Wer rollt da mit den Augen?

Koblenz: am Treffpunkt von Rhein und Mosel

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Wer an Koblenz denkt, denkt an das Deutsche Eck, wo Rhein und Mosel zusammenfließen. Hoch über dem Rhein wachte einst die Festung Ehrenbreitstein auf einem schroffen Felsen über die Geschicke der Stadt. Sie ist das Tor zum Mittelrhein mit seinen Burgen hoch über dem Fluss. Zugleich ist die Stadt auch ein kulturelles Zentrum, das eine Reihe sehenswerter Museen besitzt. Markant sind die zahlreichen Plätze und die Kirchen, deren Türme die Silhouette prägen. Ein Rundgang durch eine wenig bekannte deutsche Stadt.

Eine der Koblenzer preußischen Festungsanlagen: Festung Ehrenbreitstein, 118 Meter oberhalb des Rheins und unter den Preußen 1817 bis 1832 ausgebaut

Vom deutschen Ritterorden, der sich im 13. Jahrhundert am Zusammenfluss von Rhein und Mosel niedergelassen hatte, künden bis heute das Deutschherrenhaus und das Deutsche Eck. Preußens Gloria ist im Reiterstandbild Wilhelms I. allgegenwärtig. Hoch zu Ross sitzt der Deutsche Kaiser in Paradeuniform auf einem steinernen Sockel, der von einem Säulenhalbrund umgeben ist. Nur wenige nehmen allerdings die unweit des Deutschen Ecks aufgestellten drei Segmente der Berliner Mauer wahr, auf denen die Inschriften »Den Opfern der Teilung«, »17. Juni 1953« und »9. November 1989« zu lesen sind.

Cesars "Daumen" wird einer kunstinteressierten
Besucherin im Hof des Deutschherrenhauses bestaunt

Nur Schritte vom Deutschen Eck entfernt, betritt man durch einen Torbogen den Blumengarten, an dessen Rand das weißgeschlämmte Deutschherrenhaus steht, das ehemalige Verwaltungsgebäude der Niederlassung des deutschen Ritterordens. Heute nutzt das Ludwig-Museum, das sich vornehmlich der aktuellen Kunst und der Kunst Frankreichs widmet, die Räumlichkeiten. Wer den Daumen von Cesar und Takashi Narabas Mandala-Skulptur am Rande der in Weiß, Blau und Rosa getauchten Blumenwiese sieht, weiß, welche Art von Kunst ihn beim Besuch des Museums erwartet. In Sichtweite erheben sich die romanischen Türme der Basilika St. Kastor. Über dem Eingang weist das Wappenschild auf den Status der Basilika hin: links oben das päpstliche Wappen mit Tiara und Petrusschlüssel, rechts oben das Trierer Kreuz und unten der Löwe von Aquitanien, woher der heilige Kastor stammt.

Der Augenroller gibt die Zeit vor

Der Augenroller als Wandschmuck - doch seine Augen rollen nicht, ganz im Gegensatz zum Augenroller des Mittelrhein-Museums

Lenkt man seine Schritte vom Ufer der Mosel in die Altstadt, so kommt man am rostrot verputzten Krämer-Zunfthaus vorbei, das auch als Mehlwaage diente. Im Giebel kann man als Hinweis auf diese Nutzung eine Waage und die Jahreszahl 1709 ausmachen. Unter den Fenstern des Erkers finden sich Reliefs des heiligen Georg und der Mutter Maria mit Kind. Gleich um die Ecke stößt man auf den alten Stadtturm, der auf Teilen der römischen Stadtmauer ruht.

Ein schlichter romanischer Bau: St. Florin

Unweit von hier befindet sich der Florinsmarkt, an welchem die in Weiß und Ockergelb gehaltene, dreischiffige, romanische Pfeilerbasilika St. Florin ebenso steht wie der Bürresheimer Hof mit seiner gewellten Giebeldachlinie und seinen Gaubenreihen auf dem ausladenden Dach. In diesem einstigen Adelshof trafen sich bis zur so genannten Reichskristallnacht Koblenzer Bürger jüdischen Glaubens. An die ehemalige Synagoge schließen sich das Alte Kauf- und Danzhaus – heute Mittelrhein-Museum – und das Haus Unterm Stern an.

