Hiobs Brüder

Als Losian = den, der etwas verloren hat, lernen wir den Protagonisten des Romans kennen, der sich auf einer Gefängnisinsel verzweifelt an seine Identität zu erinnern versucht. Umgeben von Gefährten, die epileptische Anfälle haben, denen eine Schlange die Gedärme zerfetzt oder die sich für den heiligen König Edmund halten, hält er diesen verlorenen Haufen von Gott verlassener Menschen zusammen.

Durch einen glücklichen Zufall entkommt diese Schar der Isolation, doch Normalität zu finden, ist allein schon wegen des in Ketten gelegten psychopathischen Mörders Regy kaum möglich. Nach und nach lichten sich die Schatten der Amnesie, nicht zuletzt durch die Begegnung mit dem weisen jüdischen Arzt Joshua, dessen ärztliche Hilfe ihn ebenso fasziniert wie seine bildhübsche Tochter Miriam. Mit Schrecken stellt der heimgekehrte Adlige fest, dass sein Schicksal eng mit der Thronfolge seines Landes im zähen und verlustreichen Krieg zwischen Königin Maud und König Stephen verknüpft ist.

Doch der als „schärfstes Schwert“ der Königin bekannte Alan hat den Wert des Lebens entdeckt. Als Verantwortlicher für die sieben überlebenden Inselbewohner und als Liebender gegen alle Widerstände scheint der Rückzug aus diesem Chaos die einzig logische Folge. Beschauliche Tage in Helmsby? Nicht. Solange eine von Hass erfüllte Liaison zwischen der ehemaligen Ehefrau und dem eigenen Cousin immer neue Wunden reißt, solange Juden und Christen keinen Frieden miteinander machen und der Thron Englands als Zankapfel zwischen zwei marodierenden Heeren kullert! Ob Gott am Ende doch ein Einsehen hat mit den Brüdern Hiobs, so wie am Ende die Erlösung auf den von Gott Geprüften selbst wartete? Wieder einmal ist der mittlerweile routinierten und äußerst sachkundigen Rebecca Gablé das Kunststück gelungen, einen mittelalterlichen Stoff um die englische Thronfolge äußerst lebendig und anschaulich zu gestalten.

Simons Selbstzweifel, Alans Kampf mit der eigenen Natur, Reginalds Wahnsinn und perfide Lust am Töten, die Abgründe der verletzten Seelen und die historischen Anklänge an eine brutale und dennoch so glorifizierte Epoche englischer Geschichte sind ein Schmöker erster Klasse. Am Ende blickt man überrascht auf 899 Seiten zurück mit dem Gefühl, kaum eine Länge in der Geschichte erlebt zu haben, und nimmt wehmütig Abschied von den lieb gewonnenen Figuren und ihren Marotten.

hf@saw

Rebecca Gablé: Hiobs Brüder. Ehrenwirth-Verlag. ISBN 978-3431037913. 24,99 Euro.

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