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Reiseführer Münsterland

Das Fachwerkstädtchen Tecklenburg

 

Ab und an gelangen Reisende auch heute noch mit der Dampflok in das beschauliche Städtchen am Hang des Teutoburger Waldes. Zu verdanken ist dies dem Förderverein Eisenbahn  Tradition e.V., der sich mit dem Erhalt der Dampflok V36 412 und der Dampfspeicherlok Blitz auch um ein Stück regionale Industriegeschichte kümmert. Enge Gassen und Stiegen, an denen in Reih und Glied schmucke Fachwerkhäuser stehen, machen den Reiz des Bergstädtchens aus, das sich einen Namen als Luft- und Kneippkurort gemacht hat. Dass Tecklenburg die einzige Höhenburg des Münsterlandes war, ist nicht allen bekannt. Wer im Mittelalter gen Santiago de Compostela pilgerte, der kam auch über Tecklenburg, das einst Teil einer Grafschaft war, ehe es preußische Provinzstadt wurde und heute eine Gemeinde des Landkreises Steinfurt ist.

Münsterland: Von der einstigen Höhenubrg in Tecklenburg ist das Burgtor erhalten geblieben

Von der einstigen Höhenburg ist das Burgtor erhalten geblieben

Von der Höhenburg ist nur noch das im 17.Jahrhundert entstandene Burgtor erhalten, das einen Wappenfries aufweist. Zudem sehen wir als Schildhalter zwei Löwen links und rechts außen. Die Frauenfigur in der Mitte des Frieses trägt eine Rüstung und wird als Minerva gedeutet. Neben dem Wappen derer von Bentheim-Tecklenburg-Lingen-Steinfurt-Hohenlimburg sehen wir das Wappen des Hauses Anhalt-Dessau ebenso wie das des Hauses Brandenburg und von Nassau-Dillenburg. Diese Wappen beziehen sich auf diejenigen edlen Damen, die in die Grafschaft Bentheim-Tecklenburg eingeheiratet hatten, ob nun Herzogin Elisabeth zu Sachsen, Tochter von August von Sachsen und Anna von Dänemark, oder Gräfin Maria, Tochter Johann VI. von Nassau-Dillenburg und Landgräfin Elisabeth von Leuchtenberg. Wer sich das Wappen derer von Bentheim-Tecklenburg genau anschaut, wird 19 goldene Kugeln sehen, die für die Grafschaft Bentheim stehen, und außerdem drei rote Seeblätter auf Silbergrund erkennen, die das Tecklenburger Grafenhaus symbolisieren. Der rote Schwan im goldenen Schild bezieht sich auf die Grafschaft Steinfurt, und der rote Löwe repräsentiert die Grafschaft Hohenlimburg.

Münsterland: Auf dem Burgareal der Höhenburg (Tecklenburg)

Auf dem Burgareal

Freilichtbühne und Legge

Auf dem ehemaligen Burgareal hinter dem Burgtor befindet sich die Freilichtbühne, die im Sommer Schauplatz von Musicalaufführen ist. Für „Evita“ und „Aida“ kamen in der Vergangenheit Scharen von begeisterten Musikliebhabern nach Tecklenburg. Der wuchtige Turm auf dem ehemaligen Burgareal ist kein Burgfried, sondern der Wierturm, 1884 in Gedenken an Dr. Johann Wier errichtet. Ihm, dem Leibarzt der gräflichen Familie ist es zu verdanken, dass es im 16.Jahrhundert in der Grafschaft Tecklenburg keine Hexenverbrennungen gab. Unterhalb des Burgbergs stoßen wir an der Mauer des Burgbergs auf die im 16.Jahrhundert angelegte Bastion, die 1944 bei der Anlage eines Luftschutzkellers entdeckt wurde, nachdem der gemauerte Kuppelbau Jahrhunderte zuvor zugeschüttet worden war. Trotz aufwändiger Suche hat man bisher nur diese eine, von der Schlossstraße aus zugängliche Bastion entdeckt. Bei diesem Festungswerk handelt es sich um eine sogenannte Grabenstreiche, die im ehemaligen, heute nicht mehr vorhandenen Burggraben angelegt wurde. Sie diente dazu, den anstürmenden Feind, der die äußeren Mauern überwunden hatte, seitlich zu beschießen („zu bestreichen“).

Münsterland: Fachwerk, wohin das Auge blickt (Tecklenburg)

Fachwerk, wohin das Auge blickt

Stehen wir unterhalb des Burgbergs an der Bastion, so sind wir nur Schritte von der sogenannten Legge entfernt. Dieser Torbau wurde 1577 errichtet und diente ursprünglich als erste landesherrliche Leinenprüfanstalt Westfalens. Hier musste Leinen vorgelegt und versteuert werden. Wanderhändler zogen mit ihren derben Leinen, aus denen Segel, Arbeitskleidung und Planen gefertigt wurden über Land und boten ihre Ware feil. Nach dem Niedergang der Leinenherstellung durch das Aufkommen von Baumwolle und Jute wurde die Legge Rathaus und Arrestanstalt.

