Radeln, Reiten, Rock'n'rollen

Mit dem Fahrrad durch das Münsterland

Text und Fotos: Winfried Dulisch u.a.

Pferdeställe, Fachwerkbauten und Kirchsturmspitzen, aber auch Wasserburgen und hochherrschaftliches Gemäuer prägen das Image des westlichen Teils von Westfalen. Unser Autor fand noch weitere Orientierungshilfen für eine Radwanderung durch das Münsterland.

Die Landkreise Borken, Steinfurt, Coesfeld und Warendorf bilden zusammen mit der Westfalen-Metropole Münster das Münsterland. Tourismus-Manager haben diesen nordwestlichen Teil von Nordrhein-Westfalen aufgeteilt in sieben ländliche Abschnitte: die zwei Feriengebiete zwischen Lippe und Stever sowie links und rechts der Ems die Parklandschaft Warendorf; das Tecklenburger sowie das Steinfurter Land, das Westmünsterland und die Region Baumberge. Und natürlich die Städtereisen-Destination Münster.

Münsterland - Kreislehrgarten Steinfurt

Frühlingserwachen im Kreislehrgarten Steinfurt

Die Domstadt galt lange Zeit als kulturell rückständige und humorfreie Zone. Seine Image-Aufwertung verdankt Münster nicht zuletzt den immer wieder sonntags aktiven Mördern und Totschlägern sowie einem Team von ARD-Ermittlern. Und natürlich dem liebenswert schrulligen ZDF-Detektiv Georg Wilsberg. Annette von Droste-Hülshoff hatte bereits 1842 mit ihrer „Judenbuche“ das östliche Westfalen als Location für den ersten deutschsprachigen Krimi-Bestseller gewählt. Nun präsentiert sich auch der westliche Teil Westfalens  werbewirksam als Tatort.

Prägend für das Erscheinungsbild der Region zwischen den Flüssen Lippe und Stever sind die zahlreichen Schlösser und Wasserburgen mit ihren dazu gehörenden Parks und Wäldern. Die im Münsterland noch junge Ems schlängelt sich dagegen durch eine weitläufige Heide- und Weidelandschaft. Der Naturpark Hohe Mark grenzt an die Ausläufer des Niederrheins und gilt als grüne Lunge für die Wochenend-Stadtflüchtlinge aus dem Ruhrgebiet. Im Südosten des Münsterlandes liegt die Parklandschaft Warendorf, wo Pferd und Reiter gleichermaßen gut urlauben können. Im Westmünsterland überquert der Biker und Wanderer - oft ohne es zu bemerken - die deutsch-niederländische Grenze und darf es genießen, dass er im heutigen Europa nicht mehr wegen illegalen Grenzübertritts verfolgt wird.

Münsterland - Radfahrer vor Schloss Nordkirchen

Radfahrer vor Schloss Nordkirchen - dem westfälischen Versailles © Münsterland Touristik

Insgesamt bietet dieses flache Land großartige Radwander-Bedingungen. Autobahnbrücken und Kirchen bilden oft die einzigen weithin sichtbaren Erhebungen. Nur das Tecklenburger Land – dieser Balkon, der dem Wanderer einen herrlichen Blick hinein in das Münsterland gewährt – eignet sich nicht zum gemütlichen Radeln. Die Baumberge zwischen Billerbeck und Havixbeck sind im Vergleich dazu als eher leichte Berg-Etappe einzustufen.

Überall im Münsterland profitiert der Ortsfremde von einem traditionell bestens ausgebauten Wegenetz. Die einstigen Trampelpfade, auf denen Pferdefuhrwerke zur Arbeit in die weiten Felder fuhren, sind inzwischen überwiegend asphaltiert und ermöglichen komfortables Radwandern. Die meisten Attraktionen, zu denen diese so genannten Pättkeswege führen, liegen in der Kategorie „Natur pur“; das reicht von den Wildpferden in Dülmen bis zum Zwillbrocker Venn, wo sich das weltweit nördlichste Brutgebiet frei lebender Flamingos befindet.

