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Der weiße Strich - Vorgeschichte und Folgen einer Kunstaktion an der Berliner Mauer

Anne Hahn/Frank Willmann (Hg.): Der weiße Strich - Vorgeschichte und Folgen einer Kunstaktion an der Berliner Mauer

Rechtzeitig zum 50. Jahrestags des Baus der Berliner Mauer wird mit der vorliegenden Dokumentation ein Kapitel deutsch-deutscher Geschichte angesprochen, die eher unbekannt ist. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe von jungen Erwachsenen aus Weimar, für die Punk und Dada ihren Alltag bestimmen. Ihnen gemeinsam ist der Wunsch, sich nicht anzupassen und anders zu leben. Schon äußerlich wurde auf Abgrenzung geachtet: Gefärbte Hosen und bemalte Lederjacken gehörten zum Outfit genauso dazu wie Nadeln in den Ohren und schrille Punkmusik. Spaß wollten sie haben in einem Land, an dessen Spitze humorlose Greise standen. Karriere hatte keiner im Sinn, weder Frank Willmann noch Jürgen Onißheit. Jobs fanden sie nur als Ungelernte, da ihre „gesellschaftliche Unangepasstheit“ eine Lehre ausschloss. An so genannter Giftschranklektüre fanden sie Gefallen; ein Leben als Bohemien fanden sie ebenso schick wie ihr Punk-Gehabe. Sie galten als „soziale Durchhänger mit destruktiver Grundhaltung“, sodass sie dies zu Außenseitern der DDR-Gesellschaft machte. Ins Visier der Stasi gerieten sie rasch. Die Staatsmacht, vertreten durch 83000 hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit und 175000 IM, beäugte argwöhnisch die Schar von 900 aktiven Punks in der DDR, die man auch durch die Einberufung zur NVA zu zähmen gedachte. Anklagen wegen Rowdytum waren ein in der DDR probates Mittel um unliebsame Zeitgenossen zu brechen. So erging es auch Thomas Onißeit, Jürgen Onißheit, der zwar ein IM war, aber dennoch in Haft genommen wurde, Wolfram Hasch, Frank Schusters und Frank Willmann. Ihre Haftzeiten wurden durch Freikauf und Übersiedlung nach West-Berlin erheblich verkürzt. Das war ein glücklicher Umstand. Hier im Westen wurden sie für einen kurzen Augenblick zu Zentralfiguren an der Grenze zwischen Ost und West: Sie organisierten im November 1986 die Aktion „Der weiße Strich an der Mauer“. Dass sie dabei eine Grenzverletzung begingen, war den Freunden ebenso wenig klar wie all den anderen „Mauermalern“ einschließlich Keith Haring. Die Mauer lag nämlich bereits auf DDR-Territorium. Durch in der Mauer verborgene Türen hatten die Grenzschützer stets Zugang zum Vorfeld der Mauer. Auch diesen Umstand hatten die Freunde nicht bedacht, als sie einen weißen Strich entlang der Mauer zogen, der deutlich machen sollte, was die Mauer ist: keine Projektionsfläche für Kunst, sondern Grenze! Am ersten Tag blieb die Aktion „Weißer Strich“ noch unentdeckt, doch tags darauf erfolgte am Lenné-Dreieck der Zugriff, dem Wolfram Hasch nicht entkommen konnte, jedoch die beiden anderen an der Aktion Beteiligten, nämlich Willmann und Onißheit. Hasch wanderte in den berüchtigten Knast von Bautzen. Die Interviews mit Frank Willmann, Thomas Onißeit, Frank Schuster, Christine Lücking, Andrea Kelsch und Wolfram Hasch sind es die die aktuelle Publikation sehr lesenswert machen, insbesondere im Hinblick der Bewertung der Aktion „Weißer Strich“ als „politische Aktion“. Ergänzend finden sich zudem Interviews mit Ralf. S. Weder, einem Grenzsoldaten, und Wolfgang Fittinger, einem Grenzaufklärer, die ihre Sicht der Dinge schildern. Bereits dank dieser Interviews erhält man ein sehr präzises Bild über die DDR in den 1980er Jahren. Etwas zu langatmig geraten ist der sonstige Fließtext, der teilweise wiederholt, was in den Interviews auch dargelegt wird.

fdp(@)saw

Anne Hahn/Frank Willmann (Hg.): Der weiße Strich - Vorgeschichte und Folgen einer Kunstaktion an der Berliner Mauer, 148 Seiten, 65 Abb. (s/w), Berlin 2011, ISBN: 978-3-86153-651-2, Preis 19,80 Euro.



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