erlebnis. Zu dem gehören Sprünge von Felsvorsprüngen, Abseilen von Steilwänden, Rutschpartien, Schwimmen und manchmal sogar Tauchen.

Abseilen im Tannhemer Tal im Allgäu - Foto: baWILDria

Ihr erstes Hindernis erreicht die Gruppe nach ein paar hundert Metern: Es schäumt, tost und braust. Nur ein paar Schritte vor uns rauscht ein Wasserfall die Felswand hinunter. Direkt daneben ausgewaschene Felsen, die wir als Rutsche nutzen müssen, um hinunter zur nächsten Stufe der Schlucht zu gelangen. „Hinsetzen, Beine anwinkeln und die Hände über der Brust kreuzen“, Stephan gibt die letzten Anweisungen. Kaum hat sich der erste Mutige in die Felsrutsche gesetzt, ergreift der reißende Strom den Körper, wirbelt ihn wie eine Gummipuppe durch die Felsenge und spuckt ihn Sekunden später im sprudelnden Tumpen, einem natürlichen Wasserbecken im Bach, wieder aus. Prustend taucht der tollkühne Schluchtenwanderer aus dem kalten Wasser auf, schüttelt sich wie ein nasser Hund und gibt dann mit einem glücklichen Grinsen das Handzeichen: Alles ok!

Canyoning im Allgäu - Foto: baWILDria

Die Geschichte des Canyoning ist noch relativ jung. Erst in den letzten Jahren haben Bergfreaks und Alpinsportler Klettern, Abseilen, Rutschen, Springen, Schwimmen und Wandern zum Canyoning zusammengeführt. Ein voller Erfolg, denn mittlerweile ist Canyoning zum Trendsport geworden und wird in vielen Orten in den Alpen angeboten. Ideale Bedingungen dafür bietet auch das Oberallgäu. In Bad Hindelang hat Stephan Schulze vor sieben Jahren sein Outdoor-Unternehmen baWILDria eröffnet.

Mit elf Jahren begann Stephan Schulze mit dem Kletterern und entdeckte wenig später auch seine Leidenschaft für Kajakfahren und Rafting. Nach vielen Jahren in Bergen und Booten kam er auf die Idee, das Klettern und die Begeisterung für das Wildwasser zu verbinden und mit dem Schluchtenwandern zu beginnen „Ein vielseitigeres Bergvergnügen gibt es für mich einfach nicht!“, erzählt er begeistert. Jetzt führt der 31jährige als staatlich geprüfter Outdoor-Guide abenteuerlustige Gruppen in das Gunzesrieder Tal in den Allgäuer Bergen.

Schluchtenwandern gehört zwar zu den Extremsportarten, aber auch Neugierigen und Neulingen ist es hier möglich, das Adrenalin-Abenteuer einmal auszuprobieren und unter fachkundiger Anleitung die Schluchten zu erobern. Einzige Voraussetzung für die Teilnahme ist eine normale körperliche Konstitution, und vor allem die Lust auf ein ganz besonderes Abenteuer.

Canyoning im Allgäu - Foto: baWILDria

Auch heute ist Stephan mit seiner vierköpfigen Anfänger-Gruppe unterwegs zum Osterbachtobel, einer wildromantischen Schlucht inmitten eines Gebirgswaldes, der optimale Bedingungen zum „Schnupper-Schluchterln“ bietet. Direkt neben der Schlucht führt ein Wanderweg durch den Wald. Wer vielleicht doch einer Abseilstelle oder einem Felssprung ausweichen möchte, kann auf dem Weg das Hindernis umgehen und danach wieder ins Wasser zurückkehren. Eine beruhigende Option.

Zunächst verteilt Stephan auf dem Parkplatz am Waldrand die Ausrüstung: Die Teilnehmer schlüpfen in Neoprenanzug und Gummisocken. Warme Kleidung ist für das Wandern und Schwimmen im eiskalten Gebirgsbach unbedingt notwendig. Dazu erhält jeder Schüler einen Canyoning-Gurt zum Klettern und Abseilen und natürlich einen Helm. Stephan schultert seinen wasserfesten roten Rucksack. Er enthält das Canyoningseil, die Erstehilfe-Box , Telefon und ein paar andere Utensilien. Karabinerhaken und Notfallmesser trägt er am Gurt am Körper. Im Gänsemarsch folgt die Gruppe dem Schluchtenführer durch den Wald. 30 Minuten dauert der Aufstieg. Eine schweißtreibende Angelegenheit in dem engen und warmen Anzug.

