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Reiseführer Münsterland

Ein Ausflug ins LWL-Freilichtmuseum Detmold

In den Ausläufern des Teutoburger Waldes bewahrt das LWL-Freilichtmuseum Detmold mit 100 Gebäuden auf 90 ha Feld, Wald und Wiesen die westfälische Kultur der letzten fünf Jahrhunderte.

LWL-Freilichtmuseum Detmold

Wer sich per Bus von Detmold aus dem weitläufigen Areal nähert, auf dem sich nicht nur der Münsterländer Gräftenhof, sondern auch das Paderborner Dorf befindet, der stößt unterhalb eines Hangs auf das Mausoleum am Büchenberg, die Grablege der Grafen Friedrich Adolf und Simon Heinrich Adolf, die hier seit der „Umbettung“ 1855 ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Graf Friedrich Adolf zu Lippe ließ am Büchenberg weit außerhalb seiner Residenz eine Gartenlandschaft anlegen, die Friedrichstal genannt wurde. Eine künstliche Grotte gehörte ebenso dazu wie mehrere Barockterrassen, die sich bis zum sogenannten Krummen Haus erstreckten. Das Krumme Haus, wegen seiner gebogenen Bauform so genannt, war einst eine Orangerie und dient heute als Sitz der Museumsverwaltung. Die genannte Grotte wurde unter Fürst Leopold III. in ein Mausoleum umgebaut, das wir heute noch außerhalb des Museumsgeländes vorfinden.

Mit einem Gräftenhof fing es an

Zur Eröffnung des Freilichtmuseums, das auch Teile eines ehemals umfriedeten fürstlichen Tiergartens einnimmt, waren 1971 auf dem Gelände der Münsterländer Gräftenhof, der Mindener und der Osnabrücker Hof sowie zwei Kotten zu finden. Seitdem wuchs der Museumsbestand in raschem Tempo. Aktuell wird im Sauerländer Dorf gebaut. Das repräsentative, spätklassizistisch gestaltete Wohnhaus von 1877 aus Finnentrop-Fretter im Kreis Olpe wurde in das LWL-Freilichtmuseum Detmold transloziert. An das Wohnhaus schloss sich ehemals rechtwinklig ein Wirtschaftsflügel mit Querdiele, Stallungen und Heulager an, der bereits in den 1970er Jahren abgebrochen wurde und nun im Freilichtmuseum nachgebaut wird. Gedacht sind diese Häuser für die Unterbringung von Schulklassen, die an mehrtägigen museumspädagogischen Programmen teilnehmen.

Noch in den Sternen steht die Realisierung des Siegerländer Weiler, sodass die Tankstelle aus den 1950er Jahren noch ein wenig verloren in der welligen Landschaft steht. Auch die auf einer kleinen Anhöhe errichtete Kapellenschule gehört zu dem geplanten Siegerländer Weiler. Als Schulbau wurde die Kapelle ab 1816 genutzt. Mit diesem Schulbau zeigt man in Detmold eine Siegerländer Besonderheit, da dieser Bau die enge Verzahnung von Kirche, Staat und Schule verdeutlicht: Unter der Kirchenempore fand in einem gesonderten Raum der Unterricht statt. 40 Kinder und mehr in einer Klasse waren die Regel. Unterrichtet wurde altersübergreifend von einer fest angestellten Lehrkraft. Die Jüngsten saßen vorne in der ersten Bankreihe, die Älteren dahinter. Wer versetzt wurde, rückte eine Bankreihe nach hinten. Wer das „Klassenziel“ nicht erreichte, blieb halt sitzen. Bis heute haben sich aus jenen Tagen die Begriffe „Versetzung“ und „Sitzenbleiben“ erhalten!

LWL-Freilichtmuseum Detmold

Haus Kuhlmeier

Weißer Klarapfel und Lippegans

Zur Präsentation des ländlichen und ackerbürgerlichen Lebens gehören prächtige, von Wohlstand zeugende Fachwerkbauten ebenso wie ein schlichtes Tagelöhnerhaus mit einfachster Ausstattung. Einblicke in die Mühen des Arbeitsalltags gewähren Vorführungen des Kornmahlens, Schmiedens, Färbens, Töpferns oder Backens. Aber auch längst vergessene Obstsorten wie „Rote Sternrenette“ oder „Weißer Klarapfel“ und die auf dem Gelände lebenden alten Haustierrassen veranschaulichen die bäuerliche Vergangenheit Westfalens.

