Der Fels in der Brandung

Ein Besuch auf Helgoland in der Deutschen Bucht

Text und Fotos: Stephan Eigendorf

 

Helgoland

Die muss man mal gesehen haben? Muss man nicht, kann man aber und macht auch Spaß. Und sie ist einzigartig, Deutschlands einzige Hochseeinsel, obgleich man aus mehreren Gründen gar nicht von hoher See sprechen kann. Knapp 50 Kilometer vor Schleswig-Holsteins Küste gelegen, ist sie jedes Jahr Ziel Tausender Besucherinnen und Besucher, die meisten davon Tagestourist*innen in den wärmeren Monaten. Ausflugsschiffe laufen Helgoland von Bremerhaven, Büsum oder vom „Alte Liebe“ genannten Anleger im Hafen der niedersächsischen Stadt Cuxhaven an der Elbemündung aus an. Das traditionelle Ausbooten der Passagier*innen vor der Insel von den Ausflugsschiffen in die so genannten Börteboote, vergleichsweise kleine Holzboote, ist zwar eine langsam aussterbende Tradition, aber seit 2018 UNESCO Weltkulturerbe.

Helgoland - Landungsbrücke vor der Unterstadt

Landungsbrücke vor der Unterstadt

Auf Helgoland angekommen, trifft man auf der Promenade der Unterstadt auf einen Mann, der anlässlich des 175jährigen Geburtstages der deutschen Nationalhymne im Jahr 2016 in vieler Munde war. Natürlich konnte August Heinrich Hoffmann von Fallersleben nicht persönlich zum Jubiläum erscheinen, da er seit 1874 tot ist, aber ihm zu Ehren hat man hier seine Büste auf einen Sockel gestellt. Genau genommen feierte auch nur der Text von von Fallersleben Geburtstag, denn die Melodie des Liedes der Deutschen schrieb der österreichische Komponist Joseph Haydn bereits 1797 aus anderem Anlass. Und noch genauer genommen wurde das Lied erst während der Weimarer Republik im Jahre 1922 zur Nationalhymne erklärt. Tatsache ist jedenfalls, dass von Fallersleben die viel gesungenen Zeilen 1841 während seines Aufenthaltes auf Helgoland schrieb.

Helgoland - Büste von Fallersleben auf der Promenade

Helgoland - Büste von Fallersleben auf der Promenade

Allerdings wehte auf der Insel damals noch die britische Flagge. Bisweilen geht das Gerücht, dass die Deutschen Helgoland später im Tausch gegen die vor dem afrikanischen Tansania im Indischen Ozean gelegene Insel Sansibar erhalten hätten. Zwar war Tansania damals unter dem Namen Deutsch-Ostafrika deutsche Kolonie, Sansibar gehörte aber nicht dazu, was das Gerücht ins Reich der Fantasie schickt. Mit dem Vertrag von 1890 wollten die Briten vielmehr weiteren deutschen Gebietsansprüchen auf dem afrikanischen Kontinent Einhalt gebieten und gaben dafür eben Helgoland, ein aus heutiger Sicht guter Handel.

Von Fallersleben war übrigens nicht der einzige Künstler, der schon in der Vergangenheit Inspiration auf der Insel mit dem charakteristischen Buntsandstein fand. Georg Christoph Lichtenberg, Friedrich Hebbel und Heinrich von Kleist etwa zeigten sich ebenso angetan von Helgoland, wie die Malerin Elisabeth Reuter und der Düsseldorfer Maler Rudolf Jordan, der die Insel zum Thema seiner Ölgemälde „Sturmläuten auf Helgoland“ (1839) und „Hochzeit auf Helgoland“ (1855) machte. Der Schriftsteller James Krüss erblickte 1926 hier gar das Licht der Welt und so war seine Heimat auch immer wieder eine Bühne für seine Geschichten, wie sein bekanntes Buch „Mein Urgroßvater und ich“. Das Eiland, das sich seit 1962 staatlich anerkanntermaßen Nordseeheilbad nennen darf, erfreute sich großer Beliebtheit und erlebte schon zur Mitte des 19. Jahrhunderts einen bis dato nie dagewesenen Andrang von Besuchenden.