Endlich ist die Einstiegsstelle zur Schlucht erreicht und Zeit für das Briefing: In wenigen verständlichen Schritten vermittelt Stephan die Sicherheitsregeln, erklärt die Handhabung des Gurtes und gibt Anweisungen zum Verhalten auf dem Weg durch die Schlucht: Wie verhalte ich mich im Bachbett, wie kann ich Gefahren ausweichen, was ist beim Springen und Rutschen zu beachten. Während seine Schüler noch etwas skeptisch aus der Neopren-Wäsche schauen, strahlt Stephan voller Tatendrang über das ganze Gesicht und blinzelt vergnügt aus seinen braunen Augen: „Am schwierigsten ist das Gehen im Bachbett, denn das müsst ihr allein machen. Alles Weitere machen wir dann gemeinsam.“

Und tatsächlich: Jeder Schritt über Stock und Stein im sprudelnden Wasser ist eine Herausforderung. Es braucht ein wenig Bewegungs-Phantasie, hatte Stephan der Gruppe mit auf den Weg gegeben. Jetzt wird klar, was er gemeint hat. Immer wieder glitscht der Fuß vom rutschigen Stein. Dazu bringt die Strömung die Wanderer aus dem Gleichgewicht. Die ersten hundert Meter fühlen sich an, wie eine Wanderung über rohe Eier. Immer wieder landet einer der Canyoning-Debütanten auf dem Po, bis Stephan vor einer Felswand anhält, seinen Rucksack absetzt und ein Seil hervorholt.

Canyoning im Allgäu - Foto: baWILDria

Wir haben die erste Abseilstelle erreicht. Rund acht Meter geht es steil in die Tiefe. Stephan befestigt das Seil an einem Haken am Berg. Am Abseilachter, einem achtförmigen Sicherungshaken, kann sich jeder Schüler aus eigener Kraft abseilen und dabei das eigene Gewicht bremsen. Der Bauch kribbelt, die Nerven sind gespannt wie das Seil am Berg. In kleinen Schritten geht es rückwärts Richtung Abgrund. Es kostet einige Überwindung, sich dem Seil anzuvertrauen und sich über die Schlucht zu hängen. „Besser nicht nach unten schauen“, rät Stephan. Leichter gesagt, als getan. Dann geht’s los: Die Füße auseinander und mit Kraft gegen die Felswand drücken, abstoßen und Sprung für Sprung und Stück für Stück in die Tiefe. Geschafft! Stress- und Glückshormone mischen sich zu einem euphorisierenden Canyoning-Erlebnis-Cocktail.

Und was ist mit den Gefahren dieses Extremsportes? „Man sollte unbedingt darauf achten, nur mit einem zertifizierten Guide in die Schlucht zu gehen. Wenn man mit einem Profi unterwegs ist, der das Gebiet kennt, und allen Anweisungen folgt, ist die Verletzungsgefahr gering “, rät Stephan Schulze.

Canyoning im Allgäu - Foto: baWILDria

Natürlich kann es auch mal zu kleinen Fußverletzungen kommen, wenn man im Bachbett ausrutscht, oder auch zu einem blauen Fleck oder Abschürfungen beim Rutschen oder Abseilen. „Aber“, so beruhigt Stephan, „ ernsthaft verletzt hat sich bei meinen Touren noch keiner.“

Wenige Minuten später erreicht die Gruppe den ersten Felssprung. Der Puls schießt in die Höhe, der Körper wird von Adrenalin geflutet wie der Fels vom reißenden Strom. Wie in einem Kochtopf brodelt das Wasser fünf Meter tiefer in der Einsprungstelle. Stephan weiß, was zu tun ist: „Gehirn ausschalten, den Willen fassen zu springen, bis drei zählen und hopp!“Die Freudenschreie der Felsspringer übertönen das Tosen des Wasserfalls.

 

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