LWL-Freilichtmuseum Detmold

Im Lippischen Meierhof

Schneeweiße Lippegänse lassen es sich an einem Weiher des Lippischen Meierhofs gut gehen. Wer sich ihnen nähert, wird mit aufgeregtem Geschnatter empfangen. Bentheimer Landschweine genießen ihre Suhle hinter der Töpferei Hehemann vom Hof Rhotert, die 1828 erbaut wurde und noch heute betrieben wird. Unweit der Bockwindmühle Pape grasen schließlich Bentheimer Landschafe im Schatten von Obstbäumen. Landen die irgendwann auch im Kochtopf? Wohl eher nicht, aber auf den Gaumenschmaus muss keiner beim Museumsbesuch verzichten. „Im Gasthaus „Im Weißen Ross“ gibt es z. B. regionale Klassiker wie „Himmel und Erde“ (Blutwurstscheiben auf Apfelmus und Kartoffelbrei) und Lippischer Pickert, eine Art Eierkuchen mit fein geriebenen Kartoffeln, Hefe, Milch, Korinthen, Rosinen und Eiern, dazu Lippische Leberwurst oder Rübensirup. Doch um hierher zu kommen, müssen wir von der Orangerie am Museumseingang aus noch einige Tausend Schritte tun.

LWL-Freilichtmuseum Detmold

Es klappert keine Mühle am rauschenden Bach

Etwas abseits vom Haupteingang des Freilichtmuseums steht die in Fachwerk errichtete und mit Knüppelwalmdach versehene Wassermühle des Hofs Heller. Es handelt sich dabei um eine Mahl- und Bokemühle, die mit einem Gang betrieben wurde. Neben dem Mahlen von Korn wurde in der Mühle mittels Bokewerk auch Flachs gebrochen. Letzteres war Akkordarbeit. Flachsbündel wurde unter die Stampfer des Bokewerks geschoben, sodass die Holzbestandteile der Flachsstängel gebrochen werden konnten. Der im unteren Mühlraum befindliche Lanz-Diesel-Motor diente als Antriebsalternative, um stets, auch bei niedrigem Wasserstand, die Mühle in Betrieb zu halten.

Gehen wir anschließend auf leicht ansteigendem Weg in Richtung Osnabrücker Hof, so stehen wir – und das ist recht überraschend – vor einem Mausoleum mit zwei Grabkammern. Es handelt sich um ein privates Mausoleum, das 1782 vor den Toren Detmolds entstand und 1965 einem Parkplatzbau weichen musste. Der kurländische Oberst Ernst Johann von Schröderß und die mit ihm befreundete Apothekerwitwe Florentine Marianne Kaiser liegen in dieser teils spätbarocken, teils klassizistischen Grabanlage Seite an Seite.

LWL-Freilichtmuseum Detmold

Mühle Pape

Bleichhütte, Backspeicher und … - der Osnabrücker Hof

Ebenso überrascht sind wir, als wir vor dem Osnabrücker Hof stehen. Der Garten vor dem Haupthaus und unweit des Bleichhauses und der Bleichwiese ist nicht allein ein traditioneller Bauern-, sondern auch ein formaler Garten mit kunstvollem Formschnitt. Versetzt vor dem Haupthaus steht die offene Scheune, in der man auch einen Einblick in die Ausfachung des Fachwerks mit Flechtwerk und Lehm erhält. Mit gesammelten Felssteinen gepflastert ist der Hofweg, der zum Ried gedeckten Schweineschuppen führt. Die Schweinebucht findet sich an der hinteren Außenwand des Schuppens. Das Bentheimer Landschwein, das hier eine Bleibe gefunden hat, zeigt sich dem Besucher nicht immer, sondern verschläft auch mal den Tag.

Während man Schweine wegen des intensiven Gestanks eher außerhalb des Haupthauses hielt, teilten sich Pferde, Kühe und Menschen das ausladende Dach des Haupthauses vom Hof Große-Endebrock. Links und rechts der Deele waren die Tiere untergebracht. In der Deele wurde auch am offenen Feuer gekocht, stand der Fettnapf, in den man besser nicht trat, und wurde auch ein Zacken zugelegt, wenn man den Haken, an dem der Kochtopf hing, nach oben oder unten versetzte. Unweit der Feuerstelle stampfte man Butter und zupfte Wolle zum Spinnen. Geschlafen wurde in einer der Kammern, entweder im Alkoven oder im Doppelbett. Mal ausprobieren, wie man so liegt? Na dann nur zu. Dass nicht nur diese Hofanlage, sondern auch andere auf Selbstversorgung ausgerichtet waren, gab es auf dem Hof auch einen Backspeicher mit Vorratsspeicher im gemauerten Keller. In den beiden vorhandenen Öfen wurde nicht nur Brot gebacken, sondern ab und an auch Obst gedörrt. Dass es ein Aborthäuschen und kein Wasserklosett im Inneren des Hauses gab, ist angesichts der Erbauung des Hofes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine Überraschung. Ungewöhnlich allerdings ist die himmelblaue Verfachung des Fachwerks der bereits zuvor erwähnten Töpferei.