Bei einem Rundgang fällt dann allerdings auf, dass die Architektur denn so gar nicht zu der Jahrhunderte langen menschlichen Besiedlung passen möchte, denn die Gebäude atmen alle den Charme des 20. bzw. 21. Jahrhunderts, von altem Baubestand keine Spur. Nanu?

Helgoland - Gasse in der Oberstadt

Gasse in der Oberstadt

Schuld daran tragen Deutsche wie Engländer und die Geschichte ist nicht nur politisch explosiv. Nach dem Übergang in deutsche Hände ließ Kaiser Wilhelm II. auf der Insel eine Basis für die Kaiserliche Marine errichten. Die lieferte sich auch gleich nach Kriegsausbruch 1914 25 Seemeilen westlich von Helgoland ein erstes Seegefecht mit Schiffen der militärisch weit überlegenen britischen Royal Navy, die vier deutsche Schiffe versenkte. Nach der Evakuierung konnte die Bevölkerung ihre Insel erst nach Kriegsende 1918 wieder in Besitz nehmen. Nach einem Rückbau der militärischen Anlagen folgte nach der nationalsozialistischen Machtübernahme aber ein massiver Ausbau des Stützpunktes mit U-Boot-Bunker, Marineartillerie und Luftwaffen-Jagdstaffel. Dazu gehörte auch ein Bunkerstollensystem mit Luftschutzbunker, das durch den Sandstein getrieben worden war. Teile davon sind bis heute zu sehen, wie Ausgänge in Felswänden und der Zivilschutzbunker, der auch besichtigt werden kann.

Helgoland - der ehemalige Flakturm dient heute als Leuchtturm

Der ehemalige Flakturm dient heute als Leuchtturm

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs am 18. und 19. April 1945 wurde Helgoland schließlich zum Ziel der britischen Royal Air Force mit verheerender Wirkung. 7.000 Bomben wurden auf die Insel abgeworfen und die angerichtete Zerstörung machte sie zunächst unbewohnbar, aber das reichte den Briten nicht. Die Bevölkerung war mittlerweile evakuiert, es wehte wieder der Union Jack im Nordseewind in der Deutschen Bucht, da stapelten Experten zwei Jahre später 1947 in Tausenderpacks Torpedoköpfe, Wasserbomben und Granaten in den Bunkeranlagen. Mit einer Gesamtsprengkraft von 6.700 Tonnen sollte das die bis dahin größte nichtnukleare militärische Sprengaktion werden, als wollten sie die Insel endgültig im Meer versenken. Wie wir heute wissen, hat letzteres - ob damals tatsächlich beabsichtigt oder nur billigend in Kauf genommen - nicht geklappt. Nachdem sich der mehrere Kilometer aufsteigende Rauch verzogen hatte, wurde aber deutlich sichtbar, dass die konzertierte Sprengung das Oberflächenbild der Insel nachhaltig verändert hatte. Mit der Zerstörung des U-Bootbunkers am Südhafen entstand etwa das heutige Mittelland. Auch in den Jahren danach blieb das Areal militärisches Übungsgebiet und kam erst 1952 wieder in deutschen Besitz.

Helgoland - Hummerbuden am Binnenhafen

Hummerbuden am Binnenhafen

Helgoland erhob sich also erst ab den 1950er Jahren wie Phönix aus der Asche, was dann eben auch das architektonische Gesamtbild erklärt. Ein Überbleibsel aus der Kriegszeit ist der weithin sichtbare seit 1952 als Leuchtturm genutzte ehemalige Flakturm aus rotem Backstein in der Oberstadt. Die auffälligsten Häuschen aber sind wohl die so genannten Hummerbuden, die sich mit ihren bunt bemalten Holzverschalungen am Binnenhafen aneinander reihen. Der Architekt Georg Wellhausen aus Hamburg entwarf die zweigeschossigen Bauten, die 1952 hier errichtet wurden und heute unter Denkmalschutz stehen. Früher wurden sie von den Fischern als Schuppen und Werkstätten benutzt. Doch die Zeiten sind vorbei, selbst der Bestand des bekannten Helgoländer Hummers ist aus vielfältigen Gründen stark reduziert und man versucht ihn mit aufwändigen Maßnahmen wieder aufzupäppeln, etwa indem man Weibchen mit bereits befruchteten Eiern in den Gewässern aussetzt und hofft, dass möglichst viele der dann geschlüpften Jungtiere überleben, um sich schließlich fortzupflanzen. Der Prozess ist jedoch langwierig.