Museumslandschaft Münsterland

Als Museumslandschaft ist das Münsterland noch relativ unentdeckt. Nur das Picasso-Museum in Münster und das Kunstmuseum in Ahlen haben sich bereits als international anerkannte Pflichtbesuch-Adressen für Freunde zeitgenössischer Kunst etabliert. Ein wenig abseits der attraktiven Radwander-Routen liegt die Abtei Liesborn; dort sind Kruzifixe und andere Darstellungen des Gekreuzigten aus den letzten 1000 Jahren zu sehen – bis hin zu Dali und Beuys. Devotionalien für die Jünger von Sex und Drugs und Rock’n’Roll sind ausgestellt im rock´n´popmuseum am Udo-Lindenberg-Platz 1 in Gronau. Und noch so ein heiliger Ort ist Telgte; in die dortige Marienkapelle kommen jedes Jahr mehr Pilger als in das bayrische Altötting – zu Fuß, mit dem Omnibus oder in Pferdekutschen, sogar als Teilnehmer einer Traktoren-Wallfahrt und mit dem Fahrrad sowieso.

Die Stadt an der Ems ist auch für Literat(o)ur-Isten aus Übersee die bekannteste Destination im Münsterland. Günter Grass hatte sein fiktives „Treffen in Telgte“, zu dem sich am Ende des Dreißigjährigen Krieges die kreativen Köpfe der damaligen Zeit verabredet haben sollen, dorthin verlegt; Telgter Stadtführer wandern heute mit der Grass-Erzählung in der Hand auf den Spuren des Westfälischen Friedens.

Münsterland - Telgte - Bauernhofladen

In einem Bauernhofladen in Telgte

Das Heimathaus in Steinfurt ist ein Geheimtipp für jene, die sich für den einstigen Alltag der kleinen Leute im Münsterland interessieren. Statt mit wertvollen Exponaten verblüfft dieses Museum mit überaus liebevoll eingerichtete Bauern- und Handwerker-Stuben. Und für Besucher spulen die ehrenamtlichen Museumsbetreiber kein didaktisch perfekt arrangiertes Programm ab, sondern erzählen überwiegend aus ihrer eigenen Kindheit.

Schräg gegenüber vom Heimathaus erweckt Paul Riehemann alte Kochrezepte zu neuem Leben. Münsterländische Küche beschreibt er als „met guet wat drin“. Wobei „guet“ in früheren Jahrhunderten mit „Masse statt Klasse“ zu übersetzen war. „Für ihre schwere Arbeit brauchten die Bauern deftige Kost, nach deren Genuss wir heute vor lauter Völlegefühl auf kein Fahrrad mehr steigen könnten.“ Aber die regionale Küche hatte auch ihre geschmacklichen Qualitäten – und diese will der Steinfurter Küchenmeister kultivieren. Deshalb sind „Münsterländer Hochzeitssuppe“ und „Westfälischer Schinken an Pumpernickel“ auf seiner Menükarte selbstverständlich. Zögerlich reagierten die Gäste zunächst ausgerechnet auf jene Köstlichkeit, nach der sich das Münsterland einst die Finger ableckte: „Töttchen“, herzhaft gewürztes Kalbskopffleisch. Inzwischen ist Paul Riehemanns Wiederentdeckung für viele Pedalritter ein guter Grund geworden, bei ihm abzusteigen. Denn der Posthotel-Chef verfeinert sein Töttchen mit einer überlieferten Gewürz-Mischung. Und statt der ehemals üblichen Fleischzutaten schneidet er nur reines Kalbfleisch in kleine Würfel und kocht es. Deshalb wird „Münsterländer Töttchen, ohne Innereien“ gerne verlangt in der einstigen königlich-preußischen Posthalterei, die seit 1827 als „Gasthaus für die gebildeten Stände“ firmiert – eine Zielgruppen-Definition, an der sich das Hotelier-Ehepaar Gisela und Paul Riehemann immer noch orientiert.

