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Reiseführer Celle

Architektour I

Jenseits von Fachwerk

 

Das Celler Residenzschloss

Das Celler Residenzschloss

Celle hat auch andere Seiten als die in Fachwerk gehaltene Altstadt. Der Besucher stößt nicht nur auf die „Bauhaus-Architektur“ von Otto Haesler, sondern auch auf barocke Hofbeamtenhäuser und einen Hauch von Jugendstil.

Am Bahnhofsplatz sind die gründerzeitlichen Wohnhäuser nicht zu übersehen. Nur wenige Schritte sind es von hier zum heutigen Hochsicherheitsgefängnis, das wegen des sogenannten Celler Lochs Bekanntheit erlangte: Am 25. Juli 1978 wurde in die Außenmauer der JVA Celle ein Loch gesprengt. Mit dieser Aktion des niedersächsischen Verfassungsschutzes sollte ein Befreiungsversuch eines in der JVA einsitzenden Mitglieds der Rote Armee Fraktion vorgetäuscht werden. Dieser Zusammenhang wurde allerdings erst Jahre später öffentlich bekannt.

Celler Hochsicherheitsgefängnis

In barockem Gewand: das heutige Celler Hochsicherheitsgefängnis

Vom Zuchthaus zum Hochsicherheitsgefängnis

Im Kern geht die JVA Celle – heute ein Hochsicherheitsgefängnis für die ganz „schweren Jungs“ - auf das Zucht-, Werk- und Tollhaus des Kurfürstentums Hannover zurück. Mit einer schlossähnlichen Architektur, die während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand, unterscheidet sich diese Justizvollzuganstalt von anderen, die später als funktionale Backsteinbauten errichtet wurden. Zur Straße Trift hin befindet sich ein auffälliges Torgebäude mit Wetterfahne und Glockentürmchen sowie zwei zweiachsigen seitlichen Anbauten. Konzipiert wurde die gesamte Anlage, die nun längst von hohen Betonmauern und modernen Wachtürmen umgeben ist als Vierflügelanlage mit zwei Höfen.

Eines der ehemaligen Hofbeamtenhäuser in Celle

Eines der ehemaligen Hofbeamtenhäuser

Laufen wir durch die Straße Trift, so kommen wir an einigen barocken Hofbeamtenhäusern vorbei. Unter diesen ist auch das heute von der VHS Celle genutzte palaisähnliche Freihaus Trift 20, dessen Fassade in Altrosa getaucht ist. Der dreiachsige Mittelteil des Freihauses springt leicht vor und wird von einem Dreiecksgiebel bekrönt. Besonders schön gestaltete sind die Haustür und das Durchfahrtsportal. Bewohnt wurde dieses Freihaus zeitweilig vom Konferenzrat von Reventlow. In seiner Nachbarschaft ließen sich der Hoftapezierer Jacques la Fontaine (Trift 25) und der Hutmacher Gaspard Gabain (Trift 32) nieder.

Congress Union und ...

Am Thaerplatz steht die Congress Union, ein Veranstaltungshaus, das im Auftrag der Stadt Celle im frühen 20. Jahrhundert erbaut und im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut wurde. An der zum Platz hin ausgerichteten „Prunkfassade“, in Zartrosa getaucht, erblickt man zwei liegende Hirsche, die als Reliefs ausgeführt wurden. Sie flankieren einen halbrunden, dreiachsigen Vorbau mit Säulenattrappen. Unterbracht ist in diesem monumentalen Bau, zu dem auch eine Terrasse gehört, unter anderem Thaers Wirtshaus. Sonntags lädt man hier zum „Großen Thaers Sonntagsfrühstuck“ ein. Für den kleinen Hunger gibt es Stulle mit grober Mettwurst oder Leberwurst. Appetit auf Thaers Kartoffelsuppe mit Celler Gekochter? Oder soll es doch lieber Dänischer Flammkuchen mit Würstchen, Röstzwiebel, Gewürzgurke und Remoulade sein?

Congress Union, ein Veranstaltungshaus mit imposanter Prunkfassade (Celle)

Congress Union, ein Veranstaltungshaus mit imposanter Prunkfassade

Anschließend erreichen wir den Rand des Schlossparks, in dem sich auf einer leichten Anhöhe das Celler Residenzschloss befindet. Links und rechts der Westcellertorstraße finden sich recht bemerkenswerte Architekturdenkmäler. Zu nennen sind dabei das Haus Gerloff (1911), das Haus Heyer (1895) und das Trüller-Haus, gegenüber der heutigen Stadtbibliothek (1848).