Helgoland - Hummerfangkörbe

Mit solchen Käfigen werden Hummer gefangen

Seit Anfang der 90er Jahre werden die Hummerbuden nach einem neuen Konzept anderweitig genutzt. So ist aus der Hafenstraße statt einer Straße der Fischer eine touristische Flaniermeile geworden mit Shop von Kunst bis Kommerz, mit Restaurants und Cafés, Vereinen und der Freiwilligen Feuerwehr in der Nachbarschaft.

Um die nur 1km² große Insel zu erkunden braucht man nicht unbedingt einen Plan. Unter- und Oberstadt sind so übersichtlich, dass sich kaum verlaufen kann. Es sei denn, man kostet zu viel von dem Angebot an alkoholischen Getränken und das fällt auffallend üppig aus. Obwohl Helgoland deutsches Staatsgebiet ist, gehören weder Haupt- noch Nachbarinsel zum Zollgebiet der EU, darüber hinaus werden keine Verbrauchssteuern erhoben. Wie zu Zeiten der so genannten Butterfahrten können Besucherinnen und Besucher also unter anderem Alkohol und Zigaretten in beschränkten Mengen zoll- und mehrwertsteuerfrei einkaufen. Ein gutes Geschäft.

Helgoland - Blick hinüber zur Düne

Blick hinüber zur Düne

Von der Unterstadt bringt ein Fahrstuhl Besucherinnen und Besucher in die Oberstadt, kostenlos dagegen ist die Treppe gleich nebenan. Von einer Zwischenebene hat man einen Blick auf die besagte Nachbarinsel, die Düne. Erst eine Sturmflut in der Neujahrsnacht im Jahr 1721 machte die deutlich flachere Insel zur separaten Insel. Überlegungen in jüngerer Zeit, die etwas kleinere Düne wieder fest anzubinden, wurden von der Bevölkerung abgelehnt. Das ist vielleicht auch gut so, denn so bleibt das Eiland von dem Strom der Tagestouristen weitestgehend verschont, denn für einen Besuch via Shuttle-Boot reicht meist gar nicht die Zeit. Entsprechend ruhiger geht es auf der Insel zu, die auch Unterkünfte bietet, Dauergäste und Einheimische bleiben fast unter sich. Fast? Ja, sie müssen sich die Strände mit Seehunden und Robben teilen, die sich ebenso auf dem feinen Sand sonnen und dösen. Nirgendwo an der deutschen Küste kommt man den bis zu 300 Kilo schweren wendigen Schwimmern so nah. Niedlich sehen sie aus mit ihren großen dunklen Augen und dem weichen Fell, dennoch sind es Raubtiere und an Land schneller, als man vermutet, weshalb Vorsicht und respektvoller Abstand von Seiten der Menschen absolut geboten sind. Eben nur angucken, nicht anfassen. Das gilt vor allem für die Zeit von November bis Januar, wenn die Kegelrobben Nachwuchs haben.

Helgoland - Blick von der Ober- auf die Unterstadt, im Hintergrund die Düne

Blick von der Ober- auf die Unterstadt, im Hintergrund die Düne

Die Düne kann sogar aus der Luft erreicht werden. Während der Zeit des Dritten Reiches wollte die Militärführung vor Helgoland einen großen Seehafen errichten, doch viel wurde aus dem Projekt „Hummerschere“ nicht realisiert, fertiggestellt wurde allerdings der Flughafen, der nach wie vor von Kleinflugzeugen angeflogen wird.

 

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Reiseführer Bremen

Sehenswertes in Bremen, Touren durch die Stadt, Tipps und Hintergrundgeschichten ausführlich beschrieben mit vielen Fotos. Darüber hinaus gibt es Ausflugstouren über die Stadtgrenzen hinaus, etwa nach Bremerhaven oder nach Walsrode in den Weltvogelpark.

