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Ein Rundgang durch die Pfalzgalerie

„Große Figur", ein Werk von Hans Steinbrenner

„Große Figur", ein Werk von Hans Steinbrenner

Wer sich durch die Dauerausstellung bewegt, wird schnell feststellen, dass die Kunst des 19. Jahrhunderts einen wichtigen Schwerpunkt bildet. Doch auch Expressionismus und Neue Sachlichkeit finden ihren Platz. Stolz ist man darauf, eine von weltweit nur 20 bildhauerischen Arbeiten von Hermann Scherer zeigen zu können. Augenfällig legt man in der Pfalzgalerie großen Wert auf luftige Hängung und auch auf die Konfrontationen jenseits einer chronologischen Hängung. Zudem werden Kunstgewerbe und Plastiken neben Werken der bildenden Kunst präsentiert, Porzellan neben Schnitzwerken, Möbel neben Porträtgemälden, Bronze neben Siebdrucken und Ölgemälden.

Von Zaugg zu Slevogt
Im Treppenhaus scheint uns Rémy Zaugg mit seinem Siebdruck auf Aluminium in einen „Dialog“ verwickeln zu wollen mittels der Worte: „ABER ICH DIE WELT ICH SEHE DICH. Sinnhaftig erscheinen die Worte nicht, aber auch nicht DADA. Welcher „Spagat“ dem Besucher zugemutet wird, wird sinnfällig, wenn anschließend vier aus Lindenholz geschnitzte und bemalte Reliquienbüsten zur Schau gestellt werden. Sicherlich sind die Werke von Max Slevogt, einer aus dem Dreigestirn des deutschen Impressionismus und aus der Pfalz stammend, der Anziehungspunkt der Sammlung schlechthin, auch wenn weder der „Der schwarze Andrade“, noch der „Weiße Andrade“ oder gar die Impressionen der Ägyptenreise – dazu muss man nach Dresden fahren – zu sehen sind. Betreten die Besucher den „Slevogt“-Saal, so stehen sie vor einem Familienporträt, das Slevogts Mutter, Schwiegermutter, seine Frau und seine beiden Kindern zeigt. Der Künstler, rauchend, hat sich ein wenig in den Hintergrund zurückgezogen. Vor ihm sitzt seine Gattin, einen Korb mit Früchten auf dem Schoß.

Das Stichwort Dreigestirn des Deutschen Impressionismus ist bereits gefallen. Max Liebermann gehört zu der Malertroika ebenso wie Lovis Corinth. Beide sind gleichfalls mit Porträts in der Pfalzgalerie präsent. Lola Leder, die Frau eines Textilfabrikanten, hat Liebermann in einer privaten Umgebung in legerer Haltung auf die Leinwand gebannt. Corinth hingegen malte mit flüchtigem „Strich“ und gestischem Farbauftrag seine als Künstlerin bekannte Gattin.

Dass Slevogt die Pfalz als Motiv liebte, zeigen „Der Trifels“, eine winterliche Schlittenfahrt, die jedoch nicht die Burg Trifels als Ziel zu haben scheint, die ein wenig verschwommen im Dunst in der Ferne auszumachen ist. Zudem sehen wir noch „Winterlandschaft in Neukastel“, eine Arbeit, bei der eine links platzierte Baumgruppe den Blick auf die Hügellandschaft eingrenzt. Den oben bezeichneten Werken wurden zwei bildhauerische Arbeiten, eine von Jules Desbois und die andere von Werner Pokorny, beigegeben. Von besonderer Dramatik ist Desbois „Leda mit Schwan“, während Pokorny das Konkrete dreidimensional präsentiert und sich die Arbeit auch gut dem Themenblock „Von der Linie zum Raum“ zuordnen lassen könnte.

Beim weiteren Schlendern durch die Säle begegnen wir erneut Slevogt, der sich malend selbst porträtierte. Auf der unfertigen Leinwand sehen wir Judith, die den Säbel aus der Scheide zieht. Unvollendet und flüchtig hingeworfen ist das Bildnis von Frau Dr. Gisevius, das ebenfalls gezeigt wird. Weitere Porträtierte sind der Bankier Carl Steinhart und der Architekt Georg Roll. Beinahe schon expressionistisch erscheint der von Slevogt gemalte blühende Kaktus, unter dem sich ein schwarzer Kater versteckt.

Torso, Ringkämpfer und ...
Ein weiblicher Torso scheint sich nach oben zu recken, sich in der Hüfte nach rechts zu beugen, eine Diagonale im Raum zu bilden – Wilhelm Lehmbruck verdanken wir diesen weiblichen Akt in Bronze. Unterschiedlicher kann eine Auseinandersetzung nicht sein: hier die Ringer im Bodenkampf von Max Beckmann gemalt, dort ein tödlicher Angriff eines Tigers, der sein menschliches Opfer fest in den Nacken gebissen hat. Entsetzen spiegelt sich im Gesicht des Opfers wider. Zu dieser dramatischen Inszenierung gesellt sich die ausdrucksstarke aus Holz geschaffene Paargruppe, Mutter und kleines Mädchen, von Hermann Scherer, einem Kirchner-Schüler.

Regen geht in Erich Heckels Ansicht der Flensburger Außenförde strichweise nieder. Die Klippen erheben sich als rostrote und sandfarbene Wand über der Bucht. Bewegt ist die See in Max Pechsteins „Am Jadebusen“: Tiefblaue Wellen mit weißen Kronen überschlagen sich, werden von grünlich-gelblichen Wellen begleitet.

