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Reiseführer Münsterland

Von Lengerich nach Tecklenburg –
eine Etappe auf dem Hermannsweg

Die Stadt Lengerich, im 12. Jahrhundert urkundlich erstmals erwähnt und in Sichtweite des Teutoburger Waldes gelegen, ist ein guter Ausgangspunkt für eine Tageswanderung auf dem Hermannsweg, der bisweilen auch als Hermanns-Höhenweg bezeichnet wird. Asphaltierte Straße auf der Friedensroute nach Osnabrück muss man allerdings ab und an bei der Wanderung in Kauf nehmen. Man sollte sich unter dem Teutoburger Wald nicht einen dichten, üppigen Laub- oder Nadelwald vorstellen, denn bisweilen sind nur noch schmale auf einem Höhenzug bestehende Waldreste vorhanden, durch die der Hermannsweg – markiert mit einem weißen H – führt. Doch ehe wir aufbrechen, um nach Tecklenburg zu wandern, nehmen wir uns doch ein wenig Zeit für Lengerich.

Lengerich

Auf dem Weg in das Zentrum von Lengerich – die Stadt liegt an der Friedensroute zwischen Münster und Osnabrück – sind einige durchaus hochherrschaftliche Stadthäuser zu entdecken. Auch die Figur des „Friedensreiters“, der an die Zeit des 30-jährigen Kriegs und den Friedensschluss von 1648 erinnert, finden wir nahe dem Rathaus der Stadt. Es ist eine Arbeit von Volker Johannes Trieb.

Nicht zu übersehen ist die Gempt-Halle (Bild s. o.) , ein Industriekomplex, der ursprünglich Teil eines Drahtseilwerks war und nunmehr zu Veranstaltungszwecken genutzt wird. Erbaut wurde der Bau 1917 in moderner Stahlskelettbauweise. Nichts mehr ist allerdings zu sehen von den Glühöfen, in denen Rohdraht zum Glühen gebracht wurde. Erhalten geblieben ist bis heute allerdings der 60 Meter hohe Schornstein nebst Kühlwasserbehälter neben der ehemaligen Glühofenhalle. Vor der Halle wurde ein Mehr-Generationen-Park angelegt, in dem auch Senioren etwas für ihre Fitness tun können, ob an der Reckstange, am Wellenbalken oder auf dem Wackelhocker. Ins Auge springt nahe der Halle ein aus roten Klinkern errichtetes klassizistisch wirkendes Haus, dessen Säulen bestandener Eingangsbereich hochherrschaftlich anmutet. Haben hier die Unternehmer residiert, die mit Draht ihr Glück fanden?

Plätscherndes Nass und Skulpturen

Dyckerhoff-Brunnen in Lengerich

Augenscheinlich gibt es in Lengerich auch Kunstsinn und eine Vorliebe für plätscherndes Nass. Zu nennen wäre da der Dyckerhoff-Brunnen auf dem Wakaponeta-Platz, den Christine Rostalski entwarf, und zwar nach dem Vorbild einer sich überschlagenden Welle. Am Rande des Platzes verharren zudem zwei steinerne Riesenschildkröten (s.u.), deren Schöpfer unbekannt bleibt. Auch auf dem Weg durch die Fußgängerzone stoßen wir auf Kunst: Im Schatten einer Hausfassade ruhen zwei steinerne Pferdchen.

Unterwegs stoßen wir auf den ehemaligen Gasthof Berkemeyer. Hier nahm Kaiser Wilhelm IV. 1857 den Ehrentrunk der Stadt entgegen, wie man einer Informationstafel entnehmen kann. Kurios ist die Szene, die der Künstler Gerd Ruwe für den in der Fußgängerzone gelegenen Brunnen „Der Zwischenfall“ (s.u.) ausgewählt hat. Nur vereint gelingt es, Vater, Mutter, Kind und Hund beim Angeln des verlorenen Huts den Sturz ins Wasser zu vermeiden. Ob allerdings der Hut tatsächlich mit dem Gehstock geangelt werden kann, kann man angesichts der dargestellten Skulpturengruppe nur vermuten. An der Stelle dieser modernen Stadtbrunnenanlage fand man bei Erschließungen einen alten gemauerten Brunnenschacht, von dem man vermutet, dass es sich um den Margaretenbrunnen handelt. Dieser war während des 14. und 15. Jahrhunderts von Bedeutung, als es Pilger nach Lengerich zog. Noch heute ist Lengerich eine Station auf dem Jakobsweg – eine entsprechende Markierung ist nahe dem oben genannten Brunnen zu entdecken.

