Vom Ölberg in die Schenke

Ohne Diätplan: Fastenzeit im Altmühltal

Text und Fotos: Ulrich Traub

Altmühltal

Im abgedunkelten Kirchenraum wird das beleuchtete Kreuz, das auf einer lebensgroßen und beweglichen Jesus-Figur im Garten Gethsemane lastet, nach oben gezogen. Von dort senkt sich daraufhin eine kleine Bühne, auf der ein Junge einen Engel verkörpert. Mit kräftiger Stimme singt er seine tröstenden Verse. Schließlich reicht er Jesus, der sein Leiden angenommen hat, dreimal den Kelch.

Bewegend ist das in mystischer Atmosphäre aufgeführte Ölbergspiel in der Franziskanerkirche in Dietfurt (1) im Altmühltal. Es zeigt an den Donnerstagen der Fastenzeit die Angst Jesu Christi einen Tag vor seinem Tod am Kreuz. Entstanden ist das von Chorgesängen begleitete Spiel aus den noch älteren Ölbergandachten. Die Aufführung sollte der Bevölkerung, die zu weiten Teilen aus Analphabeten bestand, die religiösen Inhalte eindringlich vor Augen führen. In Dietfurt fand 1680 erstmalig ein Ölbergspiel statt.

Altmühltal - Das Kreuz senkt sich auf Jesus. In Berching werden sowohl Engel als auch Jesus von Darstellern, die auch singen, gespielt

Das Kreuz senkt sich auf Jesus. In Berching werden sowohl Engel als auch Jesus von Darstellern, die auch singen, gespielt

Noch weiter zurück reicht die Tradition im benachbarten Berching (2). Hier wurde die erste Aufführung bereits Ende des 16. Jahrhunderts gezeigt. Heute findet das Spiel in der Kirche St. Lorenz statt, wo auch Jesus von einem Darsteller gespielt wird. In Dietfurt singt Karl Mayerhöfer die Jesus-Partien dagegen aus dem Off - schon seit fast 40 Jahren. „Die Teilnahme am Spiel hat für mich nicht nur religiöse Gründe, sondern ist auch Traditionspflege.“
Der ist es zu verdanken, dass die nicht nur in der Zeit der Aufklärung verbotenen Spiele an einigen Orten wieder eingeführt wurden und überlebt haben. Das Volk wollte es so. „Texte und Lieder wurden über die Jahrzehnte zwar verändert“, weiß Mayerhöfer, „aber der Kern der Volksandacht ist unberührt geblieben.“ Wer feststellt, dass die Kirchen meist bis auf den letzten Platz gefüllt sind, wird das gerne glauben.

Altmühltal - Der Engel reicht den Kelch. In Berching werden sowohl Engel als auch Jesus von Darstellern, die auch singen, gespielt

Ölbergspiel in Berching

Vorbei an der Ölberg-Kapelle der Lorenz-Kirche spaziert man über eine alte Brücke ins Zentrum des von Mauern umwehrten Mittelalter-Städtchens Berching. Gut zu wissen, dass die Gastronomie im Altmühltal die Fastenwochen als Gelegenheit aufgegriffen hat, besondere kulinarische Angebote zu offerieren. Denn in dieser stillen Region abseits der Metropolen liegen Glaube und Genuss nicht weit auseinander. Als Mittler fungiert die Tradition, was in diesem Falle bedeutet: Gekocht wird mit regionalen Produkten. Und da hat das Altmühltal einiges zu bieten. Nach der schweren Kost des Ölbergspiels die leichte zur Sättigung sozusagen.

Altmühltal - Stadt hinter Mauern: Das mittelalterliche Berching an der Sulz wird noch komplett von einer historischen Stadtmauer beschützt

Stadt hinter Mauern: Das mittelalterliche Berching an der Sulz wird noch komplett von einer historischen Stadtmauer beschützt

Matthias Sippl ist Küchenchef in der „Gams“ in Beilngries (3), dessen bunte Kirchtürme schon von Weitem auf das
Städtchen aufmerksam machen. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Angebot der regionalen Produzenten und wenn ich von unserem Fischhändler und seiner eigenen Zucht erzähle, gerate ich immer ins Schwärmen.“ Aber auch vom nahen Kloster Plankstetten (4) ist der Küchenchef sehr angetan. „Die Brüder sind Vorreiter der Bio-Bewegung hier bei uns“, informiert Matthias Sippl.

