REIHE UNTERWEGS

Grillen statt Braten

Auf den Spuren der Nürnberger Rostbratwurst

Text und Fotos: Ulrich Traub

Liebe Leute von der Weltgesundheitsorganisation, liebe Vegetarier und Veganer, im Folgenden wird es um die Wurst gehen. Aber sie wird nicht etwa mit einem Warnhinweis gereicht, sondern mit einer Auszeichnung. Es geht auch nicht um irgendeine Wurst, sondern um den Wurst-David, der den Goliaths der Zunft aus Thüringen, Wien und Krakau sozusagen den Senf vom Teller genommen hat.

Die Würstchen (auch mit kleinen Steaks) werden traditionell auf einem Zinnteller serviert. Dazu gibt es Meerretich statt Senf

Die Würstchen (auch mit kleinen Steaks) werden traditionell auf einem Zinnteller serviert. Dazu gibt es Meerretich statt Senf

Die Kleine ist die Größte, freute man sich vor ein paar Jahren in Nürnberg. Die berühmte Rostbratwurst erhielt die europaweit geltende geschützte Herkunftsbezeichnung und unterscheidet sich damit von der gesamten Konkurrenz. Sie darf nur in Nürnberg unter strengen Qualitätsrichtlinien hergestellt werden. Und weil das so ist, sollte man die kleinen Würste, die nur sieben bis neun Zentimeter kurz sein dürfen, auch frisch in der Frankenmetropole verzehren.

Wegweiser: Hier steht Nürnberger Rostbratwurst auf der  Speisenkarte

Wegweiser: Hier steht Nürnberger Rostbratwurst auf der Speisenkarte

Wenn man weiß, dass es einen Bratwurst-Spaziergang gibt und dass man dabei auch nicht lange auf eine historische Einkehr warten muss, ist das Nürnberg-Programm für Wurst-Fans eigentlich klar. Kein Geringerer als Dr. Hartmut Frommer, der ehemalige Stadtrechtsdirektor und oberste Schutzherr der Nürnberger Bratwurst, hat sich diesen Rundgang einfallen lassen. Er führt durch beide Hälften der durch die Pegnitz geteilten Altstadt. Wobei – von alter Stadt kann eigentlich gar nicht gesprochen werden, da Nürnberg zu allergrößten Teilen im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist – und damit auch der Ausgangspunkt der Wurstgeschichte: das „Bratwurst-Glöcklein“ (1).

Der winzige Anbau an der Moritzkapelle im Schatten der Türme der Sebaldkirche galt als eines der berühmtesten Wirtshäuser weit und breit. Erwähnt wurde es erstmalig 1313. Mit der touristischen Entdeckung Nürnbergs im 19. Jahrhundert wurde das „Bratwurst-Glöcklein“ Postkartenmotiv und beliebtes Ziel der Reisenden. Ein Glück für die Einheimischen, dass es jede Menge Ausweichquartiere gab. Das „Glöcklein“ aber wurde so bekannt, dass 1905 sogar ein Nachbau auf der Weltausstellung in Lüttich gezeigt wurde. Heute steht ein neues „Glöcklein“ im Handwerkerhof am Königstor, wo in kleinen Werkstätten Nürnberger Handwerkstraditionen gepflegt werden (u.a. auch ein Lebkuchenbäcker).

Im Schatten der Kirchtürme: Das kleine „Bratwursthäusle“ empfängt seine Gäste an der St. Sebaldkirche

Im Schatten der Kirchtürme: Das kleine „Bratwursthäusle“ empfängt seine Gäste an der St. Sebaldkirche

An St. Sebald, vis-à-vis vom monumentalen Rathaus im Renaissance-Stil, empfängt nun das „Bratwursthäusle“ die Hungrigen. Die Endung -le (oder auch -la), der fränkische Diminutiv, zeigt es: Auch dieses Gasthaus ist eher klein. Ob deshalb die Würste winzig sind und Wörschdla heißen? Eine andere Erklärung liefert eine Nürnberger G'schichtla. Die Rostbratwürste seien deshalb so klein, weil man sie nach der Sperrstunde weiterverkaufen wollte – durchs Schlüsselloch.