Brunnen "Der Zwischenfall" in Lengerich

Der Name von Bodelschwingh

Von der alten Stadtanlage Lengerich blieb das Torhaus „Römer“ (s. u.) erhalten. Dabei handelt es sich um einen in Fachwerk ausgeführten Zugang zum Kirchhof. Aufgestockt diente er im 18. Jahrhundert auch Wohnzwecken, ehe das Amt Lengerich das Gebäude erwarb und darin das Rathaus und Gefängnis untergebracht wurden. Heute lädt die Kneipe „Der Römer“ Gäste ins Torhaus ein.

Torhaus Römer in Lengerich

Nur Schritte sind es von hier zu Stadtkirche, die aufgrund ihres teilweise noch aufspürbaren romanischen Baustils ein architektonisches Juwel ist. Imposant ist der 61 Meter hohe Turm, der ans Kirchenschiff anschließt. Dieses wurde im 15. Jahrhundert im spätgotischen Stil überformt. Kein Geringerer als Friedrich von Bodelschwingh wurde in dieser Lengericher Kirche getauft. Von Bodelschwingh hat die moderne Diakonie ganz entscheidend geprägt. Er hat als Leiter der Anstalt für Epileptiker in Bethel (Bielefeld) zu deren Ausbau beigetragen. Entstanden sind dann nach und nach die Bodelschwinghschen Anstalten mit einer Vielzahl von Werkstätten und Pflegeeinrichtungen.

Skulpturen und psychiatrische Versorgung

Begeben wir uns nun aus dem Kern der Stadt zur Parkallee, so erstreckt sich dort das Gelände der LWL Klinik Lengerich, ein psychiatrisches und neurologisches Fachkrankenhaus mit ausgedehnten Parkflächen, in die der ALVA-Skulpturenpark und Jones Garden integriert sind. Unter dem hängenden Laub von Weiden glänzen zwei silberne Fische im Sonnenlicht. Winfried Totzek hat sich diese „Installation“ am Rande der Friedhofsstraße ausgedacht. Vom gleichen Künstler stammt zudem die in der Nähe des Pförtnerhäuschens errichtete dreiteilige Skulptur „Drei Grazien“. Doch mit anmutigen Schönheiten hat die abstrakte Skulptur gar nichts zu tun.

Auf dem offenen Krankenhausgelände unterwegs stoßen wir auch auf Radwegweise in Richtung Leeden und Lotte, zudem auf den Nordic Walking Parcours Nr. 24. Auch zur aus groben Bruchsteinen erbauten Friedhofskapelle, die wie der Anstaltsfriedhof auf das Jahr 1926 zurückgeht, gelangen wir auf unserer Tour. Laufen wir durch den Torbogen der Kapelle, so erreichen wir ein kompaktes Steinbündel mit dem Titel „Vanitas vanitatis“(s. u.), ein Werk von Jupp Ernst und Sinnbild für die Vergänglichkeit des Lebens.

Nachfolgend gelangen wir zunächst an drei Stelen und eine Steinplatte aus Anröchter Dolomit, die Wegmarken sind und von Mander Tix stammen. Tix hat dabei ganz nach eigenem Gutdünken das Motiv ALVA (Ars Longa-Vita Aeterna) umgesetzt. Anschließend passieren wir ein Labyrinth, ehe wir Jones Garden besuchen. Entstanden ist dieses Gartenprojekt unter Federführung von Ronald Jones anlässlich der Skulptur Biennale Münsterland 2001. Patienten der Klinik ebenso wie Bürger der Stadt haben an der Realisierung mitgearbeitet, sodass deren Vorstellungen eines paradiesischen Garten in das Projekt einflossen. Es ist ein Garten mit lila und weißen Farbtupfern, einem Laubengang, Stauden und Hecken.

