Wenn die Dünen sprechen könnten ...

Juist und Borkum: zwei Inselschwestern vor Ostfriesland

Text und Fotos: Beate Schümann

Deutschland Juist Kutsche

Ein Pferd namens Wanda wartet geduldig mit dem Haflingerkollegen Heinrich vor dem offenen Kutschwagen am Juister Flughafen. Sie kommen alle Stunde, wenn eine zweimotorige Britten Norman Islander auf dem kleinen Asphaltfeld im Sand landet. Die Gäste platzieren sich auf den roten Polstern und los geht’s. Nüstern schnauben, Hufe trappeln, das Gestänge quietscht. Eile ist auf Juist nicht gefragt.

Deutschland Juist Pferde

Vorbei an weiten Dünen, Sanddorn- und Holundersträuchern, bringen Wanda und Heinrich ihre Fracht gemütlich in den Hauptort. Auf „Töwerland“, Zauberland, wie die Insulaner zu ihrer knapp neun Quadratkilometer großen Insel sagen, gibt es keine Hochhäuser, keine roten Ampeln, keine Autos, keinen Lärm, und die Bettenzahl stagniert seit Jahren bei rund 6.500 - ein Garantieschein für Natur, Stille und Gemächlichkeit, die „Töwerland“ prägen. Rund hundert Haflinger, Norweger und Belgische Kaltblüter traben als Taxis zwischen Dünen und Watt, beliefern die Lebensmittelgeschäfte und sorgen für den Mülltransport. Wer am Fähranleger ankommt, geht die wenigen Schritte mit Sack und Pack zu Fuß in den Ort. Ein paar Sechsjährige in kurzen Hosen und dickbauchigen Ozeanriesen unterm Arm steuern schnurstracks auf den „Schiffchenteich“ zu, wo die jungen Reeder ihren Besitzerstolz zu Wasser lassen. Im Sommer ist das Wasserbecken in Dreierreihen von Kindern umstellt.

Juist ist Seebad seit 1840. Gleich hinter dem aufwändig renovierten Kurhaus im Bäderstil zeigt sich Juists Kapital in seiner vollen Länge: der siebzehn Kilometer lange, buhnenfreie Sandstrand bietet Familien, Strandläufern und Reitern ein weites Feld. Stolz behaupten die Juister, ihre Insel sei „die größte Sandbank der Welt“.

Deutschland Juist Im Watt

Im Watt vor der größten Sandbank der Welt

Manche Nachbarinsel, besonders Borkum, hat allen Grund, neidisch zu sein, zumal die westliche Schwester zu Juists sandigem Reichtum entscheidend beiträgt: die sichelartige Gestalt Borkums lenkt die starken, sandraubenden Nordseeströmungen vom speerförmigen Juist ab, muss selber aber intensiven Küstenschutz betreiben, damit es seine Strandsubstanz nicht verliert. Bei Westwind wächst Juists Strand sogar noch.

Das Wasserballett der Möwen

Wenn der Naturschutzpark am Westende erwandert, der Süßwasser führende Hammersee umrundet, die Aussichtsdüne erstiegen und die vorgelagerte, nicht begehbare Vogelschutzinsel Memmert gesichtet sind, hat man die Inselattraktionen abgehakt. Danach entstresst sich der Urlauber mit dem Strand, dem Wasserballett der Möwen und der Zeitlosigkeit.

Deutschland Juist Leuchtturm

Wegen der langgestreckten Form vergleichen die Juister ihr Eiland gern mit dem nordfriesischen Sylt. Juist ist zwar nicht durch eine Nabelschnur mit dem Festland verbunden, besitzt aber einen ähnlich langen Strand und droht - nur 500 Meter breit - wie jene auseinander zu brechen; seit 1932 bietet ein Damm den Sturmfluten Paroli. Auch in Imagefragen wollen die Insulaner gleichziehen: Juist soll die feinste, eleganteste und exklusivste der ostfriesischen „Sieben“ werden. Hochklassige Hotels, gestiegene Preise und die zunehmenden Fisch- und Schalentierimbisse sprechen dafür. Campingplätze gibt es nicht.

Deutschland Juist Bimmelbahn

Inselverkehr

Inselsprung nach Borkum. Wenige Kilometer westlich ist fast alles anders. Am Fährhafen empfängt das eiserne Dampfross „Borkum“ die Ankömmlinge mit einigen zischenden Ladungen Wasserdampf. Manche kommen nur für einen Tag, denn der Hafen ist nicht tideabhängig wie der von Juist. Ein flotterer Rhythmus kündigt sich an. „Blumenpflücken während der Fahrt nicht erlaubt!“ ruft der Lokführer den Einsteigenden lachend zu. In zwanzig Minuten ist die alte Lok von 1940 durch Dünen und hohe Mauern von Heckenrosen mitten ins Kurzentrum gezuckelt.

Ulkige, bunte Zelte

Auf Borkum ist alles größer - die Insel (36 Quadratkilometer), der Hauptort (6.000 Einwohner), die Anzahl der Hotels, Pensionen, Geschäfte, Veranstaltungen, Sehenswürdigkeiten und Fahrradwege. Es gibt ein Theater, eine Spielbank, sogar einen Boule-Platz, Wald und Wiesen. Sogar Borkums Klima ist anders. Auf der westlichsten der ostfriesischen Inseln trifft man Hochseeklima wie auf Helgoland an. Der Golfstrom vertreibt Pollen und bringt jodhaltige Luft, weshalb Asthmatiker und Allergiker seit 1835 zum Kuren kommen. Damit Autoabgase das gute Klima nicht vermiesen, greift die Inselverwaltung zu einem Trick: sie baut keine Straßen, sondern Parkplätze.

Deutschland Juist Dünen

Durch die Dünen

Nur der Strand hält Juister Dimensionen nicht stand. Dafür hat er diese ulkigen, buntgestreiften Hochzelte: komfortable „Zweitwohnungen“, die vor Wind und Sonne schützen. „Sie müssen unbedingt Milchreis essen“, verrät ein bärtiger Mann mit Prinz-Heinrich-Mütze nahe dem Neuen Leuchtturm, der den alten von 1817 arbeitslos machte. „Mir schmeckt Milchreis am besten mit Bratwurst.“ Ein Ostfriesenscherz? Doch am Strand preisen tatsächlich viele Buden die süße Speise an: Mit Zucker und Zimt, mit Kirsch, auf besonderen Wunsch auch mit Wurst.

Szene ist auf Borkum nicht angesagt: Tagestouristen, Kurgäste und Familien wandeln leger zwischen Fußgängerzone, Strandpromenade und Trinkkurhalle - ohne Ansprüche an Exklusivität. Stolz stellen die Borkumer vor ihren Häusern Gartenzäune aus angemoderten Walkinnladen zur Schau, die an das einträgliche Geschäft mit dem Walfang erinnern. Seit dem 17. Jahrhundert brachten ihnen die Meeressäuger einen beträchtlichen Wohlstand ein, während die Juister noch als Strandräuber auf Gelegenheitsjobs warteten. Auf dem Friedhof beim Alten Leuchtturm deutet manch Grabstein darauf hin, dass der Verblichene seiner Harpune gefolgt war. Im Heimatmuseum „Dykhus“ erfährt man alles über diese Zeit. Dass Borkum noch eine gewichtige Einnahmequelle gehabt haben könnte, verrät Inselführer Rolf Sluiter. „Wenn de Woldedünen kunnen spreeken, sult heil Börkum noit an Gold gebreeken.“ Wenn die Dünen sprechen könnten, würden sie vom Gold des Piraten Störtebeker erzählen. Aber das ist Legende.

 

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