Von der Legge aus gelangen wir zum Markt, der von Fachwerkbauten des 17.Jahrhunderts umstanden ist. Teilweise wurden diese Häuser auf der alten Stadtmauer erbaut. Zu den sehenswerten Bauwerken gehört das Haus an der Linde, das einen Anbau, die sogenannte Utlucht besitzt. Hier fanden Webstuhl und Spinnrad einst ihren Platz. Im Haus Markt 7 lebte der Bruder des bekannten Worpsweder Malers Otto Modersohn. Modersohns Bruder war Amtsrichter in der Stadt und sein berühmter Bruder besuchte ihn oft, auch um in Tecklenburg und der Umgebung zu malen. „Tecklenburg im Frühling“ ist eines der in Tecklenburg entstandenen Gemälde und im Puppenmuseum zu sehen.

Nur einige Schritte vom Markt entfernt stehen wir vor den Resten des Junker- oder Meesenhofs, der im 16.Jahrhundert für den Drosten Christopher von Tecklenburg erbaut wurde. Teile des historischen Hofes – bestehend aus Fachwerk- wie auch Putzbauten – beherbergen heute die Stadtbücherei. Schräg vor dem historischen Hof steht das Krummacher Haus, das Geburtshaus des Schriftstellers und Hofpredigers Friedrich Adolf Krummacher. Auffallend ist die große Deelentür, ein typisches Merkmal für ein Ackerbürgerhaus. Schaut man auf die andere Straßenseite so erblickt man das Schiefe Haus, in dem bis zu 13 Personen auf engstem Raum lebten. Es ist ein Tagelöhnerhaus, in dem gelebt und gearbeitet wurde. Ursprünglich wurde das Leinenweberhaus 1693 für den Leinewebermeister Caspar Schlüter und seine Familie erbaut. Die Küche nahm die Hälfte der Hausfläche ein, war sie doch Mittelpunkt des Alltags. Der bläuliche Putzanstrich war die typische Farbe für die Behausung ärmerer Tecklenburger und sollte außerdem Ungeziefer abhalten.

Münsterland: Hier ist das Puppenmuseum in Tecklenburg zuhause

Hier ist das Puppenmuseum zuhause

Begeben wir uns nun talwärts zur sogenannten Welle, wo von den Bewohnern der Stadt in früheren Zeiten ihre Wäsche in ausgemauerte Becken gelegt wurde, um sie zu spülen. Wer sich für Puppen, Kinderspielzeug und die Geschichte der Leinenweberei interessiert, der sollte das Puppenmuseum besuchen, das in einem vierachsigen Fachwerkbau von 1684 untergebracht ist.

Nicht nur Puppen

Im Puppenmuseum schlagen die Herzen von Sammlern historischen Spielzeugs höher. Puppenstuben und Puppenwagen, aber auch eine alte Seifenkiste, Kasperlefiguren und geschnitzte Bergmänner findet man Seite an Seite mit einer Amulettpuppe der 1930er Jahren aus Afrika und einer Kultpuppe der 1950er Jahre aus dem Amazonasgebiet. Aufstellfiguren zum Thema Christi Geburt im Stall gilt es zu bestaunen. Aus dem Erzgebirge stammen die Leuchterfiguren und drei Pfeifenreiter. Mädchenpuppen aus Mönchröden, Köppelsdorf und Waltershausen zeigt das Haus neben der Zwei-Gesichter-Puppe von Kaehr&Proeschild (Ohrdruf, 1911).

Münsterland: Im Puppenmuseum von Tecklenburg

Puppen, Puppen, Puppen

Zwei Biedermeierpuppen aus der Zeit um 1840-60 haben es dem einen Besucher angetan, die sogenannte Rollpuppe (um 1865) einem anderen. Kaufmannsläden fehlen in der Sammlung des Hauses selbstverständlich auch nicht. Modelleisenbahnfreunde verweilen länger an der Modeleisenbahnanlage der Spur N. Saaltexte erläutern das Thema „Spielzeug für Mädchen“ und „Puppenhaus und Puppenstube“ oder führen in die Geschichte des Kaspers als komischer Held des Figurentheaters ein. Eine gesonderte Abteilung des Museums befasst sich mit der Leinenweberei und zeigt den Herstellungsprozess vom Flachsrösten, Flachsbrechen und -schwingen bis zum Weben.

weiter zu Teil 2...

 

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