Sehenswürdigkeiten in Berlin

DDR - Museum

Nicht das politische und gesellschaftliche Werden der DDR allein steht im Mittelpunkt der Präsentation, sondern vor allem das Alltagsleben hinter Mauer und Stacheldraht. Doch mit der Erweiterung des Museums werden nun auch die Blicke verstärkt auf die Stasi, die NVA und den Staatsapparat gelenkt. Hautnah kann man auch die Mangelsituation im DDR-Alltag erleben, die durch Westpakete gemildert wurde. Dass manche „gleicher“ waren, erfährt man, wenn man sich mit der Warenwelt des Intershops und der Exquisitläden befasst. Interaktive Stationen fordern den Besucher dazu auf, Schubfächer und Türen zu öffnen, die interessante Exponate und erklärende Textbausteine enthalten.

Als Einstieg wird ein Stück deutsch-deutscher Geschichte gezeigt: die Grenzanlagen der DDR – als Diorama. Auf der Westseite ist die Mauer mit Graffiti verziert, im Osten grau. Im Brachland steht ein einsamer Beobachtungsturm. Weiter auf DDR-Gebiet befindet sich ein geharkter Sandstreifen vor dem Kolonnenweg, ehe eine weitere Befestigungsmauer und ein Drahtzaun jede Hoffnung auf Entkommen – im DDR-Jargon der illegale Grenzübertritt – unmöglich machen. Begeben wir uns also hinter die Mauer und in den DDR-Alltag!

Ein Blick in Erichs Lampenladen

In Erichs Lampenladen, dem Palast der Republik, der unweit vom Museumsstandort stand, ging man zum Jugendball, Diskoabend und zu Konzerten. Was auf der Speisekarte des Restaurants stand, kann man nachlesen: Gulaschsuppe nach Discjokeyart, Fleischcocktail Feuertanz, Haselnussmus mit Sahne. Auch das Geschirr, das einst im Palast der Republik benutzt wurde, ist im Museum zu sehen: Teller und Tassen mit Goldrand und P&R-Logo in schwungvoller Schreibschrift. Eine gute Adresse zum Ausgehen war das Café am Palast, wo man sich mit dem Eisbecher Florida für 5,65 Mark verwöhnen lassen konnte oder aber geräucherte Lachsforelle mit Brot bestellte, die nach Gewicht bezahlt wurde.

Die Kraft der zwei Kerzen

Mit der Mobilität in der DDR war es nicht weit her. Auf einen fahrbaren Untersatz musste man Jahre warten. Die Kraft der zwei Kerzen, der Trabant, auch Rennpappe genannt, stand für die meisten Käufer erst nach 16 Jahren zur Abholung bereit. Kein Wunder also, dass in den 1980er Jahren nur 50% der DDR-Haushalte motorisiert waren. So nutzte man halt den spottbilligen öffentlichen Nahverkehr, fuhr mit der Tram oder dem Ikarus-Bus: Für ein Straßenbahn- oder S-Bahn-Ticket zahlte man gerade mal lächerliche 20 Pfennige – oder auch nicht!

trabant

Wer stolzer Besitzer des Trabants 601 war, bekam gleich ein Handbuch und das Verzeichnis der Vertragswerkstätten mitgeliefert. Ersatzteile allerdings musste man schon selbst organisieren. Besucher der Ausstellung können in einem Trabant P 50 (1958) Platz nehmen und sich ein Urteil über den Sitzkomfort bilden. Wer allzu groß geraten ist, hat allerdings erhebliche Probleme, sich hinter die Lenksäule zu zwängen. Im Kofferraum sind die Schätze jedes Trabant-Fahrers aufbewahrt, ob Isolatoren, Radkreuz oder Ersatzscheinwerfer und andere Kleinstteile. Kann man sich heute eigentlich vorstellen, dass ein Auto gebaut wird, das keine Tankanzeige hat? Nur am Ruckeln des Fahrzeugs wusste der Trabant-Besitzer, dass er nun den Reservetank nutzen musste, der zwei Liter Kraftstoffgemisch enthielt. Wer nicht auf einen Trabant hoffen wollte, der kaufte, so wie der Magdeburger Gerald Witter einen Moskwitsch für 17422 Mark, wie man dem ausgestellten Kaufvertrag entnehmen kann. Auch Skoda war eine Alternative zum Eigengewächs der DDR, so kann man dem Bestellschein 150016/001757 auf den Namen Dr. Dressler entnehmen.

