DAS PORTAL DEUTSCHSPRACHIGER REISEJOURNALISTEN

Musik aus Deutschland

 

Tiny Tribe: “Strange Stories & Faraway Places”
CD: NRW Records 8005

 

Die deutschen Jazz-Musiker erinnern sich zunehmend an jene Erkenntnis, die für ihre skandinavischen, italienischen und andere europäische Kollegen immer schon selbstverständlich war: Jazz ist eine globale Unterhaltungsmusik. Der Gitarrist Florian Zenker, Jens Loh (Kontrabass, elektronische Keyboards) und Percussionist Afra Mussawisade erfinden hier die Worldmusic nicht neu. Aber zusammen mit ihren Gastmusikern – Akkordeon, Flügelhorn und Violine – umspielen sie swingend und orientalisch tänzelnd all jene Schablonen, in denen Weltmusikanten manchmal gerne stecken bleiben. Bei all ihrer unbeschwerten Verspieltheit eignet sich die vorliegende CD weniger als Einladung zum Tanz. Tiny Tribe versteht sich weitaus mehr als Reiseführer für angenehme Reisen nach innen. wd@saw

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Ralf Gauck: „A Hard Day’s Night“
CD: Wonderland Records WR 9069 / Rough Trade

Warnung: Als anregender Musik-Background während einer langen Autobahnfahrt ist diese CD nicht geeignet. Und wer ohne sein allerfeinstes Kopfhörer-Equipment auf die Reise gegangen ist, kann diese samtweich im Tieftonbereich nachschwingenden Saiten-Zaubereien ebenfalls kaum richtig genießen – weder bei einer gemütlichen Zugfahrt noch abends im Hotelzimmer.

41 Minuten und 56 Sekunden lang nur Bassgitarre. Und sonst gar nix. – Kann das wirklich dermaßen spannend sein, dass es sich lohnt, diese CD in die Player-Schublade zu schieben und sich daheim auf das gemütlichste Sofa zu setzen? – Ja!!!

Bereits 2007 interpretierte der Bassgitarrist Ralf Gauck ohne jegliche Begleit-Musiker - sogar ohne Overdubs oder andere Mätzchen - auf seiner CD „Fields of Gold“ mehrere Songs von Sting; man konnte diese Scheibe damals belächeln als Gag für HiFi-Vorführungen, bei denen die Tiefton-Festigkeit von Bass-Lautsprechern angetestet werden soll. Aber auch die ärgsten Kritiker musste anerkennen: Ralf Gauck ist ein Virtuose auf seinem Instrument.

Bei der vorliegenden CD mit Cover-Versionen von Beatles-Songs klingt eigentlich nur der Bonus-Track ein wenig überflüssig. Denn im Vergleich zum übrigen Repertoire dieser CD wirkt das von Ralf Gauck artig gezupfte „Prélude“ aus Bachs G-Dur Cello-Suite allenfalls wie ein Malus-Track.

In den übrigen zehn Tracks erreicht der Bassgitarrist jedoch Tiefen der menschlichen Seele, zu denen andere Interpreten von Lennon-McCartney-Songs bislang nicht vorgedrungen waren. Spätestens bei dem – in der Original-Version künstlerisch eigentlich weniger bedeutend klingenden - Beatles-Titel "Things We Said Today" glaubt der Hörer, nicht nur vier Bass-Saiten zu vernehmen, sondern die Fab Four in Bestform zu erleben. In der anspruchsvoll komplexen Psychdelic-Hymne „A Day In The Life“ findet der Bassgitarre-Paganini Ralf Gauck sogar noch die Muße, ein paar Zitate von Jimi Hendrix einzustreuen. Aber vor allem Gaucks Interpretation von Paul McCartneys Gospel-Evergreen "Let It Be" ist eine Meisterleistung. Die Arbeit des Solo-Bassgitarristen ist meisterlich im Sinne von "künstlerisch ausgereift" wie auch "akrobatisch fingerflink".