Altmühltal - Erkennungszeichen: die schon von Weitem sichtbaren, bunten Türme der Kirche von Beilngries; davor ein mit bemalten Eiern geschmückter Osterbrunnen

Erkennungszeichen: die schon von Weitem sichtbaren, bunten Türme der Kirche von Beilngries; davor ein mit bemalten Eiern geschmückter Osterbrunnen

Die Ländereien des Klosters liegen praktisch direkt am einst viel diskutierten Main-Donau-Kanal, der ab Dietfurt im Bett der Altmühl fließt. Frater Bonifatius erzählt, dass der Bau auch im Kloster Befürworter und Gegner gefunden habe. „Heute sind wir eigentlich alle froh, dass es den Kanal gibt“, resümiert er. Er ziehe Touristen in die Region, die per Boot kämen oder am Ufer entlang radelten. „Das verschafft auch uns Einnahmen.“

Altmühltal - Zwischen Kanal und Hügeln: das Kloster Plankstetten, Heimat der Bio-Pioniere der Region

Zwischen Kanal und Hügeln: das Kloster Plankstetten, Heimat der Bio-Pioniere der Region

In Plankstetten leben Benediktiner, deren oberste Regel lautet: Ora et labora. Soll heißen, sie müssen neben dem Gebet auch ans Geldverdienen denken. So ist in den letzten Jahren nach der Auflösung des klostereigenen Internats eine umfangreiche Biolandwirtschaft mit Bäckerei, Metzgerei und Brennerei, mit großem Klosterladen und eigener Schenke entstanden. „Ich bin für die Bäckerei zuständig“, erklärt der Frater. Der gelernte Bäckermeister steht sechs Tage in der Woche frühmorgens in der Backstube und macht alle Teige selbst, „aus eigenem Getreide und besonders gerne aus Urkorn wie Dinkel und Emmer“. Die seien reich an Eiweiß und Selen. Aber dann hat der umtriebige Frater genug berichtet: „Die Arbeit ruft - wie fast immer bei uns Benediktinern.“

Altmühltal - Wie eine Kulisse: Straße zum Residenzplatz in Eichstätt mit geschlossen barocker Bebauung

Wie eine Kulisse: Straße zum Residenzplatz in Eichstätt mit geschlossen barocker Bebauung

Vom Leben in Bescheidenheit, mit dem die Brüder in Plankstetten eine Alternative zum Konsumverhalten der Mehrheitsgesellschaft aufzeigen wollen, zur prunkvollen Verschwendungssucht des Barocks ist es nicht weit. Die kleine Bistumsstadt Eichstätt (5), sozusagen Hauptstadt des Altmühltals, überrascht mit einem Platzensemble, das man so eher in Wien vermuten würde: bauliche und stilistische Geschlossenheit in höchster Vollendung. Auch drumherum dominiert Barock, selbst der alte Dom hat eine barocke Seite.

Satt wird in Eichstätt aber nicht nur das Auge. Auf die Hungrigen wartet eine spezielle Speisenkarte zur Fastenzeit. Aufgetischt werden vor allem Eintöpfe und Suppen. Im Altmühltal hat die Einkehr eben noch ihre zwei Seiten.

Nach der Stärkung gibt es in der Stadt der Kirchen noch viel zu entdecken – etwa das romanische Heilige Grab in der Kapuzinerkirche. Etwas größer als diese deutschlandweit am besten erhaltene Nachbildung hat sich die heute nicht mehr bestehende Grabstätte in Jerusalem den Pilgern im 12. Jahrhundert präsentiert. Ziel heutiger Eichstätt-Pilger ist die Heilige Walburga. Über deren Beliebtheit erzählen unzählige Votivtafeln in der Gruftkapelle der Klosterkirche St. Walburg, Dankbezeugungen für die Hilfe der Heiligen. Merke: Eine Reise ins Altmühltal könnte Wunder wirken.

Altmühltal - Walburga mit Brüdern und Eltern: Detail des Gruftaltars der Heiligen – mit Votivtafeln (oben)

Walburga mit Brüdern und Eltern: Detail des Gruftaltars der Heiligen – mit Votivtafeln (oben)

 

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