Unterwegs auf Transitwegen

Wer als Westdeutscher nach Westberlin reiste, der musste drei Korridore benutzen, die für den Transitverkehr bestimmt waren. Abweichungen von diesen Fahrwegen waren nicht gestattet und wurden bestraft. Besuche in der DDR bedurften eines Visums. Für den Geldumtausch bekam man eine Mitnahmebescheinung der Staatsbank der DDR über Zahlungsmittel. Und auch in Berlin war der Verkehr eingeschränkt, nachdem die Mauer errichtet worden war: U-Bahnen und S-Bahnen, die von Süden nach Norden verkehrten, fuhren ohne Halt durch die für DDR-Bürger gesperrten Bahnhöfe. U- und S-Bahnen im Ostteil der Stadt endeten an der innerdeutschen Grenze, wie man aus einem alten Übersichtsfahrplan ersehen kann.

Jugend nach Plan

Keine Frage, ab der 1.Klasse trat man den Jungen Pionieren bei und trug das rote Halstuch, später in der Pubertät wechselte man ins Blauhemd der FDJ. Altstoffsammlung, Ferienlager und Jugendweihe waren für Kinder und Jugendliche in der DDR keine Fremdwörter. In einem aufklappbaren Schrank finden wir ein Blauhemd, das blaue Mitgliedbüchlein und das Liederbuch der FDJler. Auch der FDJ-Wimpel gehörte zur Grundausstattung fast aller Jugendlichen in der DDR. Ob allerdings das Liederbuch »Für unser junges Berlin« häufig von FDJlern genutzt wurde, bleibt ein Geheimnis.

ddr-frauentag

Lange Haare, Irokesenschnitt

Wer aus der Reihe tanzte, gar als äußerliches Zeichen des Protestes lange Haare trug, hatte wenig zu lachen. Er geriet ins Fadenkreuz von linientreuen FDJlern und Polizei, die die »Gammler« verhafteten und einsperrten. Und auch die Haarpracht musste dran glauben. Neben den so genannten Gammlern etablierte sich in der DDR auch eine Punkszene, die mit dem A im Kreis als Logo – das A steht für Anarchie –, Irokesenschnitt und exzessivem Bierkonsum – ob Radeberger Luxusklasse oder Bockbier – auf sich aufmerksam machten. Protest war auch die Umweltbewegung, die in der Zionskirche in Berlin-Prenzlauer Berg ihr Domizil hatte und mit einem Matrizendrucker Flugschriften produzierte und in Umlauf brachte – sehr zum Ärgernis der Staatssicherheit, die Aufruhr vermutete.

DDR-Nackedeis

FKK war in der DDR Kult, muss man vermuten, wenn man in einem Diorama die Nackten am Ostseestrand sieht. Fotos und Filme zeigen das splitternackte Vergnügen nicht nur am Strand und im Meer, sondern auch auf dem Tennisplatz. Reisekoffer, Orwo-Filme, Kameras und der Auto-Atlas der DDR sind ausgestellte »Fundstücke« zum Thema Freizeit und Urlaub. Dazu gehören auch DDR-Reisepass und RP-Handrasierer sowie der Urlauberausweis für einen Aufenthalt im FDGB-Heim in Klink an der Müritz.

Wenn der Mensch lebt

Rockmusik sprach die Jugend im Osten ebenso an wie im »dekadenten Westen«. Gespielt wurde im Radio überwiegend Musik mit deutschen Texten, anfänglich auch von der Klaus Renft Combo. Karat und Puhdys waren die Kultbands der DDR. »Über sieben Brücken musst du gehen« wurde auch im Westen ein Hit und Udo Lindenbergs »Sonderzug nach Pankow« durfte auch im Osten Hörer erfreuen. An vier Hörstationen können die Besucher noch einmal dem Sound des DDR-Beats lauschen.

Kollektives Topfen

Doch das Ausbrechen aus dem grauen Alltag, das sich im Tragen von Jeans oder in bunten Irokesenschnitten ausdrückte, hatte Grenzen. Das Leben war weitgehend reglementiert. Das Kollektiv stand über dem Einzelnen. Das gemeinsame Töpfchengehen in der DDR-Kita ist dafür ein Indiz. Ob allerdings hier der autoritäre Charakter geformt wurde, der DDR-Bürger für Nazi-Ideologie empfänglich macht, ist eine These – nicht mehr und nicht weniger.

Mode aus Polyester

Was das Modeinstitut Berlin seit 1952 entwarf und in Polyester Fabrikat Präsent 20 produzierte, war alles andere als tragbar. Der Griff in den Kleiderschrank mit dem weiß gepunkteten schwarzen Kleid und dem lachsfarbenen, weiß gepunkteten macht sinnlich erfahrbar, welcher Stoff auf der Haut getragen wurde. Der Mangel an Baumwolle als Material führte zur Nutzung von Kunststoffen. Wer einen Baumwollmantel haben wollte, der musste 1970 schon einen Monatslohn auf den Tisch der Exquisit-Läden legen.