So nebenbei verblüfft diese klanglich weitgehend natuberlassene Produktion mit ihren audiophilen Qualitäten. Allein schon deswegen glaubt der CD-Hörer nach mindestens jedem zweiten Track aus seinem Sessel springen zu müssen, um lauthals zu brüllen: Zuuu-gaaa-be!!! wd@saw

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Verschiedene Interpreten: „The Rough Guide To Tango”
CD (plus Bonus-CD “Carlos Libedinsky”): RGNET 1219CD / harmonia mundi

www.worldmusic.net


Das Weltmusik-Label Rough Guide hatte dieser argentinischen Spelunkenmusik bereits mehrere CDs gewidmet. Darauf wurden vor allem die stilbildenden Arbeiten des Bandoneon-Virtuosen Astor Piazzolla gewürdigt und die poppig aktuellen Blüten des Tango-Tanzbooms vorgestellt. Aber Tango kann auch für Nichttänzer ein Genussmittel sein.

   Die vorliegende Compilation zeigt eher die nachdenklich intimen Facetten dieser Unterhaltungsmusik aus den Hafenkneipen von Buenos Aires. Das deutsche Weltmusik-Ensemble Quadro Nuevo mit dem Klassiker „Tango Jalousie“ sowie die Gruppe El Ultimo Tango huldigen aus Birmingham  von dieser Seite des Atlantiks aus der inspirierenden Kraft des Tango für konzertante Jazz- und Pop-Musiker.
   Auf einer beiliegenden Bonus-CD verbinden der argentinische Gitarrist Carlos Libedinsky und seine Gruppe ebenso einfühlsam wie mitreißend die Stilmittel des Electronic-Pop mit jener Träne, die man tanzen kann.wd@saw

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Sarband & Fadia El-Hage: “Die Arabische Passion nach J.S. Bach“
CD: Jaro 4294-2
www.jaro.de
www.sarband.de

„Passion“ kann übersetzt werden mit „Leidenschaft“ oder „Leidensgeschichte“. Wenn der in München lebende Bulgare Vladimir Ivanoff mit seinem Altemusik-Ensemble „Sarband“ hier einige Choräle und andere Kompositionen von Johann-Sebastian Bach zur Leidensgeschichte Christi hinterfragt, weckt er bei seinen Musikern wie auch bei den Zuhörern jede Menge Leidenschaft. Sarband durchstreift seit 1986 die Grenzbereiche zwischen abendländischen und orientalischen Musik-Kulturen. Diesmal entwickeln die Sarband-Mitglieder, die Sängerin Fadia El-Hage und das Modern String Quartet allerhöchste musikalische Reibungshitze, indem sie zum Beispiel aus einem Moment tief empfundener Spiritualität urplötzlich unbeschwerten Zigeuner-Swing oder arabische Tanz-Rhythmen emporsteigen lassen. Liturgiemusik-Puristen müssen sich dabei auf einige – in mehrfachem Wortsinne - unerhörte Töne gefasst machen. Wie gesagt: Leidensgeschichte meets Leidenschaft. wd@saw

Georg Friedrich Händel: “Acis und Galatea”
Verschiedene Solisten, NDR Chor, Festspiel Orchester Göttingen, Nicholas McGegan

CD (SACD): Carus 83.420 / Note1
www.carus-verlag.com
www.haendel-festspiele.de

 

Die Göttinger Händel-Festspiele fanden 1920 zum ersten Mal statt. Damit sind sie das weltweit älteste Festival, das sich auf Alte Musik – also auf die Epoche vor der Klassik – spezialisiert hat. Seit 1991 zeigt der englische Dirigent Nicholas McGegan als Künstlerischer Leiter dieser Traditions-Veranstaltung jedes Jahr im Mai, wie modern und temperamentvoll vor allem die Opern eines Georg Friedrich Händel wirken können. 2008 erlebten die Festival-Besucher eine Premiere der besonderen Art: Felix Mendelssohn-Bartholdys - mehr als ein Jahrhundert lang vergessene - Bearbeitung der Händel-Oper „Acis und Galatea“ wurde in Göttingen uraufgeführt. Dank der vorliegenden CD dürfen auch jene, die nicht dabei waren, jetzt die spritzige Virtuosität und den ausgewogenen Wohlklang dieser Produktion genießen. wd@saw

