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Vatermord und andere Familienvergnügen

Es ist eine Reise in die Vergangenheit, zu der der 1972 in Sydney geborene Steve Toltz den Leser in die fiktive Familiengeschichte der Deans mitnimmt. Er offenbart damit in die Abgründe einer mehr als ungewöhnlichen Familie, die er aus verschiedenen Erzählperspektiven zu beleuchten weiß. Toltz begeistert mit seiner überbordenden Phantasie, wobei es ihm gelingt, den Leser selbst auf 800 Seiten nie zu langweilen; der Roman besticht durch sein rasantes Tempo und die vielen Spannungsbögen und überraschenden Wendungen.

Verteilt auf ein halbes Jahrhundert lässt Toltz eine ganze Armada von seltsamen Charakteren und Alltagshelden aufmarschieren, die Striplokale, Schulhöfe, Gefängnisse und Nervenheilanstalten bevölkern und deren Schicksale er mit einer manchmal melancholisch anmutenden Ironie zu schildern weiß. Geradezu im Vorbeigehen flicht er philosophische Weltbetrachtungen ein, führt die Handlungsstränge von Australien nach Paris und in den thailändischen Dschungel.

Steve Toltz: Vatermord und andere Familienvergnügen

Martin und Terry sind ein ungleiches Brüderpaar mit jüdischen Wurzeln, das sich in einer seltsamen Hassliebe verbunden fühlt. Die ersten Lebensjahre seines Bruders verpasste Martin, da er nach einer schweren Krankheit im Koma lag. Zeitlebens blieb Martin körperlich schwächlich und introvertiert, während Terry als begnadeter Sportler galt, bevor er durch eine Messerstichverletzung zum Invaliden wird und in die Kriminalität abgleitet.

Der charismatische Terry steigt schließlich zum Volkshelden und „beliebtesten Verbrecher Australiens“ auf, weil er in einer beispiellosen Mordserie das Land von gedopten Sportlern, korrupten Trainern und Buchmachern befreit, bevor sich seine Spuren bei einem Gefängnisbrand verlieren.

Martin hingegen ist ein Tagträumer, der die Welt verbessern möchte, die Bande zu seinem Bruder aber nie völlig lösen kann. Seinen Sohn Jasper, den er mit einer mysteriösen Frau gezeugt hat, unterrichtet Martin selbst, da er von dem schulischen System wenig hält. Statt ihm das Rechnen beizubringen, liest er ihm die Briefe van Goghs vor und erklärt dem Halbwüchsigen Nietzsches Philosophie.

Schließlich versucht Martin sich als Wohltäter, in dem er mit einem mathematisch ausgeklügelten System jeden Australier zum Millionär machen will; aber er scheitert grandios und muss den fünften Kontinent Hals über Kopf verlassen.

Jasper, der seinem neurotischen Vater helfen sollte, gerät selbst in den Sog der Ereignisse, aus dem er nicht mehr entfliehen kann: „Ich dachte an normale Familien, die normale Probleme haben wie Alkoholismus, Spielsucht, häusliche Gewalt und Drogen. Ich beneidete sie.“

Keine Frage: Mit „Vatermord und andere Familienvergnügen“ ist Steve Toltz ein famoses Debüt gelungen, das im Jahre 2008 zu Recht auf der Shortlist des renommierten Booker-Preises gelandet ist.

ran@saw

Steve Toltz: Vatermord und andere Familienvergnügen. DVA Verlag 2010. ISBN-10: 3421043892. 22,95 Euro.



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