Helden des Sports ...

... begegnen Besucher beim weiteren Rundgang: Katarina Witt, Täve Schur, Helmut Recknagel und der DDR-Nationalelf, die 1974 beim WM-Spiel in Hamburg die Mannschaft der Bundesrepublik im Gruppenspiel mit 1:0 besiegte. „Man hatte den Klassenfeind bezwungen!“ Dass Drogen beim Spitzensport im Spiel waren, verrät das Päckchen Turinabol in einer Schublade, das anabole Steroid, mit dem man in der DDR ab den 1970er Jahren für Spitzenleistung sorgte.

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Man machte in Platte

Medien dienten dazu die Parteilinie und Parteitagsbeschlüsse zu vermassen, so auch das Wohnungsbauprogramm des 9. Parteitages der DDR. Man modernisierte und baute die Platte, die auch eine Sanitärzelle besaß, sprich ein Badezimmer, das eher einer Zelle glich. In Großplattenwerken wurden 7000 Wohneinheiten im Jahr hergestellt. Ab 1971 kam das standardisierte Hausprogramm WBS 70 zum Tragen. Elf Geschosse konnten dann in 110 Tagen hochgezogen und bezugsfertig übergeben werden. Seitdem bestimmte die Platte das DDR-Alltagsleben. Der Schriftsteller Heiner Müller nannte die Plattenbausiedlungen an den Stadträndern „Fickzellen mit Fernheizung“. Gängig war der Terminus „Arbeiterschließfächer“!

Ein Blick in die gute Stube

Wie das Wohnen in der Platte aussah, kann man hautnah erfahren, wenn man eine inszenierte Wohnung betritt. Im Fernsehen läuft gerade der Schwarze Kanal mit Eduard von Schnitzler. Im Küchenschrank steht schon die Torte für Mutti bereit, die sie anlässlich des Frauentages anschneiden darf. Eine kurze Filmsequenz zeigt den Frauenalltag zwischen Kindergarten, Arbeit und Haushalt.

Hinter einer Nebelwand ...

... geht es weiter: Hat man den „Nebelschleier“ durchschritten, steht man in dem Teil des Museums, der sich mit dem Staatsgefüge der DDR befasst, mit NVA, RGW, Volkskammer und Stasi: Eine speziell isolierte Tür führt in den Vernehmungsraum der Stasi-Zentrale. Hier wird der Besucher zum Verhör gebeten. Hartnäckig sind die Fragen, gleißend die Lampe, die dem Verhörten ins Gesicht strahlt. Nebenan wartet dann eine spartanisch eingerichtete Zelle auf die Besucher, die sich ein Bild von den Haftbedingungen eines Gefangenen machen wollen. Nur akustisch schlägt die schwere Zellentür zu. Was wäre nur, wenn sie sich wirklich schließen würde? Für die Gefangenen der Stasi gab es die Drohung „Du wirst reden. Wir haben Zeit“ mit auf den Weg. Schlafentzug, Einzelhaft, keine Lektüre und kein Anwalt – das waren die Maßnahmen, mit denen die Stasi Regimegegner mürbe und gefügig machte. Die Stasi war Schild und Schwert der Partei, eine Überwachungsbehörde, wie es sie auch in den sogenannten Bruderstaaten gab.

ausstellung

Ich liebe und beschütze meine Heimat

Mit den Bruderstaaten, so erfährt man auf dem Rundgang, war die DDR auf unterschiedliche Weise verbunden. Im Straßenbild gab es IKARUS-Busse und TATRA-Straßenbahnen oder den Belarus-Traktor – alles Industrieprodukte, die im Rahmen des RGW ihren Weg in die DDR fanden. Sie sind in Modellen in der Ausstellung zu sehen. Zu sehen ist aber auch das grüne Telefon mit abhörsicherer Leitung, über die sich Honecker und Breschnew unterhalten konnten. Zum System der Bruderstaaten gehörte – das enthält die Schau dem Besucher nicht vor – ein Heer von Soldaten mit entsprechender Bewaffnung. Auf die Waffenbrüderschaft und die Wehrertüchtigung legte man großen Wert. Bereits die Kleinsten lernten den Umgang mit Handgranaten, wenn auch nur mit solchen aus Holz. Mathematikaufgaben lauteten teilweise so: „Von einer Gruppe Soldaten sind 24 Soldaten im Unterricht, 4 stehen Wache. Wie viele Soldaten gehören zur Gruppe.“ Ein Blick in eine Unterrichtsstunde – in Schwarz-Weiß gefilmt – verdeutlicht, dass selbst eine Thema wie Wetter mit Wehrkunde zu verknüpfen war.

