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Gebrauchsanweisung für Amsterdam

Reiseführer gibt es unterdessen in Hülle und Fülle und dass sie mehr als der gute alte Baedeker über Amsterdam enthüllen, bezweifelt Siggi Weidemann, der seit Jahren in der niederländischen Hauptstadt zuhause ist, mit Fug und Recht. So schreibt er auch nicht über die Geheimtipps von Amsterdam, verrät nicht die Kneipen, die gerade in sind und empfiehlt auch nicht die Restaurants, die man kennen muss, oder doch. Nein, er beschreibt stattdessen den Soziokosmos von so genannten braunen Cafés und dem einen oder anderen proeflokaal, in der ein jeder bedächtig den einen oder anderen Genever genießt. »Wat is het toch gezellig«, »was ist es doch gemütlich ...«, trifft den Nagel auf den Kopf.

Bisweilen verführt uns der Autor mit seiner Begeisterung. Er kommt ins Schwärmen über Amsterdam, eine Stadt, die wie keine andere holländische Stadt die schönsten Stadtkanäle hat, so Weidemann. Mit dem Dreigrachtenhaus liefert uns Amsterdam eine niederländische Postgartenidylle, die zum Dorf Amsterdam gehört. Ja richtig, Weidemann nennt seine Heimatstadt ein Dorf, das auf Pfählen erbaut wurde und seine schönen Ecken sowie unschöne Kanten hat. Und diese beiden Seiten der Stadt enthält uns der Autor in seinen sehr lesenswerten Beiträgen nicht vor. Weidemann zeigt uns das multimediale Metropolis Museum nach Plänen von Renzo Piano, den Grachtengürtel und die Altstadt. Für eine Nacht in Amsterdam empfiehlt er den Blick ins Internet unter www.visitamsterdam.nl, nennt aber auch »Banks Mansion« und »Prinsenhof« als angenehme Bleibe. Mit Weidemann begegnen wir Jan Six, einem der Kritiker moderner Stadtplanung fernab von Visionen und Fingerspitzengefühl. Master-Plan ist das aktuelle Zauberwort für die Stadt an der Amstel. Wir erfahren von einer typisch niederländischen Einrichtung mit dem zungenbrecherischem Namen Hoogheemraadschap. Es ist ein Amt, das seit Jahrhunderten darüber wacht, dass Amsterdamer und ihre Besucher keine nassen Füße bekommen.

Wer kennt schon die Luxusseiten der Stadt, die grünen Oasen hinter den Giebelhäusern? Siggi Weidemann kennt sie und öffnet auch für die Leser die Türen zu den Spielwiesen der privilegierten Amsterdamer. Die Fahrradliebe der Amsterdamer ist kein Geheimnis, doch bisweilen gibt es ungelöste Eigentumsfragen, glaubt man dem Autor.

Liest man die vorliegende Veröffentlichung, so bleibt das Wesen des Amsterdamers nicht im Verborgenen. Hat man zuvor noch nie von Multatuli gehört, spätestens nach der Lektüre des Beitrages »Keti Koti – zerbrochene Ketten« kennt man den Dichter Eduard Dowes Dekker, der sich dem Thema Kolonialismus und Imperialismus angenommen hat, lernt das Surinamische Museum kennen und wird plötzlich gewahr, dass die Niederlande, sich selbst als tolerant und weltoffen verstehend, auch eine dunkle Seite haben.

»Sex sells« war nicht die Motivation für Weidemann über »rote Laternen« zu schreiben, aber das Rotlichtviertel ist ebenso wie das Jordaan mit der Stadt auf das Engste verbunden. »Amsterdamer reden nicht gerne von ihrem Schmuddelzimmer«, schreibt der Autor, den das nicht daran hindert, hinter die Glasfenster der käuflichen Liebe zu schauen.

Auch die Zuwanderer kommen bei Weidemann zu Wort, so wie Adjiedi Bakas, der als Fähnleinführer der Integration gilt. Bakas ist ein cleverer Geschäftsmann und schwul. Er hat nichts von einem Gutmenschen, der sich um die armen Immigranten sorgt, sondern verkündet: »Wir haben eine Chance, wenn endlich Schluss mit dem Pampern von Ausländern ist.« Mit dieser Meinung steht er nicht alleine.

Blättert man weiter in Weidemanns Gebrauchsanweisung, so nähert man sich Themen, die gängige Reiseführer verschweigen. Welcher Reiseführer befasst sich wohl mit der deutschen Besatzung und Amsterdamer Juden?

Im Allerlei der Reiseführer ist die vorliegende Annäherung an Amsterdam eine Wohltat. Man erfährt Hintergründiges über die Bewohner Stadt und ihre Ansichten. Die barocken Häuser und Paläste sind bei Weidemann nur Beiwerk. Und das ist gut so!

fdp@saw

Siggi Weidemann: Gebrauchsanweisung für Amsterdam, Piper Verlag München-Zürich, 2005, ISBN 3-49227539-7, 12,90 Euro.

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