Wer zur Uhr des Mittelrhein-Museums hinaufschaut, wird einen schwarzen Mann mit Bart sehen, der im Sekundentakt mit den Augen rollt. Zu jeder vollen Stunde zeigt der so genannte Augenroller übrigens seine Zunge. Schlägt es zwölf, halt auch zwölfmal.

Ach, wie ist es am Rhein so schön ...

Das Mittelrhein-Museum

Das Mittelrhein-Museum widmet sich nicht nur dem Thema Rheinromantik, sondern zeigt auch immer wieder hochkarätige Sonderausstellungen. Rheinansichten und Motive der Mittelrheinregion haben in der Sammlung einen besonderen Stellenwert. So zeigt man Emil Noldes »Am Rhein« oder George Grosz’ »Friedvolle Rheinlandschaft«. Doch nicht allein die Maler der Moderne und ihre Rheinansichten kann man im Museum sehen, sondern auch die Landschaftsmalerei eines Johannes Jacob Diezler: Sie nimmt auf den Mittelrhein in »Ansicht von Oberwesel« Bezug. Ähnliches gilt für Daniel Dienz (»Ruine der Burg Grenzau«) und Conrad Zick (»Rheinlandschaft mit Gut Besselich und Niederwerth«). Einen Schwerpunkt des Hauses bildet außerdem die Malerei des Barock: In diesem Zusammenhang gebührt dem Werk des kurtrierischen Hofmalers Januarius Zick besondere Aufmerksamkeit. Schließlich wird zeitgenössische Kunst im Mittelrhein-Museum nicht ausgespart: So ist der Pionier des Informel K. O. Götz ebenso vertreten wie Heinz Stockhausen.

Hier gibt es schon längst keine Naschereien mehr

Gegenüber vom Museum fällt ein Eckhaus auf, das als Fraueneck bekannt ist und mit seiner Fassadenreklame für Pfefferminz, Drops und andere Süßigkeiten die Blicke der Vorüberschlendernden auf sich lenkt. Zur Einkehr lädt die Alte Weinstube Zum Hubertus ein, deren Obergeschoss in Fachwerktechnik erbaut wurde. Nicht Wein, sondern Bier schenkt man im Bier- und Schnitzelhaus St. Florin aus. An der Gemüse- und am Etzegässchen, der kürzesten Gasse in Koblenz, sind Langschläfer im Café Miljöö gern gesehene Gäste, für die man bis 17 Uhr Frühstück serviert. Bummelt man zum Ende der Gemüsegasse, so gelangt man zur Liebfrauenkirche mit ihren weithin sichtbaren Zwiebeltürmen.

Beton hinter gotischer Rosette

Anschließend gehen wir zum Jesuitenplatz, der vom ehemaligen Jesuitenkolleg und der Jesuitenkirche bestimmt wird. Nach der Zerstörung der Kirche während des Zweiten Weltkriegs entschloss man sich, mit dem Wiederaufbau den Kölner Kirchenbaumeister und einzigen deutschen Pritzker-Preisträger Gottfried Böhm zu betrauen. Hinter die vorgesetzte Westfassade mit gotischer Rosette und barockem Portal setzte Böhm einen einschiffigen Betonquader, der wie eine römische Basilika von einer Holzdecke überwölbt wird.

Wen der Hunger überkommt, der kann sich im Wirtshaus Alt-Koblenz bei Coblenzer Sülze mir Bratkartoffeln oder Pfälzer Saumagen stärken. Wer allerdings auf »Himmel und Erde« als Gaumenfreude schwört und einem dunklen oder hellen Bier nicht abgeneigt ist, der kehrt am besten in der Braugasse im Alten Brauhaus ein, dem Stammhaus der Königsbacher Brauerei.