Haus Gerloff in Celle

Im Heimatstil gehalten: Haus Gerloff

Die regionale Bautradition des Fachwerkbaus nimmt Haus Gerloff in seiner Fassadengestaltung auf. Dieses Wohn- und Geschäftshaus ist ein sehr gutes Beispiel für den sogenannten Heimatstil. Zu sehen sind an der Fassade geschnitzte Figuren. Dargestellt sind z.B. ein Mann, der ein Rad schmiedet, und ein Fischer, der das Segel seines Kahns setzt. Ähnlich wie bei traditionellen Fachwerkhäusern findet man auch farbige Sonnenräder und Konsolen sowie Sinnsprüche wie „Denen die mich kennen, gebe Gott, was sie mir gönnen“ als Elemente der Fassadengestaltung.

Spuren des Celler Architekten Otto Haesler

Dass Otto Haesler auch traditionelle Architektur und nicht nur moderne Kuben entwarf, zeigt das 1908 erbaute Haus des Zwieback- und Kecksfabrikanten Trüller. Haesler spielt nicht nur mit konkav und konvex – man betrachte die Gestaltung der Gebäudeecke -, sondern setzt auch sparsam Ornamente zur Fassadengestaltung ein. Säulen und Flachpfeiler gehören ebenfalls zur Ausformung einer rhythmisierten Fassade, die in dunklen und hellen Erdfarben getaucht ist. Im Sockelbereich des Hauses finden sich als Bauzierrat Bänder mit bläulich-grau und golden glasierten „Riemchen“.

Die Stadtbibliothek residiert in einem dreigeschossigen Putzbau im sogenannten Hannoverschen Rundbogenstil. Das siebenachsige Gebäude steht zurückgesetzt an einer platzähnlichen Straßenerweiterung. Vor dem Bauwerk erblicken wir die Skulptur „Lecture“ von Jean Robert Ipoustéguy.

Biegen wir in die Magnusstraße ein, so stehen wir vor dem ältesten Kinopalast Celles. Das Palast-Theater stammt aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Gegenüber wurde 1985 ein mehrgeschossiges Parkhaus erbaut, das sich allerdings nicht als Betonmoloch erweist, sondern für ein Parkhaus recht filigran wirkt. Die Mischung aus der teilweise in Blau getauchten Stahlkonstruktion und dem Rot der Ziegeldächer verbirgt auf den ersten Blick die wahre Funktion des Bauwerks. Nur wenige Schritte entfernt befindet sich die backsteinerne Roß'sche Villa, ein wichtiges Beispiel Celler Villenarchitektur des späten 19.Jahrhunderts. Ins Auge springen das mit Schiefer gedeckte Walmdach und der polygonale hölzerne Erker.

Das von Otto Haesler erbaute Direktorenwohnhaus (1930) in Celle

Das von Otto Haesler erbaute Direktorenwohnhaus (1930)

Otto Haesler hat in der Magnusstraße mit dem sogenannten Direktorenhaus mit seinen verschachtelten Kuben eine weitere Spur im Stadtbild Celles hinterlassen. Die Haesler-Bauten sollten wir auf einem gesonderten Rundgang aufsuchen und dabei auch den Besuch des Otto-Haesler-Museums einplanen.

Unser Blick fällt beim Weitergehen auf die doppeltürmige Kirche St Ludwig. Die beiden Türme sind spätere Ergänzungen des Kirchenbaus aus der 1830er Jahren. Konzipiert ist der Sakralbau als Hallenkirche mit zwei Reihen dorischer Säulen, über die sich ein Halbtonnengewölbe mit Kassetten spannt. Nebenan steht als moderner Neubau das Pfarrheim der Gemeinde (1993). Es ist dank der geschosshohen Glaswand ein transparenter, nach außen orientierter Bau mit begrüntem Flugdach.

Kirche St. Ludwig in Celle

Die Kirche St. Ludwig, ein "Kind des 19. Jhs."

Zu den Nachbarn der Kirche gehört zudem das ehemalige Gymnasium Ernestinum, dessen Direktor im Haesler'schen Direktorenhaus wohnte. Benannt war das heutige Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium einst nach Herzog Ernst dem Bekenner. Es entstand vor dem Ausbruch des I. Weltkriegs.

Gehen wir weiter, so stehen wir am Langensalzaplatz vor Haus Lodders mit seiner dezenten floralen Jugendstilornamentik. Gleich um die Ecke befinden sich die Altstädter Schule und die Rektorenwohnung – beide sind Entwürfe des Neuen Bauens von Otto Haesler.

