Wenn der Bucklige zum Tanz bittet

Maschkera-Gehen: Fasching in Mittenwald

Text und Fotos: Ulrich Traub u. Tourist-Information Mittenwald

Mittenwald - Himmlische Aussicht: Lüftlmalerei vor der Kulisse des Karwendelgebirges

Mittenwald vor der Kulisse des Karwendelgebirges

Mittenwald ist die Stadt des Geigenbaus. Aber es gibt eine Zeit im Jahr, da spielen die Streichinstrumente sozusagen nur die zweite Geige. Im Karneval, Verzeihung, im Fasching geben andere Instrumente den Ton an. Dann erfüllen ungewöhnliche Klänge die Gassen und Plätze – und der Ort wird zur Bühne.

Mittenwald - Georg Neuner

Georg Neuner

Mit dem Ausklang des Dreikönigstages ist es so weit. Dann machen sich die Mittenwalder und Garmischer in den närrischen Hochburgen der Zugspitzregion daran, den Winter zu vertreiben. Laut und ausgelassen geht es zu, wenn sich maskierte Männer zum so genannten Maschkera-Gehen treffen. „Wenn ich das Gestampfe und Geraunze höre, juckt es mich in den Beinen“, erzählt Georg Neuner. Dann müsse auch er sich eine Maske, die hier Larve heißt, aufsetzen und raus auf die Straße gehen.
Der Mittenwalder ist eigentlich Geigenbauer, aber in seiner Freizeit schnitzt er Larven aus dem weichen Holz der Zirbelkiefer. In seiner umfangreichen Sammlung, deren älteste Stücke schon seit Generationen in der Familie weitergegeben werden, haben die meisten Masken eher strenge oder sogar dämonische Züge. „Das hat bei uns anders als in Garmisch Tradition“, verrät der Schnitzer. Ein bisschen freundlicher schaut da schon die Pfeifferlarve drein, die den Mund zum Pfiff geöffnet hat. Auch die Maske, die Georg Neuner sich aufsetzt, um zu demonstrieren, dass man sehr wohl mit Larve Weißbier trinken kann, hat keine abschreckende Wirkung. Als er jedoch seine unter dem Holz sonor klingende Stimme verstellt, kann man verstehen, dass überraschte Urlauber, die wilden Maschkeras begegnen, mitunter Reißaus nehmen.

Mittenwald - Es schmeckt auch mit Larve. Aber es verlangt Übung und Geschick, nicht erkannt zu werden. Kein Problem für Schnitzer Georg Neuner

Es schmeckt auch mit Larve. Aber es verlangt Übung und Geschick, nicht erkannt zu werden. Kein Problem für Schnitzer Georg Neuner

Die Larve ist nicht irgendeine Verkleidung. „Sie hilft uns, nicht erkannt zu werden“, erklärt Neuner, „ein passendes Gewand inklusive Kopfbedeckung gehören aber noch dazu.“ Zudem verändert man neben der Stimme auch seinen Gang und versucht, anders zu gestikulieren als gewöhnlich. „Manche legen sogar den Ehering ab und schwärzen sich die Hände“, so der Schnitzer, der bei der Gestaltung einer Larve immer die Tradition und den Gebrauch im Faschingsalltag im Hinterkopf hat. Deshalb muss die Larve auch genauestens angepasst werden. Das Unerkanntbleiben ist schließlich das A und O beim Maschkera-Gehen, einer Tradition, die nur noch in der Zugspitzregion gepflegt wird.

Mittenwald - Nicht nur grimmige Gesellen: Die Garmischer Larven schauen nicht so streng wie die Mittenwalder

Nicht nur grimmige Gesellen: Die Garmischer Larven schauen nicht so streng wie die Mittenwalder

Auch bei Regine Ronge spürt man die Begeisterung für die historischen Faschingsbräuche. „Bei uns wird nichts organisiert. Man verabredet sich oder trifft sich spontan“, betont die Mittenwalder Gästeführerin stolz. Dann geht’s in die Wirtshäuser zum „Gungeln“. Dort warten mutige Mädchen und Frauen auf die Maschkeras, die zum Tanz bitten. Was sich harmlos anhört, ist für Außenstehende eine etwas gewöhnungsbedürftige Gaudi. „Wir Frauen sind vor nichts gefeit“, erzählt Regine Ronge, „und bekommen zum Beispiel eine neue Frisur verpasst oder die Fingernägel lackiert“ – nicht ganz freiwillig, versteht sich. „Früher sind wir auch schon mal, wenn es besonders ausgelassen zuging, mit Bier übergossen worden.“

