NEU IN DER BÜCHERECKE / BÜCHER UNSERER AUTOREN / BIOGRAFIEN / FOTOBÄNDE / HÖRBÜCHER
KINDER- u. JUGENDBÜCHER / LIFESTYLE / REISEBERICHTE / REISEFÜHRER / ROMANE / SACHBÜCHER

Walther Rauff - Organisator der Gaswagenmorde

Heinz Schneppen: Walther Rauff - Organisator der GaswagenmordeMehr als sechs Jahrzehnte nach dem Ende der NS-Herrschaft und mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ableben des SS-Standartenführers Walther Rauff liegt nun eine Biographie vor, die mit Blick auf die vielen Fußnoten und die abgedruckten Dokumentenfaksimiles auf ein intensives Quellenstudium des Autors verweist. Dabei bewertet und gewichtet Schneppen vorhandene Quellen. Zuweilen verweist er auch Annahmen und Aussagen ins Tal der Mythenbildung. Dass Rauff mit Hilfe von Kreisen der katholischen Kirche der dauerhaften Inhaftierung und Verurteilung durch die Siegermächte entkommen konnte und dabei die sogenannte Rattenlinie nutzte, um außer Landes zu kommen, ist eine Tatsache. Dass er allerdings Aufgaben, die er in Syrien wahrgenommen hatte, an den israelischen oder us-amerikanischen Geheimdienst verkauft hat, scheint man eher ins Reich der Märchen und Sagen einordnen zu müssen. Rauff, der in den 1980er Jahren in seiner neuen Heimat Chile an Lungenkrebs verstarb, ist nie für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden. Nein, dieser Mann hatte gar die Dreistigkeit, das Gästebuch des Stern-Reporters Gerd Heidemann mit seinem Namenszug und dem Zusatz „staatlich geprüfter Kriegsverbrecher“ zu zeichnen. Heidemann war aber eigentlich nicht Rauff auf der Spur, sondern wollte in Südamerika die beiden prominenten Nazischergen Mengele und Bormann aufspüren. Pikant ist der Umstand, dass sich in Heidemanns Begleitung der höchste SS- und Polizeiführer Italiens, der General der Waffen-SS Karl Wolff befand, ein alter Kumpel Rauffs. So kam es auch zur Begegnung Heidemanns mit Rauff. Heidemann war allerdings im Gegensatz zum Ehepaar Klarsfeld kein ausgewiesener Nazijäger, sondern nur an neuen Geschichten interessiert, die er verkaufen konnte. Doch dies scheint wie ein Nebenschauplatz, denn in der vorliegenden Publikation steht Rauff, der einstige Marineoffizier und „Vater des Gaswagens“ im Mittelpunkt. Rauff war nicht unmittelbar an der Entwicklung des Gaswagens beteiligt – diese Arbeit übernahm Gaubschat Fahrzeugbau aus Berlin-Neukölln -, aber er hatte den Bau und den Einsatz des Gaswagens veranlasst und nachhaltig betrieben. Das belegen die vorliegenden historischen Dokumente. Nicht unwesentlich ist dabei der Tatbestand, dass die Gaswagen, auf Basis des Typs Sauer oder Diamond gebaut, in der Kfz-Werkstatt des Reichsicherungshauptamts umgerüstet wurden, um Abgase für das Töten von Menschen in den Innenraum leiten zu könne.

Rauff war auch in Nordafrika aktiv. Er sollte sich von dort aus im Falle der Eroberung von Palästina um die Liquidierung der dortigen jüdischen Bevölkerung kümmern. Doch der Verlauf des Afrika-Feldzugs verhinderte dies. Dafür wurde Rauff dann in Tunesien mit der „Lösung der Judenfrage“ betraut. Zwangsarbeit erschien Rauff als Gebot der Stunde. Italien war zwischen 1943 und 1945 die nächste Station des Kriegsverbrechers Rauff, der am 30. April 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft kam. Syrien, Italien, Ecuador sowie Chile waren die nächsten Stationen Rauffs. Ihm konnte weder der bundesrepublikanische Haftbefehl von 1961, noch ein Auslieferungsbegehren etwas anhaben. Er führte bis zu seinem Tod ein unauffälliges Leben in Punta Arenas. An seinem Grab standen mit der zum Hitlergruß erhobenen Hand auch Ewiggestrige wie ein chilenischer Ex-Botschafter namens Miguel Serrano. Die Biographie ist mehr als nur eine Biographie, zeigt sie doch auch, wie nachlässig und nachsichtig mit Kriegsverbrechern wie Rauff und Konsorten verfahren wurde.

© fdp

Heinz Schneppen: Walther Rauff - Organisator der Gaswagenmorde. Eine Biografie, Berlin 2011, 232 Seiten, zahlreiche Abb., ISBN: 978-3-86331-024-0, Preis: 19,00 Euro



Dieses Buch bei Amazon kaufen.

zurück zu Übersicht "Sachbücher"