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Quadro Nuevo & Ulrich Tukur, Ulrike Kriener, Frank T. Zumbach: Johann Wolfgang von Goethe – Italienische Reise”
2 CDs: GLM FM 136-2 / Soulfood
www.quadronuevo.de

1786 reiste Johann Wolfgang von Goethe über die Alpen nach Süden. Diese CD lädt ein zum Mitreisen – zumindest zum Träumen. Goethes Gedanken und Erlebnisse - veröffentlicht in seinem Bericht „Italienische Reise“, in „Venetianische Epigramme“ und in seinen Briefen – vermählen sich hier leichtgängig und elegant mit der Musik von Quadro Nuevo. Das Weltmusik-Quartett (Gitarre, Mandoline, Akkordeon, verschiedene Perccussion- und Blas-Instrumente) bewährt sich auch hier wieder als akustischer Illustrator von Alpen-, Mittelmeer- und Adria-Reisestimmungen. wd@saw

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Verschiedene Interpreten: "The Diaspora For Africa - Vol.1"
CD: Culture Taxi Records / h’Art  
www. Koolwave.net
www.diaspora-for-africa.net

Die meisten Sänger und Musiker, die hier zu hören sind, leben im Exil und arbeiten außerhalb ihrer jeweiligen Heimatländer. Dieses ist auch die einzige Gemeinsamkeit dieser 20 höchst unterschiedlichen Aufnahmen. Stilistisch reicht die Spanne vom simplen afrikanischen Volkslied bis zum perfekt durcharrangierten Jazz- oder Pop-Song. Einige Tracks wurden eingespielt von weißen Musikern, die das Anliegen dieses Benefiz-Samplers unterstützen wollten: Mit der CD-Serie „Diaspora for Africa“ unterstützt Culture Taxi Records den Kampf gegen Unterernährung und Armut in Afrika. wd@saw

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Hein & Oss: „Falado“
DVD: Westpark 87166 / Indigo
www.WestparkMusik.de

Mit sehr viel „Hossah! Hossah!“, „Blau, blau, blau blüht der Enzian“ und „Sehnsucht heißt das alte Lied der Taiga“ erklärten die Schlagertussis und –fuzzis in den 60er Jahren dem westdeutschen Radio- und TV-Publikum die Welt. Das Liedgut der 1848er Revolution, der Arbeiterbewegung oder des antifaschistischen Widerstands passte nicht in dieses Programmschema, denn es wurde auf der anderen Seite der Mauer als staatstragende Kultur gepflegt. In diesem Niemandsland zwischen Totschweigen und Totlieben des authentischen Volksliedes arbeiteten damals die Zwillingsbrüder Hein und Oss. Sie gehörten zu den Initiatoren jener legendären Chanson- und Folklore-Festivals, die zwischen 1964 und 1969 auf der Burg Waldeck stattfanden. Reinhard Mey, Hannes Wader und andere Liedermacher ermutigten dort die 68er zur Pflege und Weiterentwicklung der internationalen wie auch der deutschen Volkslied-Tradition. Auf der vorliegenden DVD beschreiben Hein und Oss – zunächst  ein wenig spröde klingend – humorig und hintersinnig das Revival der deutschsprachigen Folklore. wd@saw

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Stephan Micus: „Snow“
CD: ECM 2063 / Universal 176 2533
www.ecmrecords.com

In der Ruhe liegt die Kraft. Und den CDs von Stephan Micus ist anzuhören, dass dieser in Bayern geborene Weltmusikant bei jeder Plattenaufnahme seine gesamte Konzentration und meditative Kraft aufwendet. Seine Instrumente sind überwiegend Reise-Souvenirs, die er vor allem aus Osteuropa und Asien mitgebracht hat. Diesmal spielt eine wesentliche Rolle die Duduk – ein armenisches Doppelrohrblatt-Instrument aus Aprikosenholz. Das – einer Klarinette ähnlich klingende – Instrument wurde bereits in vorchristlicher Zeit erwähnt und steht heute auf der UNESCO-Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit. Mit dem Atem dieser langen Geschichte scheint Stephan Micus zu arbeiten, wenn er uns die Türen zu akustischen Räumen öffnet und unser Zeitgefühl auf die Probe stellt. Aber auch wenn er mit studiotechnischen Verfremdungen arbeitet, bleiben seine meditativen Klänge jederzeit auf dem Teppich und bestätigen: In der Ruhe liegt die Kraft. wd@saw