Symbol Nürnberger und deutscher Historie: das Rathaus aus dem 17. Jahrhundert, wiederaufgebaut nach 1945

Symbol Nürnberger und deutscher Historie: das Rathaus aus dem 17. Jahrhundert, wiederaufgebaut nach 1945

Wer durch die Stadt spaziert, wird über- all die Werbung für „Drei im Weggla“ sehen: drei Würstchen im Brötchen, für die Eiligen. Wer mehr Zeit zum Verzehr hat, suche eine der zahlreichen Bratwurststuben auf. Hier werden, traditionell auf einem Zinnteller, entweder sechs, acht, zehn oder zwölf Würstchen gereicht mit Sauerkraut oder Kartoffelsalat oder Brötchen und immer mit Meerrettich, weniger mit Senf. Eine ungerade Anzahl Würste auf dem Teller käme einem Skandal gleich, hört man.

Grillen statt Braten: Über Buchenholzfeuer werden die Nürnberger  Rostbratwürstchen gegrillt – hier im „Gulden Stern“

Grillen statt Braten: Über Buchenholzfeuer werden die Nürnberger Rostbratwürstchen gegrillt – hier im „Gulden Stern“

Wenn einem der Geruch von Buchenholzfeuer in die Nase steigt, ist man seinem Ziel ganz nah. Denn die Rostbratwurst ist eigentlich eine Grillwurst, wird sie doch über offenem Feuer gegrillt. Bratwurst heißt sie, weil sie Brät enthält, kleingehacktes Schweinefleisch, das in Nürnberg ausschließlich von der Lende stammt: ein Qualitätsmerkmal.

Im „Gulden Stern“ (2), der ältesten Bratwurstküche der Welt (anno 1419), kann man dem Grillmeister bei der Arbeit zuschauen - und seinen Appetit steigern. Währenddessen erreicht ein zweiter Duft die Nase: Majoran. Das einst exotische, aus Kleinasien stammende Gewürz ist seit je wichtiger Geschmacksträger des Würstchens. Da man in der reichen Handelsstadt schon im Mittelalter auf Gewürze zurückgreifen konnte, bekam die Nürnberger Spezialität ihre besondere Note.

Hereinspaziert: älteste Bratwurstküche der Welt, „Zum Gulden Stern“ von 1419

Hereinspaziert: älteste Bratwurstküche der Welt, „Zum Gulden Stern“ von 1419

Der Handel hatte die fränkische Stadt reich gemacht, das bezeugen die wiederaufgebauten Gebäude vermögender Patrizierfamilien wie das Fembo- und das Schürstabhaus. Auch Würste ließ man sich schon zu jener Zeit schmecken. Die erste Qualitätsverordnung, die die ausschließliche Verwendung von Schweinefleisch festschrieb, ist bereits für das 14. Jahrhundert belegt. Bei den berühmten Schembartläufen, die im 15. und 16. Jahrhundert an Fasnacht stattfanden, trug man sie sogar als Zierde am Gewand.

Der Bratwust-Spaziergang führt zu historischen Orten wie den Fleischbänken oder dem früheren Säu-, der jetzt Trödelmarkt heißt, der Waag- oder der Pfannenschmiedgasse und den vielen Stätten, an denen einst Garküchen Würste verkauft haben. Wer feststellt, dass im einstigen Fleischhaus ein amerikanischer Kaffeeausschank seine Kunden duzt, der wird sich darüber freuen, dass die Rostbratwurst und mit ihr einige traditionelle Wirtshäuser überlebt haben. Über Goethe, der selbstredend auch vom Essen etwas verstand, wird erzählt, dass er sich die Würste nach Weimar schicken ließ. Ob er nicht wusste, dass sie in ihrer Heimat am besten schmecken?

Hier geht’s mal nicht um die Wurst: Ein Besuch im Dürerhaus (Mitte) an der Kaiserburg gehört zum Pflichtprogramm in Nürnberg

Hier geht’s mal nicht um die Wurst: Ein Besuch im Dürerhaus (Mitte) an der Kaiserburg gehört zum Pflichtprogramm in Nürnberg

Reiseinformationen

Informationen

Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg: 0911/23360, www.tourismus.nuernberg.de

Bratwurst-Lokale

„Zum Gulden Stern“, Zirkelschmiedsgasse 26
„Bratwurstherzle“, Brunnengasse 11
„Goldenes Posthorn“, Glöckleinsgasse2

Bratwurst-Spaziergang

0911/9373877, www.nuernberger-bratwuerste.de

Hausbrauerei

Im Altstadthof (Bergstraße 19) kann man Bio-Rotbier probieren, ebenfalls eine Nürnberger Spezialität.

 

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