Niedersächsisches Landgestüt

Wer seinen Stadtspaziergang mit dem Besuch des Niedersächsischen Landgestüts fortsetzen möchte, überquert auf Höhe der Altstädter Schule die Sägemühlenstraße und begibt sich in Richtung Celler Badeland, eher er dem Lauf der Fuhse folgt. So gelangt man an die Spörckenstraße und zum Landgestüt. Zu diesem gehören der 1743 errichtete Paradeplatz und Gebäude, die sich um den Platz gruppieren, ob die Reithalle, der Grabenseestall, die Remise und die Gestütsschenke. Es sind Bauten aus dem späten 18. und dem 19. Jahrhundert. Anziehungspunkt ist die Anlage bei den im Herbst organisierten Celler Hengstparaden, die ebenso bekannt sind wie die des in Warendorf beheimateten Landgestüts NRW. „Alabaster“, „Al Capone“ und „Ballybo H“ sind die Hannoveraner, die zum Landgestüt gehören und deren Spermien bei ehrgeizigen Züchtern hoch im Kurs stehen.

Einstige Adelssitze

Nach dieser Exkursion kehren wir zur Fortsetzung unsere Architektur-Tour zur Hannoverschen Straße zurück. An der Einmündung mit der Sägemühlenstraße stehen links und rechts Hofbeamtenhäuser, die auch in diesem Teil Celles im Zuge der Stadtneugestaltung unter Herzog Georg Wilhelm entstanden. Der ehemalige Adelspalast (Sägemühlenstraße 1) – heute Sitz des Finanzamtes - ist eine im Kern in Fachwerk erbaute Dreiflügelanlage, die im 18. Jahrhundert mit waagerecht angebrachten Schalbrettern versehen wurde. In der Hannoverschen Straße fällt unser Blick außerdem auf das sogenannte Wallmodenschlösschen. Bauherr war der Hoftrompeter Hans Jürgen Bodeck. Allerdings wurde dessen Domizil 1759 im Auftrag des neuen Besitzers, des Oberappellationsgerichtspräsidenten Thedel-Friedrich von Wallmoden, gänzlich umgestaltet. Im Zuge der Umgestaltung wurde das Gebäude 27 Meter aus der Straßenflucht gerückt, sodass unter Einbeziehung der Stallungen und Wirtschaftsgebäude links und rechts des Haupthauses ein Ehrenhof entstand.

Fritz Höger entwarf die Martin Luther Kirche in Celle

Kein Geringerer als Fritz Höger entwarf die Martin-Luther-Kirche

Aus einer gänzlich anderen Zeit stammt die Martin-Luther-Kirche. Sie ist einer von zwei Sakralbauten in der Hannoverschen Straße. Kein Geringerer als Fritz Höger – ihm verdankt Hamburg das Chilehaus – entwarf diese Saalkirche unter einem Satteldach. Nebenan befindet sich das im gotisierenden Stil, in Backstein erbaute Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium.

Haus Luetkens in Celle

Eines der barocken Freihäuser der Stadt: Haus Luetkens

Das heutige Hotel Fürstenhof (eh. Adelshof von der Osten, Hannoversche Str. 55/56) gleicht einer Vierflügelanlage mit Ehrenhof. Nur Schritte sind es von hier bis zum Haus Luetkens, einem 1673 errichteten siebenachsigen, barocken Freihaus (Hannoversche Str. 57). Im weiteren Verlauf der Hannoverschen Straße kommen wir zur evangelisch-reformierten Kirche. Sie wurde ursprünglich im Jahr 1700 als bilderloser Tempel französischer Glaubensflüchtlinge erbaut. Hierher kam auch die aus Poitou stammende Herzogin Eleonore d'Olbreuse zum Gottesdienst und nahm dann in ihrem Fürstenstuhl Platz. Typisch für diesen Kirchenbau ist das Fehlen eines Glockenturms. Neben der Kirche wurde nachfolgend das Pfarrhaus sowie die Schule der reformierten Gemeinde erbaut. Dem schlichten, in Fachwerk errichteten Kirchenbau, der als Versammlungshaus für 350 Gemeindemitglieder konzipiert wurde, wurde im 19. Jahrhundert eine Holzfassade vorgeblendet. Am Thaerplatz beenden wir dann unsere Tour. Es ist Zeit für eine Pause, die wir in Thaers Wirtshaus verbringen können.

Auch die Fuhse fließt durch Celle

Auch die Fuhse fließt durch Celle

Weitere Informationen

Thaers Wirtshaus
Thaerplatz 1
29221 Celle
www.thaers.de

Palast-Theater
Magnusstr. 3
29221 Celle
http://www.kino-palast-theater.de/

Niedersächsisches Landgestüt
Spörckenstraße 10
29221 Celle
http://landgestuetcelle.de/cms/front_content.php?idcat=65&lang=1

Ev.-ref. Gemeinde Celle
Hannoversche Straße 61
29221 Celle
www.reformiert-celle.de/html/gemeinde.html

 

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