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Tine Kindermann: „schamlos schön“
CD: Oriente RIENCD 67 (Fenn Music Service)
www.oriente.de

Überall auf der Welt drücken Menschen ihre Gefühle aus in Liedern, die sie von ihren Vorfahren gelernt haben. Nur nicht in Deutschland. Till Schumann, Ex-Pädagoge und heutiger Chef des Berliner Worldmusic-Labels Oriente, begründet es damit: „Wir Deutschen haben beim Singen von Volksliedern die Angst, uns in einen politisch wie ästhetisch belasteten Raum zu begeben. Wir fürchten, mit Kitsch und Nazi-Gegröle und Musikantenstadl-Mitklatschen in einen Topf geworfen zu werden.“ Als weiteres Defizit sieht der Oriente-Chef: „Wir leiden an einer Scheu vor elementaren Gefühlen, vor der bedingungslosen Liebe und vor dem Tod.“ – Die 1962 geborene Tine Kindermann war einst in der Berliner Szene als Jazz-Sängerin unterwegs und lebt nun in New York. Mit dem dortigen Abstand entwickelte sie ein Bauchgefühl für ihre musikalischen Wurzeln: „Es waren zwei Königskinder“ und zwölf andere Volksweisen, die auf dieser Oriente-CD zu hören sind. Ihr Gesang klingt nicht unbedingt „schamlos schön“, sondern zurückgenommen und manchmal vielleicht ein wenig zu artig. Greg Cohen (ansonsten als Bassist mit Tom Waits unterwegs) und andere New Yorker Kollegen sind würzende Beigaben. wd@saw

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Walter Tilgner: „Bezaubernder Frühling“
CD: Natural Sound SM 9013-2 / Note 1
www.natur-tilgner.de
www.wergo.de

 

Er hat bereits einige Hits und Evergreens produziert – zum Beispiel jenes „Waldkonzert“ (Schott-Wergo SM 9001), bei dem ein röhrender Hirsch den übrigen Tierstimmen die Show stahl. Aber die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) zahlt dem Natur-Belauscher keine Komponisten-Tantiemen. Denn seine Freiland-Aufnahmen gelten laut GEMA-Satzung nicht als musikalische Werke. Trotzdem verzichtet Walter Tilgner konsequent auf melodische Beigaben. Und auch diesmal präsentiert der Tontechniker Natur pur. Als „Komposition mit Natur-Hörbildern aus den Schilf- und Riedgebieten der Bodensee-Region“ bezeichnet Walter Tilgner das vorliegende „Riedkonzert“, bei dem 72 Minuten und neun Sekunden lang die Vögel zwitschern und das Wasser in allen möglichen Klangfarben murmelt. wd@saw

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Lilya Zilberstein spielt Ludwig van Beethoven
”Sonate Nr. 2 in A-Dur, Op. 2 & Sonate Nr. 23 in F-moll Op. 57”
KuK 02 / Klassik Center
www.kuk-verlagsanstalt.com

 

Bei anderen Klassik-Labels sind Komponisten und Virtuosen die Stars. Die CDs vom KuK-Label glänzen auch noch mit anderen Attraktionen: Hier sind sogar die Räume, in denen die Aufnahmen produziert werden, eine Reise wert. Zum Beispiel das Schloss Bad Homburg (www.musik-im-schloss.de), wo der vorliegende Mitschnitt von zwei Beethoven-Klaviersonaten eingespielt wurde. Lilya Zilberstein entlockt dem Bechstein-Flügel jene Gefühlsaufwallungen, die dem Beinamen dieses Werkes alle Ehre machen: „Appassionata“ - die Leidenschaftliche. Das Produzenten-Team Josef-Stefan Kindler & Andreas Otto Grimminger verzichtete bewusst auf klangtechnische  Nachbearbeitungen. Und deshalb kann die russische Pianistin auf dieser CD ungehindert ein Feuerwerk der Gefühle zelebrieren. Aber Vorsicht! Wegen ihrer dynamischen Explosivkraft hat diese CD Boxenkiller-Qualitäten. wd@saw

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