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Eiskalt – glutheiß

Kriminalromane, zumal deutsche, unterliegen manchen Moden. Vor einigen Jahren waren vor allem solche erfolgreich, die in einer bestimmten Stadt oder Landschaft spielten, wie etwa die Köln-Krimis. Sie lebten davon, dass der Leser (und auch die Leserin) bestimmte Straßen, Häuser, Kneipen und ähnliches leicht wieder erkennen konnte. Vielleicht auch bestimmte Redensarten und Verhaltensweisen und später sogar politisch diskutierten Grundeinstellungen wie den „Kölschen Klüngel“, der ja nicht nur bei der Müllmafia vorherrscht.
Leider war die Handlung meist grobschlächtig, blieben Details schlecht recherchiert und sträubten sich bildlich gesehen beim Lesen die sprachlichen Nackenhaare. Oder so ähnlich. Zum Glück hat sich diese Mode weitgehend totgelaufen.

Bei den Tatorten der ARD hält sich seit einiger Zeit die Mode, dass die Befindlichkeit der Kommissare und ihrer meist zerrütteten oder zerfallenen Familien nicht nur die Stringenz, sondern gelegentlich auch die Logik der Handlung überdecken. Das muss man bei den meist sehr professionellen britischen Krimiautoren nicht befürchten.
Oliver Bottini, 1965 in Nürnberg geboren und nun in München ansässig, siedelt seine Krimis in Freiburg und dem deutsch-französischen Grenzgebiet an. Seine Heldin ist Louise Bonì, „42 Jahre alt, geschieden“. Und, wie sich bald herausstellt, nicht besonders umgänglich, von der Trunksucht geplagt und kriminalistisch eher aus dem Bauch heraus agierend. Beide Falltüren scheinen also weit geöffnet.
„Im Zeichen des Zen“ wandelt plötzlich ein zu leicht bekleideter japanischer Mönch durch die eisige Winterlandschaft bei Freiburg und zieht trotz seiner Entrücktheit Gewalt und Verbrechen auf sich. Er leitet die Kommissarin zu einem Zen-Kloster in Frankreich, in dem sich neben den ins Selbst versunkenen Asiaten und Europäern auch einige zunächst schattenhaft bleibende Leute herumtreiben, die mit der Welt des Guten nicht so viel zu tun haben. Es geht um Kinderhandel und manches andere.
Leider geht es auch um deutsch-französische Bürokratie und Rangeleien in der Freiburger Dienststelle und vor allem um die Kommissarin und den Alkohol. Warum denken Krimiautoren nur, Leser würden sich dafür mehr interessieren als für einen spannenden Plot?

Während also der erste Fuß sich Richtung Falltür bewegte, blieb der zweite, der des „Sommermörders“, auf festerem Grund. Im Sommer ist es so heiß wie es im Winter kalt war, eine Scheune brennt ab, ein Feuerwehrmann kommt bei seinem Sturz in einen angeblich nicht vorhandenen Keller unter der Scheune ums Leben. Und der Keller ist voller Waffen. Wem gehören sie? Woher kommen sie? Was war mit ihnen geplant? Stück für Stück enthüllen Kripo, LKA, BKA, BND und ein paar andere die Geschichte dieser Waffen. Vielleicht etwas umfangreich, dieses Arsenal.
Immer aus dem Bauch heraus ist Louise Bonì ihren Kollegen aber meist etwas voraus, findet als Halbfranzösin einen Halbkroaten als Partner und lernt viel über die Balkankriege und eine ferne Region namens Belutschistan. Der Kampf der verschiedenen Behörden gegeneinander spielt diesmal eine (zu) große Rolle. Kompetenzwirrwarr und persönliche Eitelkeiten mögen zwar in der Realität die Arbeit von Strafverfolgungsbehörden beeinträchtigen, doch den geneigten Leser interessiert das doch nicht wirklich. Immerhin halten sich Louises Flaschengeister sinnvollerweise etwas zurück. Einiges an Personal aus dem ersten Krimi taucht wieder auf, so dass man beide in der ursprünglichen Reihenfolge lesen sollte, und es ist schon klar, dass auch Band 3 eine gewisse Kontinuität aufweisen wird.
Weshalb sind beide Krimis, vor allem aber der „Sommermörder“, trotzdem besonders lesenswert? Weil hier – mehr als in der „gehobenen Literatur“, die sich so gerne von den Krimis absetzt – die Debatten unserer Tage aktuell und kritisch geführt werden. Bottini gelingt es, eine ganze Reihe von Positionen zu den Balkankriegen auf verschiedene Akteure verteilt aufeinanderprallen und diskutieren zu lassen. Die amerikanischen Kriege im Orient spielen eine Rolle und die Aktivitäten der CIA hinter den Linien, auch in Deutschland. Wo ist der große historische Roman darüber? Wo die politische Auseinandersetzung? In einem von den Vertuschern dominierten Untersuchungsausschuss?
Dann doch lieber die engagierte Unterhaltungsliteratur eines Oliver Bottini in der „kleinen“ Form des Kriminalromans mit witzigen Dialogen und zum Nachdenken anregenden Szenen und Aussagen.

fjk@saw

Oliver Bottini: Mord im Zeichen des Zen. Frankfurt: Fischer TB 2006. ISBN 3-596-16545-8. 384 Seiten. 8,95 Euro.

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Oliver Bottini: Im Sommer der Mörder, Fischer Tb. ISBN 3596166381. 464 Seiten. 8,95 Euro.


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