Auf nach Leeden

Unter Bäumen ein wenig versteckt ist in unmittelbarer Nähe zu Jones Garden Heinrich von Drieschs „Kartenhaus“ aus Eichenholz zu sehen. Anschließend verlassen wir das Klinikgelände, passieren das Gelände der Helios-Klinik und wandern bergan an aufgelassenen Steinbrüchen vorbei. Schließlich stoßen wir auf die Wegmarkierung „H“ und folgen dieser in westlicher Richtung. Dabei bewegen wir uns oberhalb der Stadt Lienen, ehe wir auf die ausgewiesene Friedensroute „X 1648“ einbiegen und für eine Weile der als Radroute ausgewiesenen Friedensroute folgen. Im weiteren Verlauf der Tour überqueren wir die Bahnstrecke nach Lengerich und haben die Anhöhe Klausberg vor Augen. Weitgehend in der offenen Feldmark und in wenigen Waldabschnitten laufend, erreichen wir schließlich Leeden, wo 1240 das Zisterzienserinnenkloster Leeden gegründet wurde.

Kneippanlage in Leeden

Kneippkur gefällig?

Eine Kneippanlage in einem Park mitten im Ort lädt ein, die müden Füße ins Kühle Nass zu tauchen. Nebenan findet man die mehrteilige aus Beton geformte Skulptur „Rast am Dorfteich“ von Eva Weid, Rudolf Berse und Ove Ochs. Ein Barfuß-Weg im Leedener Sinnenlabyrinth führt uns ganz sinnlich zu einem Weidendorn in der Mitte und auch wieder heraus. Auf einer Anhöhe gegenüber des Parks steht die weiß getünchte, einschiffige Stiftskirche Leeden, ein gotisches Bauwerk, das an die Zeit des Klosters Leeden und an das 1538 an gleicher Steller gestiftete adlige Damenstift erinnert.

Die historische Mitte von Tecklenburg

Einst einzige Höhenburg im Münsterland

Der Wegmarkierung „H“ folgen geht es vorbei an der Stiftskirche hinauf auf die Höhe des Teutoburger Waldes, wenn wir den Leedener Berg (201 m) zu unserer Linken lassen. Dass wir mitten in einem dicht besiedelten Raum wandern, verdeutlicht die Querung der A1, ehe wir dann wieder im Wald eintauchen. Feldmark, Ackerland und schmale Waldsäume wechseln sich nun ab. Schließlich erreichen wir das ehemalige Leineweberstädtchen Tecklenburg. Ab und an gelangen Reisende auch heute noch mit der Dampflok in das beschauliche Städtchen am Hang des Teutoburger Waldes. Zu verdanken ist dies dem Förderverein Eisenbahn Tradition e.V., der sich mit dem Erhalt der Dampflok V36 412 und der Dampfspeicher-Lok Blitz auch um ein Stück regionale Industriegeschichte kümmert. Enge Gassen und Stiegen, an denen in Reih und Glied schmucke Fachwerkhäuser stehen, machen den Reiz des Bergstädtchens aus, das sich einen Namen als Luft- und Kneipp-Kurort gemacht hat.

Tecklenburg

Fachwerkbau reiht sich an Fachwerkbau -
und auf der Anhöhe steht die Stiftskirche

Dass Tecklenburg die einzige Höhenburg des Münsterlandes war, ist nicht allen bekannt. Nach einem Gang durch das Städtchen, in dessen Mitte auf einer Anhöhe die Stadtkirche thront, beenden wir unsere Etappe auf dem Hermannsweg. Weitere Abschnitte dieses von Rheine bis ins Eggegebirge reichenden Weitwanderwegs warten noch auf uns.

Straßenkunst in Tecklenburg

Straßenkunst in Tecklenburg

Zum Schluss: Wer auch die Dörenther Klippen bei Ibbenbüren bestaunen möchte, dem Botanischen Garten Loismann einen Besuch abstatten will und auch gerne mal in NaturaGart einen Tauchgang unternehmen will, der setzt auf dem Hermannsweg seine Tour gen Ibbenbüren fort. Na dann, die Stiefel erneut geschnürt und los geht es.

Das "H" weist den Weg!

Informationen
Lengerich Tourist-Information
http://www.lengerich.de/startseite/urlauber-gaeste/tourist-information.html

Gempt-Halle
http://www.gempthalle-lengerich.de/gempt-halle.html

Tecklenburg Touristik
http://www.tecklenburg-touristik.de/

Anreise
Westfalenbahn von Münster nach Lengerich
http://www.westfalenbahn.de/
Sonn- und Feiertags vom 1.Mai bis 3.Oktober Freizeitbus F2 Tecklenburg nach Münster
www.westfalenbus.de

 

 

 

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