Lippegänse und Lakenfelder Hühner

Anschließend geht es zum Mindener Hof und dann zum Lippischen Meierhof, wo uns Lakenfelder Hühner über den Weg laufen und wir das Geschnatter von Lippegänsen hören. Beide Hofanlagen sind ähnlich beeindruckend wie der Osnabrücker Hof. Auffallend ist, dass die Gebäude des Mindener Hofs alle auf einem Fundament aus Findlingen ruhen, ob die Brandscheune oder das Haupthaus. Beim Besuch des Lippischen Meierhofs erfahren wir auch etwas über den Speiseplan des Lippischen Meierhofs aus dem Jahr 1790: Gersten- oder Hafergrütze, Butterbrot und Dickmilch, Kartoffel mit Braunkohl und Bier oder Biersuppe mit Brot und Bier – damit verköstigten sich die Meierhofbewohner. Karg war das Leben aus dem Lande, keine Frage.

LWL-Freilichtmuseum Detmold

Lippegänse

Kaufleute, Beamte und ein Pastor

Aufgrund seiner Geschlossenheit hat man im Paderborner Dorf am ehesten den Eindruck, in einem gewachsenen Dorf zu flanieren. Ein lauschiger Bauerngarten mit Akelei, Sterndolden, Stockrosen, Roter Bete und Buschbohnen zieht die Blicke auf sich. Auch vor dem Pastorat blüht und gedeiht es. Das Pastorat, ein repräsentativer Bau mit Schieferdeckung und hohem Kellersockel, war Wohn- und Amtssitz eines katholischen Geistlichen und stammt aus dem Kreis Soest. Eingerichtet ist es mit Mobiliar aus der Zeit zwischen 1887 und 1919, als Joseph Schafmeister seine Gemeinde um sich versammelte. Ähnlich repräsentativ wie das Pastorat ist das aus Obermarsberg stammende Haus des Erzbergwerk- und Eisenhüttenbesitzers Anton Roland. Es stammt aus dem späten 17. Jahrhundert und ist im Zustand um 1900 im Museum zu sehen. Wie in der Vergangenheit, so ist auch heute im Haus eine Gaststätte untergebracht, die allerdings durch einen modernen Funktionsbau erweitert wurde.

Wer hier traditionellen Lippischen Pickert kosten möchte, lässt sich bei schönem Wetter im Gasthaus„ Im Weißen Ross“ für ein Päuschen auf der Terrasse nieder. Nebenan und durch einen Neubau mit dem Haus Roland verbunden steht eines der ältesten Bauernhäuser in Ostwestfalen-Lippe, das Haus Kuhlmeier. Oberhalb dieses Anwesens erstreckt sich der Spielplatz am Rande des Dorfes – ein Tipp für Eltern mit Kindern, die im Museum unterwegs sind.

Zu den stattlichen Anwesen des Dorfes gehört das Haus Finkeldei-Arnecke, an dem sich als Anbau eine Backstube befindet, in der noch heute u. a. leckeres Hefegebäck, aber auch Kekse in Traktorform und Schnecken gebacken werden. Vielleicht sollte man auch mal frisches Apfelbrot probieren, denn das backt man hier außerdem. Die genannte Backstube stammt von 1901 und besitzt einen großen Königswinter -Steinbackofen, der mit Buchenholz gefüttert wurde. Zusehen kann man dem Bäcker bei der Arbeit durch eine Glasscheibe und nicht direkt über die Schulter – das verbieten die Hygienevorschriften.

LWL-Freilichtmuseum Detmold

Haus Finkeldei-Arnecke

In der Nachbarschaft steht das aus Bad Driburg stammende Haus Ludovici, erbaut im Auftrag eines Kapitelsekretärs des Damenstifts Neuenheerse. Betrachtet man die Torhölzer, so entdeckt man 1614 als Jahreszahl neben den Namen der Bauherren. Das Haupthaus des Valepagenhofs glänzt mit schönen Giebelschnitzereien u. a. in Form halber Sonnen, während das Haus Stahl gar mit einem Rokokoportal aufwarten kann. Haus Stahl ist ein gutes Beispiel für ein stattliches Ackerbürgerhaus, das ursprünglich von der Beamtenfamilie Reinking bewohnt wurde, während im nebenstehenden, als Speicher konzipierten Brigittenhäuschen zeitweilig eine achtköpfige Tagelöhnerfamilie ihr Zuhause fand.