Und wenn der Bucklige in dem zerrissenen Gewand mit der Furcht einflößenden Maske, der eben in Richtung Wirtshaus humpelte, sie auffordern würde? „Kein Problem, dann tanze ich eben mit ihm und wenn er unerfahren sein sollte, bringe ich ihm unsere Standardtänze bei.“ Die könne man in keiner Tanzschule lernen.“ Die quirlige Mittenwalderin erklärt, dass es beim Maschkera-Gehen darauf ankomme, die gewählte Verkleidung mit Leben zu füllen, sich in die Figur hineinzuversetzen. „Phantasie ist gefragt, aber daran herrscht bei uns kein Mangel.“

Mittenwald - Brauchtums-Graffito: Maschkera an einer Häuserfassade

Brauchtums-Graffito: Maschkera an einer Häuserfassade

Regine Ronge hat einen Maschkera in weiten Frauenröcken entdeckt, die er übereinander trägt. „Das ist ein Predikant, der sagt den Leuten Dinge, die man sonst nicht ausspricht.“ Uns starrt er nur eindringlich an und geht dann weiter. Ein gutes Zeichen, flüstert die Gästeführerin. Auch neue Figuren, etwa die Piraten aus den „Fluch der Karibik“-Filmen, haben ihren Weg in den Mittenwalder Fasching gefunden. Zur Besonderheit des Brauchtums zählt, dass auch die neuen Kostüme immer noch in den Familien genäht würden, weiß die Mittenwalderin.

Mittenwald - Lizenz zum Lärmen: Am „Unsinnigen Donnerstag“ ziehen die Krawallbrüder der Schellenrührer durch Mittenwald

Lizenz zum Lärmen: Am "Unsinnigen Donnerstag" ziehen die Krawallbrüder der Schellenrührer durch Mittenwald
© Tourist-Information Mittenwald

Laut geht es zu in der Faschingszeit, schließlich muss ja der Winter vertrieben werden. Die Schellenrührer, die mit umgebundenen Kuhglocken durch das Städtchen ziehen, leisten dabei Schwerstarbeit. Aber auch die Peitschen schwingenden Goasslschnalzer, die Jacklschutzer, die den Winter in Form einer Strohpuppe mit sich schleppen und Lob-, aber auch Spottverse zum Besten geben, sowie die Pfannenzieher, die andere Maschkera in großen Pfannen hinter sich her ziehen, heizen der kalten Jahreszeit ganz schön ein.

„Es muss noch reichlich keltische Substanz in unserer Bevölkerung geben“, fasst Anton Sprenger die vielen heidnischen Bräuche zusammen, die sich im Mittenwalder Fasching erhalten hätten. Der Geigenbauer, der selber keine Larven schnitzt, aber viel von der Pflege des Brauchtums hält, erzählt von einem Maschkera, der als Ziegenbock verkleidet durch die Gassen springe, während eine Gruppe Maskierter ihn zu halten versuche. „Der Bock steht für die Fruchtbarkeit und symbolisiert den Frühling.“

Mittenwald - Statt Schaufenstergucken: Lüftlmalerei an einer Mittenwalder Fassade

Statt Schaufenstergucken: Lüftlmalerei an einer Mittenwalder Fassade

Egal ob nach dem Fasching der Frühling nun seinen Einzug hält oder sich verspätet, auch in der Zugspitzregion endet das wilde Treiben am Aschermittwoch. „Meine Masken kommen dann wieder in ihr Versteck, denn es soll ja niemand erfahren, dass ich sie getragen habe“, verrät Georg Neuner. Dann hat er wieder mehr Zeit, um zu schnitzen. Nach dem Fasching ist eben vor dem Fasching. „Ich hab da so ein Gesicht gesehen, das würde ich gerne als Larve herausarbeiten“, bemerkt der Mittenwalder, während er seinen Gesprächspartner merklich lange mustert.

 

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