REIHE UNTERWEGS

Von Pumpernickel, „Töttchen“ und „Schnäpsken“

Deftiges aus Küche und Keller im Münsterland

Text und Fotos: Hilla Finkeldei

Münsterland und Pumpernickel - das gehört zusammen. Doch das schwarze Brot ist nicht jedermanns Sache. Von wegen knusprig und kross - zäh und beinahe klebrig ist seine Konsistenz. Von wegen ofenfrisch - warm ist es nicht einmal schneidfähig. Ein „harter, schwarzer und klebriger Stein“, wie der französische Philosoph Voltaire den Pumpernickel einst nannte. Doch unsere Autorin Hilla Finkeldei hat sich von solchen Äußerungen nicht abschrecken lassen und versichert, dass das Münsterland allemal einen kulinarischen Ausflug wert ist. Ihre besondere Empfehlung: die alten Landgasthäuser.

Münsterland / Pumpernickel und Schinken

Pumpernickel und echter westfälischer Schinken

Schon wer die Tür öffnet, glaubt sich in eine andere Zeit versetzt. Nachbildungen historischer Kanonen des Wiedertäuferaufstandes 1660, Jahrhunderte alte Fliesenornamente und kunstvolle Glasmalerei fallen im Alten Gasthaus Leve gleich ins Auge. Küchendüfte, durchsetzt mit den hier und da aufsteigenden Zigarrengerüchen der Alteingesessenen kitzeln die Nase. Warmes Licht, dunkles Holz und fleißige schwarz-weiß gewandete Kellner erwarten den Gast.

Kreativ und deftig

Und dann die Speisekarte: Weidenschaf-Filets mit grünen Böhnchen oder „Himmel und Erde“ mit Blutwurst - die westfälische Küche ist unter dem jetzigen Inhaber Josef Horstmöller längst über „Mönch und Nonne“, eine Hälfte Pumpernickel und eine Hälfte Stuten, hinausgewachsen. Sie bietet dem Gast stattdessen verblüffende Variationen der traditionellen Rezepte. Haben Sie schon einmal Pumpernickel-Pudding gegessen? Wie wäre es mit „Wild ohne Wild“ für Vegetarier? Und mit Lachs und Meerrettichsahne lockt der Pumpernickel jeden noch so verwöhnten Gaumen. Erst recht nach einer Fahrradtour entlang der Münsterländer Schlösser-Route, nach einer Kanufahrt auf der beschaulichen Werse oder im Keller der Burg zu Droste-Hülshoff.

Münsterland / Auszug Speisekarte

Auszug aus der Speisekarte des Alten Gasthauses Leve

Kreative Köche haben aus den traditionell deftigen Gerichten des Münsterlandes wahre Leckereien geschaffen, und so kann man im Alten Gasthaus Leve neben den obligatorischen Schlachtplatten mit Schwarzbrot oder dem Münsterländer Töttchen aus süß-saurem Schweins- oder Kalbskopf auch eine westfälische Quarkspeise mit Rum, Kirschen und Pumpernickel genießen. Zwar ging man bei der Eröffnung 1607 noch „In die drei Könige“ zum Essen und von 1765 an traf man sich „Zum Cardinal“, doch seit der Übernahme durch Johann Bernhard Leve aus Warendorf im Jahre 1805 erfreuen sich die Besucher im „Alten Gasthaus Leve“ an dessen historischen Dekorationen, den Delfter Kacheln, den rustikalen Möbeln und den vielseitigen Menüs.

Münsterland / Delfter Stübchen

Delfter Stübchen im Alten Gasthaus Leve

Ein scheußlicher Fraß?

In den vom Roggenanbau geprägten Landstrichen wie dem Münsterland, wo das tägliche Frühstück zumeist aus einer Brot-Milch-Suppe bestand und die Speiseauswahl der kleinen Leute kaum über Buchweizenpfannkuchen mit diversen Füllungen hinausging, entstand das „schwärzeste Schaf“ unter den Brotsorten, der Münsterländer Pumpernickel. Doch schon früh war das dunkle Brot nicht von allen geschätzt. Voltaires abfällige Bemerkung wurde schon zitiert, und die Historie weiß auch vom Entsetzen zu berichten, das im Speisesaal ausbrach, als die internationalen Delegationen am Ende des Dreißigjährigen Krieges in Münster zu Friedensverhandlungen zusammenkamen. Der päpstliche Nuntius Fabio Chigi jedenfalls sprach von „einem scheußlichen Fraß, den man selbst Bettlern und Bauern nicht vorwerfen kann!“ Ein Wunder, dass die Verhandlungen 1648 trotzdem vom Westfälischen Frieden gekrönt wurden.