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NVA- oder Bausoldat – das war die Frage

Mit18 Jahren kam man zur NVA. Drill, Drill und nochmals Drill standen dann auf dem Tagesprogramm. Gebrüllt wurde von Vorgesetzten beim kleinsten Vergehen. „Ich werde Sie Lesen lernen. Lesen Sie Zigarettenkippen auf“ ist einer der O-Töne, die man vernimmt. Bei einem Blick in einen Soldatenspind sieht man nicht nur die Uniformteile, sondern auch die wenigen persönlichen Habseligkeiten. Feldflasche, Kenton-Zigaretten, Rex-Pils und Goldbrand 32 % vol. alc. waren für viele die treuen Begleiter der Armeezeit. Wehrdienstverweigerung gab es in der DDR – man musste dann als Bausoldat ohne Waffe dienen. Die Zahl der Verweigerer stieg zwischen den 1960er und späten 1980er Jahren sprunghaft an. Wer allerdings aus der Reihe tanzte, der wanderte ins Militärgefängnis in Schwedt und dort zeigte man dann jedem Insassen, wo der Hammer hängt.

radiostern

Brüder reicht Euch die Hände

Einen Exkurs zum 17.Juni 1953 präsentiert man im DDR-Museum ebenso wie einen Einblick in die Lebensumstände der Nomenklatura. Die Untertanen sehnten sich nach dem Trabant, die Bonzen fuhren im noblen Volvo. Also bitte einsteigen, liebe Besucher, und Platz nehmen in einer der Staatskarossen des Arbeiter- und Bauernstaates. Es handelt sich dabei um einen Volvo 264 TE, den sich die Bonzen in der klassenlosen Gesellschaft gönnten. In der Enklave Wandlitz lebten die Herren Parteioberen in Saus und Braus mit Blauem Bisonwodka und Philips Fernseher.

Broiler und Dispatcher

Aber das DDR-Museum wäre nicht das DDR-Museum, wenn nicht neben der Darstellung der Entwicklung des Staats auch der Alltag zu seinem Recht käme. So wird man dank eines Schaltbretts mit den Eigenheiten der DDR-Sprache konfrontiert: Was ist ein Dispatcher? Worum handelt es sich bei Ketwurst? Was ist Popgymnastik? Kann man Broiler essen? Wann kann man das Fingerkarussell bewundern? Wer die richtigen Kontakte auf einem Schaltbrett steckt, wird die Fragen beantwortet bekommen.

Reisekader und Reisemündigkeit ab 65

Dass mann entweder Reisekader oder reisemündig sein musste oder aber einen Ausreiseantrag gestellt haben musste, um die DDR zu verlassen, thematisiert die Schau ebenso wie die Tatsache, dass 25 Millionen Päckchen der Westverwandtschaft bei den Brüdern und Schwestern für gute Laune sorgten, ob Perlonstrumpfhosen, Levi's Jeans oder Erbseneintopf von Knorr das Paket füllte. Wer mehr darüber wissen möchte, lauscht den „Grenzerfahrungen“ von Kevin und Hartmut.

Verlängerte Werkbank und Technologierückstand

Dass die DDR ein Billiglohnland und die verlängerte Werkbank für Firmen wie Beiersdorf, Schiesser und Salamander war, wird für den einen oder anderen Besucher etwas Neues sein. Technologisch jedoch war die DDR-Produktion rückständig. Erst 1988 war der 1-MB-Chip marktreif, aber 100mal teurer als das vergleichbare Westprodukt. Gespottet wurde über manches Ost-Produkt: „Was passiert, wenn drei Trabis in einen Unfall verwickelt sind? Man feiert eine Tupperparty.“

domklause

Schlussbetrachtung

Auf engem Raum bietet das Museum einen kompakten Überblick über den Alltag in der DDR. Insbesondere die Vielfalt der Medien ist ein Plus der Ausstellungsinszenierung. Wie die DDR schmeckt, kann man in der Domklause testen. Hier gibt es zum Frühstück Arme Ritter oder das Nudossi-Frühstück. Wie wäre es mit Krusta-Salami-Pizza, zwischen 1984 und dem Ende der DDR die viereckige Ostvariante der italienischen Pizza. Jägerschnitzel auf Spirelli ist nicht das, was man denkt, sondern panierte Jagdwurst auf Nudeln in deftiger Tomatensauce. Den Goldbroiler, der serviert wird, gibt es für den stolzen Preis von 10,90 Euro. Die Domklause (http://www.ddr-restaurant.de) ist auch unabhängig vom Museum zu besuchen.

DDR-Museum
Spreepromenade/Liebknechtbrücke
Karl-Liebknecht-Str.1
10178 Berlin
Tel.: 0 30/8 47 12 37 31
post@ddr-museum.de
Öffnungszeiten
tägl. 10-20 Uhr

 

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