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Die Stadt unter der Stadt – das unterirdische Berlin

Dass über die deutsche Hauptstadt an der Spree schon alles geschrieben wurde, was zu schreiben ist, glaubt der eine oder andere und wird dann, wie bei der vorliegenden Veröffentlichung, eines Besseren belehrt. Grüfte, Gewölbe, Rinnsteine, Bierkeller, Bunkerbauten, U-Bahn-Tunnel und das unterirdische Nachtleben haben es den Autoren angetan. Dabei belassen sie es nicht bei der kurzen Beschreibung der Orte und ihrer Geschichte – bisweilen auch ihrer Geschichten –, sondern liefern zugleich auch hilfreiche Adressen, die es dem Leser ermöglichen beim nächsten Berlinaufenthalt selbst in den Untergrund zu gehen. Die Ruhestätte der Hohenzollern steht dann nach der interessanten Lektüre des „Untergrundführers“ vielleicht ebenso auf dem Programm wie eine Fahrt mit der U 2, vorbei an den liebevoll gestalteten U-Bahn-Stationen Märkisches Museum und Klosterstraße – hier begegnet man im Übrigen auch der Geschichte der Berliner U-Bahn.

Nicht nur der Berliner Dom in seiner neobarocken Monumentalität und der brandenburgisch-preußischen Geschichte in seinem Inneren wurde von den Autoren behandelt, sondern auch Gewölbe wie die Krypta in der katholischen Hedwigskathedrale, gleichsam ein „Zwilling“ des römischen Pantheons. Welche Schicksale sich in den Gewölben der Herz-Jesu-Kirche in Prenzlauer Berg abspielten, machen die Autoren bekannt. Zum einen suchten Menschen vor den Luftangriffen hier Unterschlupf, zum anderen wurden dort Verfolgte des Naziregimes vor dem Zugriff der Gestapo versteckt. Untergründiges gibt es auch in der Spandauer Zitadelle zu entdecken, allerdings kein Giftgaslabor der Nazis, wie immer wieder behauptet wird. Ungewöhnlich ist es nicht, dass Fledermäuse die Kasematten der Zitadelle als Quartier entdeckt haben, aber nur Wenigen dürften davon wissen: Zwischen September und April sind sie hier anzutreffen. Dies ist vielleicht die Gelegenheit beim Berlinbesuch mit Kindern einmal nach Spandau zu fahren.

Nach der unterirdischen Verbindung zwischen Zitadelle, Fort Hahneberg und Nikolaikirche sollte man allerdings nicht suchen, sie existiert nicht. Doch gemunkelt wird darüber immer wieder. Ausführlich behandeln die Autoren die Kathedralen des Bieres und erinnern zudem in einem Feature an so manchen Ganoven, der seinen Coup im Untergrund ausgeführt hat, so auch der Erpresser „Dagobert“.

Dass die Wasserversorgung nicht immer unterirdisch erfolgte, erfährt der Leser im Kapitel „Vom Rinnstein zum Klärwerk“. Zugleich schildern die Autoren, welche Unmengen von Wasser beispielsweise im Wasserturm Prenzlauer Berg gesammelt wurden und welche Funktionen Wasserwerke wie das in Friedrichshagen hatten, ehe man auf sie verzichten konnte. Heute ist dieses Wasserwerk ein Industriedenkmal und öffentlich zugängliches Museum. Kaum einer erinnert sich noch an das Berliner Rohrpostnetz und die Rohrpostzentrale. Die erste Rohrpost existierte bereits 1865: Sie verband die Börse mit dem Haupttelegrafenamt in der Französischen Straße. Der Verein Berliner Unterwelten – und darauf weisen die Autoren hin – veranstaltet Führungen durch die ehemalige Rohrpostzentrale, ein wahrlich vergessenes Kapitel Berliner Stadtgeschichte.

Der Mär vom unterirdischen Führerbunker setzen Rollmann und Elfert in ihrem Beitrag „Größenwahn, Bunkerbau und Mythen“ Fakten entgegen – und das ist gut so. Dabei machen sie deutlich, dass es sehr wohl Bunkeranlagen unter dem Alexanderplatz und dem Flughafen Tempelhof gibt. Das einzige unterirdische Bauwerk, das die Nazis während des III. Reiches anlegen ließen, ist die Nord-Süd-S-Bahnverbindung. Reste der Planung für die gigantische neue Reichshauptstadt „Germania“ befinden sich heute nahe des Sowjetischen Ehrenmals unweit des Brandenburger Tors.

Dankenswerter Weise befasst sich die vorliegende Veröffentlichung auch mit „Orten des Schreckens“, den Folterkellern in der General-Pape-Straße, in denen Nazigegner gequält wurden, und dem GPU-Keller in der Prenzlauer Allee – Spuren der deutschen Geschichte vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Themen wie Zivilschutzanlagen und „Das neue Berlin“ runden den vorliegenden „Untergrundführer“ ab. Für Nachtschwärmer gedacht, ist der Beitrag „Nachtleben im Untergrund“.

fdp@saw

Niko Rollmann/Eberhard Elfert: Die Stadt unter der Stadt – das unterirdische Berlin. Jaron-Verlag, Berlin. ISBN 10: 3-89773-547-4 ISBN 13: 978-3-89773-547-7. 12,00 Euro.

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