Aufgrund seiner Größe sticht der Schönhof ins Auge. Zu diesem herrschaftlichen Hof gehört auch ein Gartenhaus aus Höxter-Gondelheim, ein offener Pavillon, in dessen Erdgeschoss Gänse ihren Unterschlupf finden. Den Kern der Anlage bildet der lang gestreckte, weiß geschlämmte Fachwerkbau. Beim Verlassen des Paderborner Dorfs stoßen wir auf das Haus Uhlmann, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein jüdischer Händler für sich erbauen ließ. Auch nach dessen Konkurs blieb es in „jüdischem Besitz“, ging es doch an den Kaufmann Levy Uhlmann über. Nachkommen dieses Kaufmanns lebten bis 1941 in diesem Haus aus dem Kreis Höxter, ehe sie nach Riga deportiert und dort ermordet wurden. In gekonnten Inszenierungen im Hausinneren erinnert man an das Schicksal der einstigen Hausbewohner.

Auf ins Sauerland

Im Sauerländischen Dorf, durch das ein mit Grauwacke eingefasstes Bächlein rauscht, stoßen wir auf das Haupthaus nebst Speicher des Hofs Sommer mit Renaissancegiebel, den Zierstreben in Grün und Weiß, eine Rosette und geschwungene Strebekreuze verzieren. Heute dient das Haupthaus als Bistro, das sich Pasta und Pizza auf die Fahnen geschrieben hat. Auf einer nahen Anhöhe thront mit dem prächtigen Haupthaus des Hofs Kayser Henke ein Bauernhof aus dem südlichen Sauerland. Zudem steht in diesem Dorf auch noch das Kleinwohnhaus „Pippels Häuschen“, eine mit Roggenstroh gedeckte Unterkunft für Arbeiter und Handwerker. Der nahe Hof Remberg ist zurzeit der jüngste Museumsbau und wird für die museumspädagogische Arbeit mit Schulklassen genutzt.

Damit belassen wir es bei unserer kleinen Landpartie durchs Münster- und durchs Lipperland, ohne dass wir wirklich alles gesehen haben. Aber es gibt immer ein zweites Mal!

Übrigens, wer nicht auf Schusters Rappen im Museum unterwegs sein will, kein am Museumseingang einen Planwagen besteigen, der von stämmigen Rössern gezogen wird.

Informationen

Westfälisches Freilichtmuseum Detmold
Krummes Haus
32760 Detmold
Tel. 05231/706-104
infobuero.detmold@lwl.org
http://www.freilichtmuseum-detmold.de

Fürs leibliche Wohl

Bistro „Sauerland“ im Sauerländischen Dorf: u. a. Pasta und Pizza wie Spaghetti al Pesto oder mit Meeresfrüchten sowie Riesenpizza ca. 50 cm für die ganze Familie; „Im Weißen Ross“ im Paderborner Dorf (http://www.im-weissen-ross.com/im-weissen-ross_gaststaetten): u. a. Omas Sonntagsgulasch Halb & Halb mit Rotkraut und Kartoffelklößen, Westf. Schweinebraten in Dunkelbiersoße mit Weinkraut-Kartoffelpüree; „Tiergarten-Krug“ (Selbstbedienung !!) nahe der ehemaligen Orangerie und Fasanerie: u. a. Bockwurst mit Kartoffel-Raukesalat und Senf, Gr. Ofenkartoffel mit Bärlauch-Dip, Kartoffeleintopf mit Schweinsbratenwürfeln und Bauernbrot

Behinderte

nur teilweise behindertengerecht, aufgrund des welligen Geländes ist (Schiebe)Hilfe für Rollstuhlfahrer erforderlich, zu besichtigende Häuser mit Rampen ausgestattet

Anfahrt

DB Bf. Detmold, Bus 701, 703, 792 bis Freilichtmuseum und kurzer Fußweg bergan; Autobahn A2 bis Bielefeld, B66 nach Lage und Detmold, A44 und A33 bis Paderborn-Eilsen, B1 bis Horn und dann nach Detmold

 

 

 

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