Argentinien im Überblick

In einem Land von der Größe Westeuropas bewegen sich die Distanzen in einer anderen Dimension, folgt ein Extrem auf das nächste: kalbende Gletscher und knochentrockene Schluchten, Pazifik und Anden, der Tango in Buenos Aires und die Wasserfälle von Iguazú.

Argentinien, Foto: Pixabay

Für Jorge Luis Borges (1899-1986), Argentiniens Meisterliteraten, war schwer vorstellbar, dass Buenos Aires irgendwann vor Jahrhunderten geboren wurde. Nein, für ihn war Argentiniens Hauptstadt "so ewig wie das Wasser und die Luft."

Buenos Aires (Foto: Pixabay)

Buenos Aires (Foto: Pixabay)

Zu einer Weltstadt wie Buenos Aires gehört eine pompöse Straße: die 140 Meter breite Avenida 9 de Julio, die die Verkehrsströme durch das Herz der Metropole bündelt. Der Fußgängersprint ums nackte Leben gehört ebenso zum Alltagsbild wie die mobilen Zeitungsverkäufer am Morgen, denen die langen Rotphasen Kunden en masse bescheren. Der Prunkboulevard wird vom 67 Meter hohen Obelisken überragt, der an die erste Stadtgründung erinnert. Zwei Ecken weiter liegt das elegante Teatro Colón, bekannt für seine perfekte Akustik.

Unter den Stadtvierteln Buenos Aires' sind mehrere zu besonderer Berühmtheit gelangt: Palermo wegen seiner Parks und Seen, San Telmo mit dem Tango und den touristischen Tangoshows, Recoleta wegen seines Friedhofs mit riesigen Grabpalästen und dem Grab der Eva "Evita" Duarte. Das meistfotografierte Motiv der Stadt liegt im alten Hafenviertel La Boca, einst Einwandererbezirk italienischer Emigranten. Durch La Boca führt der "Caminito", ein Museumsgässchen, an dem Fassaden aus Wellblech und Holz in den buntesten Farben schillern. Interessante führen ab Buenos Aires nach Tigre und ins Delta des Paraná (Bootstouren), zur Wallfahrtsbasilika von Luján und in die großen Ferien- und Strandgebiete um Villa Gesell und Mar del Plata.

In realgeschichtlichem Rahmen wurde die Metropole am Río de la Plata 1536 von Pedro de Mendoza unter dem Namen Nuestra Señora Santa María del Buen Aire (Unsere Frau Maria des guten Windes) erstgegründet, wenige Jahre später wegen Hungersnöten und Kämpfen gegen die Indios aufgegeben und 1580 von Juan de Garay erneut ins Leben gerufen. Heute ist die Hafenstadt ein Drei-Millionen-Menschen-Moloch, zuzüglich weiteren zehn Millionen im Expansionsgürtel des Großraums (Gran Buenos Aires). Der historische Altstadtkern konzentriert sich im Bereich der Plaza de Mayo, ein weitläufiges Oval, um das sich wichtige Gebäude wie die Kathedrale, der Regierungssitz Casa Rosada und das Rathaus gruppieren. Wann immer die "porteños", die Bewohner Buenos Aires', protestieren, blasen sie zum Sturm auf die Plaza de Mayo. Was mit starkem Willen und Kampfeskraft zu erreichen ist, haben die Ur-Urväter eben an jener Stelle gezeigt: die Revolution am 25. Mai des Jahres 1810, der erste Schritt in die Unabhängigkeit (auch wenn noch weitere sechs Jahre ins Land ziehen sollten) - daran erinnert in der Mitte des Platzes die Pirámide de Mayo, die von einer Freiheitsfigur gekrönte Unabhängigkeitspyramide. Bis heute steht die Plaza de Mayo auch für die nie verheilten Wunden der verhängnisvollen Militärdiktatur 1976-83. Starke Frauen waren es, die hier das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf die Verbrechen der Machthaber lenkten, mit weißen Tüchern um den Kopf und beseelt vom Mut der Verzweiflung: die Madres de la Plaza de Mayo, die "Mütter der Plaza de Mayo", die sich heute auch Großmütter (abuelas) nennen. Mütter jener jungen Männer und Frauen, die das Regime für Gegner hielt und heimlich, still und leise "verschwinden" ließ, sprich: foltern und töten. Mit ihren 1976 begonnenen, unverdrossenen Protestmärschen erwuchsen die "Mütter" als Vorreiter des Widerstands gegen die Militärs.

