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Waschen, bleichen, erziehen und beten
Vom Leben der frommen Beginen

Zweifelhaft ist, ob der »religiöse Frauenbund« der Beginen - im 12. Jh. in Abgrenzung zu den Nonnenklöstern entstanden - auf die heiligen Begga, zurückgeführt werden kann, die bereits 961 ein Kloster in Andenne stiftete. Wer allerdings durch Eingangstore der Beginenhöfe von Lier und Kortrijk geht, wird dort an der aus Stein gehauenen Hl. Begga vorbeigehen. Einige Fachleute leiten die Bezeichnung dieser mittelalterlichen und bis zur Französischen Revolution existierenden Frauengemeinschaft von der ursprünglich beigen Kleidung der Beginen her.

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Ein typischer Beginenhof (Kortrijk)

Vielfach wird der Name als Spott- und Schimpfname verstanden, mit dem Ketzerinnen belegt wurden. Auszuschließen ist, trotz des Wortklanges, daß hier etwa ein Bettelorden entstanden sind. Ganz im Gegenteil, vielfach waren die Beginen sehr begütert. Für das frühe Mittelalter war es schon außergewöhnlich, daß sich verwitwete und alleinstehende Frauen ohne päpstlichen Segen zu einer religiöse Gemeinschaft zusammenfanden. Anfänglich noch verstreut über die Städte und in ihren eigenen Häusern lebend trafen sie sich nur zum gemeinsamen Gebet.

Alltag der Beginen
Neben einem Gehorsamsgelübde verpflichteten sich die Beginen zur Keuschheit, wenn auch diese Verpflichtungen jederzeit widerrufen werden konnten. Im Gegensatz zum Klosterleben war es den Beginen auch gestattet, außerhalb des Beginenhofes zu leben, gar aus dem Frauenbund auszuscheiden und sich wieder einem bürgerlichen Leben zuzuwenden. Die Türen der Häuser und Tore der Höfe standen von Sonnenaufgang bis -untergang offen. Auch heute werden, wenn überhaupt, die Tore der Beginenhöfe, die als  Wohneinrichtungen für alte Menschen und sozial Schwache oder, wie in Leuven, als Teil der Universität genutzt werden, nur nachts verschlossen. 

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Denkmal für eine Begine im Beginenhof von Lier

Beginen verfügten frei über ihr Hab und Gut, auch über etwaige Ländereien. Ein Armutsgelübde war ihnen fremd. Sie strebten vielmehr an, für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Sie webten Leinen, klöppelten und häkelten Spitze, wuschen und bleichten Wäsche. Zudem kümmerten sie sich um den Unterricht der ihnen anvertrauten Mädchen, der sogenannten »Wohnkinder«. Auch Armenfürsorge und Krankenpflege gehörte zu ihren Aufgaben. Wollte eine Begine heiraten, so konnte sie ohne soziale Ächtung die Frauengemeinschaft verlassen und ihr Hab und Gut mit sich nehmen. Jeder Beginenhof war souverän und besaß eine aus der Mitte der Beginen gewählten Grande Dame oder Groote Juffrouw. Größere Höfe wie der Große Beginenhof in Leuven hatten vier Grandes Dames. Die jeweiligen Höfe bestanden aus den Wohnhäusern der Beginen, dem Konvent für die neueintretenden Beginen, dem Wohnhaus der Grande Dame, der Infirmerie für die Krankenpflege und der »Tafel zum Heiligen Geist«, die der Armenversorgung diente. Neben den typischen Hofanlagen rund um ein Kirchlein wurden - wie in Lier und Tongeren - Straßenbeginenhöfe konzipiert. In Kortrijk und Oudenaarde findet man Mischformen, die auch der Erweiterung der Höfe im 17.Jh. zuzuschreiben sind. Die Beginenbewegung wurde von der offiziellen Kirche nicht gerne gesehen, zum Teil sogar unter dem Verdacht der Häresie verfolgt.

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Hinter diesen hohen Mauern lebten einst Beginen

Beginenhöfe in Flandern ...
Weitere typische Beginenhöfe findet man in Lier (Provinz
Antwerpen), Herentals (Provinz Antwerpen), Diest (Provinz Vlaams Brabant) Brügge (West-Vlaanderen) und Gent (Provinz West-Vlaanderen) - dort gibt es mit dem Oud Begijnhof, dem Klein Begijnhof und dem Groot Begijnhof von St. Amandsberg sogar drei in einer Stadt. Während in Flandern die Beginenhöfe zumeist als geschlossene Anlagen noch erhalten sind, finden sich in der Wallonie, aber auch im »Fünfeck von Brüssel«, nur noch Spuren ihrer einstigen Anwesenheit, so beispielsweise der Place du Béguinage in Brüssel, Mons und Liege. (fdp)

Weitere Infos:
Zur Geschichte der Beginenbewegung

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