Von Schloss zu Schloss auf stählernem Ross

Bereits 1240 wurde das heutige Sportschloss Velen erstmals urkundlich erwähnt. 1931 verwüstete ein Brand den Gebäudekomplex – bis auf die Kapelle, wo heute wieder Traumhochzeiten gefeiert werden. Und wegen seiner hervorragenden Wellness-Angebote rangiert das Haus unter den „Tagungshotels zum Wohlfühlen“ ganz weit vorne. Zufällig Vorbeiradelnde sollten sich auf keinen Fall von einem flüchtigen Blick auf die zum Hotel gehörenden Parkplätze irritieren lassen. Denn das Sportschloss Velen ist nicht nur eine Topadresse für Nobelkarossen-Fahrer. Sondern auch für Radwanderer mit sportlichen Ambitionen: Tennis, Golf, Schwimmen, Kanufahren – all dieses und noch viel mehr ist möglich im und um das Schloss drumrum. Außerdem eignet es sich hervorragend als Start- und Zielpunkt für Flachetappen durch die umliegenden Wälder und Felder.

Münsterland - Sportschloss Velen

Sportschloss Velen

Knapp zwei Stunden gemütlich mit dem Rad dauert von hier aus die Fahrt zum Schloss Raesfeld. In dessen Nachbarschaft haben sich Künstler und Handwerker angesiedelt und präsentieren ihre Erzeugnisse in diesem lebendigen Working-Museum vor malerischer Wasserschloss-Kulisse.  Keine zehn Kilometer vom Sportschloss Velen entfernt liegt die Stadt Gescher. „Fest gemauert in der Erden“ steht dort „die Form aus Lehm gebrannt“ in einer Glockengießerei, wo auch Betriebsbesichtigungen und ein Besuch im benachbarten Glocken-Museum möglich sind.    

Einem anspruchsvollen Radwanderer, der statt in hochherrschaftlichem Gemäuer lieber in zeitgemäß touristisch zweckmäßigem Ambiente nächtigt, empfiehlt sich als Ausgangspunkt für Münsterland-Erkundungen das Hotel Clemens-August in Ascheberg. Auch wenn das Haus mit den vier Scheren-Kegelbahnen eher für große Reisegruppen konzipiert wurde, ist es ein idealer Ausgangspunkt für Individual-Radler. Von dort aus ist das als „westfälisches Versailles“ bekannte Schloss Nordkirchen eine Fahrrad-Stunde entfernt. Und in das Zentrum von Münster – der Radfahrer-freundlichsten Stadt Deutschlands – radelt man von hier auch nur 20 Kilometer. Familien mit Kindern besuchen von Ascheberg aus gerne die Burg Vischering, in dessen Museumsräumen die Zeit der alten Rittersleute wieder auflebt.

Münsterland - Schloss Vischering in Lüdinghausen

Schloss Vischering in Lüdinghausen © Münsterland Touristik

Während dieser Kurztrips lohnt sich immer wieder ein Zwischenstopp bei einer Landbäckerei oder Fleischerei. Denn zwischen Teutoburger Wald, Kohlenpott und den Niederlanden wird ein reicher Schatz an Brot-Spezialitäten bewahrt und geschmacklich perfektioniert. Und auf die Frage „Was ist denn drin in der Wurst?“ bekommt man hier Antworten, die einem das Wasser im Mund zusammen laufen lassen.

Empfehlenswerte Radler-Raststätten sind auch die mehr als 30 Bauerncafes im Münsterland. Deren Kuchen-Auswahl wird schon lange nicht mehr geprägt von Schwarzwälder Kirsch und Sacher, der Trend geht hier eindeutig in Richtung „Eierlikör-Torte von freilaufenden Hühnern“.

 

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