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Reiseführer Rostock

Die Geschicke der 1265 aus drei Stadtsiedlungen entstandenen Stadt Rostock waren schon immer mit dem Wasser verknüpft. Schon früh war sie ein wichtiger Teil der Hanse und der Handel über See machte die Kaufleute und somit die Stadt wohlhabend, was sich zum Beispiel in der Architektur am Neuen Markt und anderen Teilen der Altstadt bemerkbar macht. Zeugnisse der norddeutschen Backsteingotik haben den Denkmalschutz auf den Plan gerufen, um den Erhalt historischer Gebäude im Stadtkern zu sichern, mit Erfolg.

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Kiel: Top-Sehenswürdigkeiten in der Fördestadt und ein Ausflug nach Laboe

Ein guter Ausgangspunkt um die Stadt heute, Jahrzehnte nach Kriegsende, zu erkunden, ist der zentral gelegene Hauptbahnhof. Auf der Hauptstraße Sophienblatt, die vor dem Gebäude verläuft, treffen alle wichtigen Buslinien zusammen, viel Sehenswertes kann man aber auch problemlos von hier zu Fuß in einem mehrstündigen Spaziergang erreichen.

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Rügen: Wandern und Radfahren rund um Göhren

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Per Rad durch Cuxhavens Seebäder

Leider ist die deutsche Nordseeküste, wenn man von den ost- und nordfriesischen Inseln einmal absieht, von der Natur nicht so reich mit Sandstränden bedacht worden, wie die Anrainerländer Niederlande und besonders Dänemark. Natürlich gibt es auch viele schöne Ecken jenseits der Sandstrände und Sand allein ist nicht alles im Urlaub, aber für viele hat ein Sandstrand eben doch eine große Bedeutung und deshalb steppt in den Sommermonaten in den Seebädern Döse, Duhnen und Sahlenburg vor allem an den Wochenenden der Bär.

Cuxhaven und seine Seebäder Döse, Duhnen und Sahlenburg

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Norden Norddeich

Auf den ersten Blick könnte man den Eindruck gewinnen, das Nordsee-Heilbad sei nur die Transferstation für die Urlauber, die es in Scharen auf die Inseln Juist und Noderney zieht. Aber jenseits dessen zeigt sich Norddeich als weit weniger hektischer und überschaubar kleiner Küstenurlaubsort. In dem staatlich anerkannten Nordseebad wird erst seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts der Tourismus gefördert, offenbar mit Erfolg, wie mehr als 1 Mio. Übernachtungen jährlich zeigen.

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Büsum - Nordsee-Heilbad am Wattenmeer

Einst war Büsum eine Insel, immer wieder bedroht vom „Blanken Hans“. Bedroht von gewaltigen Sturmfluten wie der mehrtägigen Groten Mandrenke im Januar 1362, bei der nach mancher Interpretation das sagenumwobene Rungholt etwas weiter nördlich bei Nordstrand und Pellworm für immer in den Fluten versank. Als die größte Flut des letzten Jahrhunderts 1962 das Nordsee-Heilbad bedrohte, war Büsum allerdings schon lange mit dem Festland verbunden, nämlich seit 1585. Heute zählt der gut 5000-Seelen-Ort im Kreis Dithmarschen zu den wichtigsten Urlaubsorten an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins.

Büsum

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Kurzbesuch in der historischen Altstadt von Heppenheim

Auffälligstes Haus am Großen Markt, dem zentralen Platz inmitten des Ensembles der geschmackvoll restaurierten Fachwerkbauten in der Altstadt, ist das Rathaus. Hoch erhebt sich auf der im Jahr 1551 aus Stein erbauten Halle im Erdgeschoss in kräftigem Rot gehaltenes Fachwerk. Wie etliche andere Häuser in der Stadt fiel auch das Rathaus einem Brand zum Opfer, den französische Besatzungstruppen nach der Plünderung der Stadt 1693 legten. Nur das steinerne Erdgeschoss blieb damals stehen, auf das sieben Jahre später das heutige Barockfachwerk gebaut wurde. Ein Glockenspiel erklingt fünfmal am Tag zwischen 8 Uhr morgens und 10 Uhr abends.

Heppenheim - Altstadt mit Marktbrunnen

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