Einer der reich verzierten Erker in der Marktstraße/Lohrstraße

Nicht zu verfehlen sind an der Marktstraße/Löhrstraße/Altengraben vier Eckhäuser mit reich verzierten Erkertürmen. Drei von ihnen tragen Namen: Zum Petrus, Zum Grünen Baum und Eierstock-Haus. Getreu der Namen findet man auf den Erkern Petrus mit seinem Schlüssel und einen grünen Baum als Hauszeichen. Nur ein kurzer Weg ist es bis zum Münzplatz, an dem sich das ehemalige Münzhaus und das Geburtshaus von Fürst Metternich befinden. Nicht nur die Kaffeewirtschaft 1911 lädt zum Verweilen ein, sondern auch zahlreiche andere Straßencafés. Da wären das Soul-Café oder die Bar Bon Cino sowie zur fortgeschrittenen Stunde der Affen-Club, eine schlauchartige Kneipe, deren Dekoration aus ungezählten Plüschaffen besteht, die unter der Decke baumeln.

Hier ist nicht der Bär, sondern die Affenbande los: Die Innendekorationen mit ungezählten Stoffaffen rechtfertigt den Clubnamen

Dass die Koblenzer Sinn für Humor haben, belegt die Skulptur einer Marktfrau und eines schnauzbärtigen Polizisten am Rande des Münzplatzes. Folgende Inschrift findet sich: »Die Maatfrau sät zom Schutzmann/Dat es mit jetzt zo bont/Do hat gepinkelt an mein Mann da Nobersch ihre Hond.«

Preußischer Festungsbau am Rhein

1822 bis 1827 entstand Fort Großfürst Konstantin, das auf einem der ältesten Siedlungsgebiete der Stadt errichtet wurde.

Spaziert man am Rhein entlang, so erblickt man am anderen Ufer das Dikasterialgebäude, einen Barockbau, an dessen Ausführung auch der berühmte Baumeister Balthasar Neumann beteiligt war. Auf dem Felsen oberhalb erhebt sich die Festung Ehrenbreitstein, die Teil des preußischen Festungsausbaus der Stadt ist.

Zu den im frühen 19. Jahrhundert begonnenen Festungsbauten gehören das Fort Großfürst Konstantin, das man vom Bahnhofsvorplatz aus sehen kann, die Feste Kaiser Franz gegenüber der Altstadt auf der anderen Moselseite, und Fort Asterstein. Erst der Vertrag von Versailles bedeutete das Ende der militärischen Nutzung dieser Festungsbauwerke auf den Höhenzügen oberhalb von Rhein und Mosel.

Im Stil einer historistischen Burganlage wurde gegenüber dem Pegelhaus – hier sind die Hochwasserstände des Rheins abzulesen – das preußische Regierungsgebäude erbaut, auf dessen architektonische Ausgestaltung Kaiser Wilhelm II. Einfluss genommen haben soll. Wer am Ufer des Rheins steht, kann sich kaum vorstellen, dass der Wasserstand wie 1926 eine Höhe von 9,30 Meter erreichte – ein Blick auf die Markierung am Pegelhaus überzeugt allerdings jeden Zweifler. Vom Denkmal für Max von Schenkenberg oder von der an eine Pietá erinnernden Bronze des luxemburgischen Bildhauers Lucien Wercollier wäre bei einem solchen Pegelstand nichts mehr zu sehen gewesen.

Das Dikasterialgebäude, eine erzbischöfliche Repräsentationsanlage, deren Entwurf auf den bekannten Barockbaumeister Balthasar Neumann zurückgeht.

Spaziert man weiter durch die Grünanlage am Rhein, so erreicht man das kurfürstliche Schloss mit seinen Säulenportici, das heute Behördensitz ist und nicht besichtigt werden kann. Über den Josef-Görres-Platz mit seiner Historiensäule gelangen wir wieder in die Koblenzer Altstadt. Für einen Moment sollte man auf dem Platz verweilen, um die Säule mit Brunnenanlage in Augenschein zu nehmen: Zwei Jahrtausende Koblenzer Geschichte sind auf dieser Säule vereint: unten ein römisches Weinschiff und darüber eine römische Kastell-Siedlung aus dem 1. bis 5. Jahrhundert. Jahrhundert um Jahrhundert reckt sich die Säule empor: ganz oben die zukunftsorientierte Stadt mit ihren charakteristischen Kirchtürmen und der Festung Ehrenbreitstein, die auf dem durch Bomben zerstörten Koblenz thronen.

 

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