Die Neue Sachlichkeit
Es scheint, dass die sogenannten Goldenen 20er Jahre gar nicht so goldig waren, sondern auch von Depression und Existenzangst geprägt, schaut man in das Gesicht eines von Alexander Kanoldt gemalten jungen Mädchens. Auch Minna Beckmann-Trude, gemalt von Max Beckmann, strahlt nicht gerade Optimismus aus. Dekadent erscheint die von Christoph Reinhold Voll geschnitzte „Dame von Welt“, die einen „Potthut“ trägt. Doch wo sind der Pelz, der Fächer, das Glas Absinth?

Informel – Figürlich ist out
Ein Zentralwerk der Sammlung ist Ernst Wilhelm Nays „Licht“, eine Komposition, die auf den Kreis als Muster zurückgreift und diesen zu einem „Augenpunkt“ modifiziert. „Gefrorene Malerei in der dritten Dimension“ ist mit den Worten von Bernard Schultze das, was er uns präsentiert: eine fragile, vegetabile und menschliche Existenz. Carl Buchheister ist in diesem Teil der Schau ebenso vertreten wie Ossip Zadkine, der in der Formensprache des Kubofuturismus die Skulptur einer zärtlichen Mutter schuf, die ihr Kind schützend im Arm hält.  Zu sehen sind außerdem Arbeiten des Bauhäuslers Fritz Winter und „organische Formen“ wie Tori I, einer Arbeit von Willi Baumeister.

Die Sammlung eines Hofrats
Carl Spitzwegs „Zeitungsleser im Hausgärtchen“, ein Kleingeist in seiner beschränkten Welt, ist gekonnte Genremalerei, wenn auch nicht im klassischen Sinne. Den bornierten Zeitgenossen den Spiegel vorzuhalten, das war Spitzwegs Bestreben. Wie Carl Rottmann so hat auch Johann Nepomuk Ott es verstanden, das Licht des Südens in seinen Landschaften einzufangen, in einer Neapelansicht, die nach einer Vorlage und nicht in der freien Natur entstanden ist. Angereichert wird die Landschaftsansicht mit einer Eselskarawane, die von einer Anhöhe gen Bucht unterwegs ist. Beinahe unwirklich erscheint „Der Hechtsee bei Oberauford“ von Karl Millner: Die Sonne streicht mit rötlichem Licht über die Nadelhölzer des Hanges. In zartes Rosa getaucht sind die Berge, an deren Flanken Schneereste auszumachen sind. Auf dem See sind zu früher Stunde zwei Männer unterwegs, die der Fischerei nachgehen.

Bürgerliche Selbstdarstellung und antike Mythen
Was man ist, zeigt man nicht nur beim Posieren für das Porträt in Öl so wie Anna Maria Utsch, sondern auch mit der Wohnkultur, die sich in einem Damensekretär widerspiegelt, der mit Pflaumenholz furniert ist.

Arnold Böcklin malte die bildeinnehmenden Figuren von Nessus und Deianeira, die sich mit aller Kraft gegen den Kentauren zur Wehr setzt. Im Hintergrund hat der blonde Herkules bereits den Speer zum tödlichen Stoß erhoben. Mit ihm eilt er seiner bedrängten Gattin zu Hilfe. Umringt von lachenden Schönheiten und vor der Kulisse einer Felsenlanschaft sitzend – so malte Anselm Feuerbach in Referenz an den persischen Dichter Hafis seinen „Märchenerzähler“. Einer der wichtigen Porträtmaler des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist gleichfalls in der Schau zu entdecken: der für seine Bismarckporträts bekannte Malerfürst Franz von Lenbach.

Der Sprung in die Gegenwart
Widmen wir uns nun den thematischen Blöcken der Sammlung, so machen wir zugleich einen Sprung in das 21.Jahrhundert, wenn wir Erik Levines riesiger Installation mit zwei in einem Gestell platzierten „transparenten“ Kugelhälften gegenüberstehen. Zwischen Bild und Objekt steht die Plastik von Kiki Smith namens Ladybird. Es ist die Bronze eines pubertierenden Mädchens, auf deren Schultern ein viel zu großer Kopf mit gealtertem Gesicht sitzt. Auf dem Rücken wachsen dem Kind zahlreiche Blattflügel. Doch ins Fliegen kommt die Figur nicht. Charles Hinman präsentiert uns sein Diptyk, das aus dem gängigen Rahmen fällt.

„Stimmungen – Horizonte“ vereint das Gemälde des Berliner Sezessionisten Walter Leistikow – es zeigt die aus Meer aufsteigenden Lofoten – mit Michael Growes minimalistisch anmutender Bildgestaltung in „Strom“: Zwei Bildhälften sind zu sehen, die eine in ein Schokoladenbraun getaucht, die andere bläulich-gelblich verwischt. Fragil ist das Material, das Andreas Bee für seinen Kannibalentopf verwendete: Papier. Verdichtet hingegen und das Gegenteil der genannten papiernen Transparenz ist Jindrich Zeihammls unbetiteltes Werk aus Holz und Blattsilber.

Weitere Informationen
http://www.pfalzgalerie.de/

Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern
Museumsplatz 1
67657 Kaiserslautern

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