Münster / Friedenssaal

Wiege des Westfälischen Friedens 1648 – Friedenssaal der Stadt Münster

350 Jahre später hat der bitter-süße Pumpernickel seinen Siegeszug durch die Welt angetreten. Von Schottland über Mexiko bis Australien genießen Kenner mittlerweile das grob geschrotete Backwerk. In keiner Delikatessenabteilung darf es fehlen. Und das aus gutem Grund: Denn ersetzen wir einfach das nörglerische „zäh“ durch ein bejahendes „saftig“ und geben dem zart duftenden Schwarzbrot eine Scheibe frisch geschnittenen westfälischen Schinken mit auf den Weg, so öffnen sich die Sinne für einen Genuss der besonderen Art.

„Schwarzes Gold“ auf jedem Büffet

Und was die Ofenfrische angeht, so kann man mit einem Baguette oder dem italienischen Ciabatta schon am zweiten Tag einen Feind erschlagen, werte Herren Voltaire und Chigi, der Pumpernickel aber behält seinen würzig-süßen Geschmack und seinen unverkennbaren Biss noch Wochen, sei es am kalten Pol oder im heißen Spanien. Auch das und sein daher unproblematischer Transport über die Meere dieser Welt ist wohl ein Grund für den weltweiten Erfolg dieses einzigartigen Backwerks. Ganz zu schweigen davon, dass schon die außergewöhnliche Farbe des „schwarzen Goldes“ jedes Büffet bereichert.

Die Herkunft des seit dem siebzehnten Jahrhundert verbrieften Namens liegt im Gegensatz zu seinem Erfolg eher im Dunklen. Die Legenden reichen von einem Bäcker, den der Teufel dazu verflucht hatte, niemals mehr helles Brot aus dem Ofen zu ziehen über einen französischen Soldaten, der es mit dem Kommentar „C’est bon pour Nicole“ nur seinem Pferd anbieten mochte, bis hin zu den Osnabrücker Stadtherren, die es bei einer Hungersnot schon um 1450 als „bonum paniculum“, gutes Brot, verteilt haben sollen. Die am wenigsten schmeichelhafte, wenn auch durchaus plausibel klingende Theorie ist wohl, der Pumpernickel verdanke seine Bezeichnung der - besonders für ungeübte Mägen - schweren Verdaulichkeit. Ein „Pumper“ hatte auf Plattdeutsch die Bedeutung „Stinker“ und ein „Nickel“ war ein Frechdachs. Der Pumpernickel also ein geruchvoller Poltergeist?

Bitter-süßes Kauvergnügen

Münster / Kiepenkerl  Denkmal

Kiepenkerl-Denkmal der wandernden Händler im Münsterland

In jener Zeit, als die hiesigen Händler aufgrund ihrer geschulterten Weidenkörbe noch „Kiepenkerle“ genannt wurden, da buken die „Kötter“, die Bauern des Münsterlandes, ihr Schwarzbrot noch selbst. Heute produzieren zumeist spezialisierte Großbäckereien das schwarze Gold. Immerhin 90 Prozent Roggenvollkornschrot wird benötigt und mit Altbrot und Wasser zu einem Sauerteig vergoren, der dann 20 bis 24 Stunden lang bei nur 110 Grad eher dampfgegart als tatsächlich gebacken wird. Diese Vorgehensweise sorgt dafür, dass sich keine brottypische Kruste bildet und neben der schwarz-braunen Farbe der charakteristische bitter-süße Geschmack entwickelt. Die ehemals kritisierte „schwere“ Verdaulichkeit wird gerade in unserer an Ballaststoffen armen Zeit besonders geschätzt. Im Gegensatz zu Hamburgerbrötchen ohne sichtliches Kauvergnügen bekommt der Pumpernickel von Zahnärzten und Diätköchen das Güteprädikat „wertvoll“.

Nicht nur mit Schinken belegt und mit einem klaren „Schnäpsken“ angereichert, erfreut sich der Pumpernickel großer Beliebtheit in den unzähligen Münsterländer Landgasthäusern mit ihren Kaminfeuern und den liebevoll restaurierten historischen Schankräumen. Schließlich kehrt man gern ein, wo frischer Rotkohl und krosse Schweinerippchen duften und wo geräucherte Mettendchen über dem Kamin auf hungrige Wanderer warten. Das Münsterland beherrscht neben der Zucht glücklicher Kühe und schneller Pferde eben auch die besondere Note der traditionellen Gastlichkeit. Und wer zum Schlemmen auch noch ein wenig Sprachforschung betreiben möchte, der kann dies zum Beispiel im Gasthof Arning in Everswinkel tun, denn dort ist selbst die Speisekarte auf plattdeutsch verfasst. Und auf plattdeutsch klingt auch die Lebensweisheit der Münsterländer überzeugend: „Iatten und Drinken häolt Liew und Siäl biäneen. Up dusend Jaohr gesund!“

 

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