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Zum Wohl – Getränke zwischen Kultur und Konsum

Der Fokus der vorliegenden Veröffentlichung liegt auf der Trinkkultur in Westfalen-Lippe. Dabei widmen sich die Autoren dem Wandel dieser Trinkkultur, werfen einen Blick auf das Aufkommen von Selterswasser, auf den Schnapskonsum auch am Arbeitsplatz, rücken die Limonaden der Detmolder Firma Sinalco in den Fokus und befassen sich mit dem Thema „Die Milch macht's - von Kühen, Müttern, Mythen“. Schließlich werden auch die Kultur und der Genuss von Tee und Kaffee behandelt, die zunächst Luxusgetränke und nun Massenprodukte sind.

LWL-Industriemuseum – Westf. Landesmuseum für Industriekultur (Hrsg.): Zum Wohl – Getränke zwischen Kultur und Konsum

Mareike Buba unterscheidet in ihrem einleitenden Beitrag zwischen dem Ruhrgebiet als „Bierregion“ und Westfalen als „Schnapsregion“. Kein Wunder, war doch Schnaps im 19. Jahrhundert das dominierende Genussmittel in Westfalen, wie die Autorin konstatiert. Bier war einst Grundnahrungsmittel und entwickelte sich erst sehr viel später zu einem Modegetränk. Die Konjunkturen des Getränkekonsums deutlich zu machen, das ist Sinn und Zweck der aktuellen Veröffentlichung, die mehr als nur das Nachzeichnen der Ausstellung darstellt. Beiträge zu den Ausstellungskapiteln werden stets auf gesonderten Seiten mit den Exponaten illustriert.

Dass Selterswasser überhaupt Selterswasser heißt, hängt mit dem Fundort im mittelhessischen Niederselters zusammen, so Dietmar Osses in seinem Artikel „Wasser – Vom Sauerbrunnen zur Seltersbude“. In diesem erfahren wir auch vom ersten Patent zum Versetzen von Wasser, das dem Goldschmied Jacob Schweppe ausgestellt wurde. Eingegangen wird auch auf die rasante Entwicklung des Absatzes von Mineralwasser, sodass es am Ende des Ersten Weltkriegs 12257 Betriebe gab. Was es mit Gesundheitsgärten und Trinkhallen auf sich hat, erläutert der Autor gleichfalls. Um 1900, so erfährt der Leser, gab es bereits 600 derartige Trinkhallen, die von wenigen Großunternehmern betrieben wurden, so von Theodor Küpper im Raum Duisburg. Der Trinkhalle von Emmy Olschewski widmet sich der Autor in ganz besonderer Weise. Es war ein Betrieb fest in Frauenhand und das über Generationen hinweg. Schließlich wird auch der Niedergang der Trinkhallen behandelt. Tankstellen-Shops sind an deren Stelle getreten.

„Vom Heilmittel zum Herrengedeck“ - so lautet eine der Zwischenüberschriften im Beitrag von Sven Panthöfer, der sich mit dem Genussmittel Schnaps auseinandersetzt. Dabei wirft der Autor auch einen Blick auf die Rolle von Schnapsrationen für die kämpfenden Soldaten, ob im 17. und 18. Jahrhundert sowie später beim Stellungskrieg im Ersten Weltkrieg. Für die Ermordung Kiewer Juden in Babi Jar im September 1941 gab es eine Extraration Schnaps für die Soldaten – ein sehr dunkles Kapitel in Sachen Schnaps. Man erfährt beim Lesen des Beitrags aber auch davon, dass die Deutschen in den 1960er Jahren Weltmeister im Spirituosenkonsum waren. Doch das änderte sich mit der Erhöhung der Branntweinsteuer seit 1972. „Von Prost auffe Schicht“ bis „Der Schnapskonsum geht in den Fabriken zurück“ spannt der Autor den Bogen bei seiner kulturhistorischen Betrachtung. Das Bier eigentlich aus dem Orient stammt und schon Tacitus die Trankfreude der Germanen erwähnt, kann man bei Jorma Wagner und ihrer Abhandlung zum Bier nachlesen. Dass mit dem untergärigen Bier ein Exportschlager gebraut wurde, ist ein weiterer Aspekt, dem sich der vorliegende Beitrag widmet. Gleiches gilt für Bier als Getränk der Arbeiterklasse. Noch bis in die Neuzeit hinein gab es in der Landwirtschaft und in handwerklichen Zünften das Deputat, das Großbauern und Gutsherren schuldeten. Beim Ausschank von Wasser und Limonade ging es auch um den Kampf gegen den Alkohol, wie er im 19. und 20. Jahrhundert geführt wurde. Federführend bei diesem Kampf waren nicht nur die Blaukreuzler und Guttempler, sondern der Deutsche Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke, wie Mareike Buba in ihrem Artikel zu Limonade – „erfrischend nüchtern“ ausführt. Dass es für Selters und Limonade besondere Flaschen, die Knickerflaschen gab, die mit Verschlusskugeln versehen waren, wird in dem genannten Beitrag auch erwähnt. Vor allem aber richtet sich das Augenmerk der Autorin auf „Erfrischung made in OWL“, sprich auf die Detmolder Erfolgsgeschichte Sinalco. Weitere lesenswerte Beiträge widmen sich der Milch (Autor: Robert Laube, Leiter des LWL Industriemuseums Henrichshütte), dem Tee und Kaffee. Dabei ruft Robert Laube dem Leser auch die Anfänge des „riskanten“ Getränks Milch ins Gedächtnis und streift dabei die Geschichte der Berliner Meierei Carl Bolle. Bei Willi Kulkes Kaffeebeitrag erfährt man Wissenswertes über die Entstehung erster Kaffeehäuser, ob in Venedig, Oxford oder London. Zudem befasst sich der Autor mit der Entstehung von Kaffeekränzchen und der Tatsache, dass die Morgensuppe vom Kaffee abgelöst wurde, sodass es zum Alltagsgetränk wurde. Klar, Kaffeeanbau und das Thema Kaffee und Büro kommen bei Willi Kulke auch nicht zu kurz. Schließlich ist es an Theresa Viehoff-Heithorn sich dem Tee und seiner Verbreitung zu widmen. Die vorliegende Veröffentlichung ist eine sehr gute Ergänzung zum Besuch der Ausstellung. Text: © ferdinand dupuis-panther

LWL-Industriemuseum – Westf. Landesmuseum für Industriekultur (Hrsg.): Zum Wohl – Getränke zwischen Kultur und Konsum, 177 S. Mit zahlreichen farbigen Abb., Klartext-Verlag, ISBN 9783837507461

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