Aufgrund der riesigen Entfernungen liegen die argentinischen Highlights zuweilen einige tausend Kilometer voneinander entfernt. Im äußersten Nordosten - an der Grenze zu Brasilien - stürzen die Wasserfälle von Iguazú mit der Urgewalt der Natur zu Tale. Je nach Jahreszeit und Wasserstand fallen bis zu 275 einzelne "cataratas" über eine U-förmige Basaltschwelle hinab. Die spektakulärsten Bilder bietet die Garganta del Diablo, der 80 Meter hohe "Schlund des Teufels", der die meisten Wassermassen schluckt. Durchschnittlich 5.000 Kubikmeter pro Sekunde sollen es sein, die über die Hauptfälle, den Salto Unión und den Salto Mitre, in des Teufels Rachen landen. Rundherum breitet sich der Iguazú-Nationalpark aus, der mit 2.000 Pflanzen-, 450 Vogel- und 80 Säugetierarten einen immensen Reichtum an Flora und Fauna aufweist. Seit 1984 zählen die Wasserfälle von Iguazú zum Welterbe der Menschheit und sind auch von der brasilianischen Seite her besuchbar. Nächst erreichbarer Ort auf argentinischer Seite ist Puerto Iguazú, das reichlich Hotel- und Pensionsbetten bietet. Puerto Iguazú gehört zur Provinz Misiones, deren Name sich auf die alten Missionsstationen der Jesuiten gründet; die wichtigste dieser historischen "misiones" heißt San Ignacio Miní und liegt in San Ignacio.

Die Wasserfälle von Iguazu (Foto: Pixabay)

Die Wasserfälle von Iguazú (Foto: Pixabay)

Die Gebirgskette der Anden prägt von Nord nach Süd die gesamte Westflanke des Landes. Ab der Kolonialstadt Salta führt der auf über 4.200 Meter hinauf, das malerische Höhendorf Cachi wird vom gleichnamigen 6.380-Meter-Bergriesen überragt, westlich von Mendoza stellt der Acongua - Amerikas höchster Gipfel - mit seinen knapp 7.000 Metern alles in den Schatten. Spektakuläre Landschaften eröffnen sich auch nördlich von San Salvador de Jujuy. Die Quebrada de Humahuaca, eine 130 Kilometer lange Schlucht, zieht sich der bolivianischen Grenze entgegen und zeichnet sich durch eine zerklüftete Berglandschaft mit imposanten Felsgebilden in allen erdenklichen Braun-, Rostrot- und Ockertönen aus. Nicht minder spektakulär geht es weiter südlich bei La Rioja zu. Argentiniens Far West nimmt mit dem Valle de la Luna ("Tal des Mondes") und dem Talampaya-Canyon faszinierend Gestalt an. Im Landesinnern, auf dem Weg zwischen La Rioja und Buenos Aires, hat sich kolonialzeitlicher Charme im Herzen der Provinzhauptstadt Córdoba erhalten. Mit ihren 1,2 Mill. Einwohnern ist sie Argentiniens zweitgrößte Stadt und trägt ihr historisches Herz rund um die Plaza San Martín zur Schau: mit der Kathedrale und dem Arkaden-flankierten Rathaus.

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An an südlich liegenderen Abhängen der Anden ist mit San Carlos de Bariloche das große Touristenziel des Westens erreicht. Nationalparks und die natürliche Platte aus Gletscherseen bilden den Rahmen für einen der unumstrittenen Höhepunkte einer Argentinien-Reise. In der mondänen 100.000-Einwohner-Stadt gibt es rund 250 Hotels und Pensionen, außerdem Pubs, Einkaufsgalerien und Gourmettempel jedweder Art. Bootsexkursionen führen über den Nahuel-Huapi-See, im Winter locken die Skigebiete um Cerro Otto und Cerro Catedral. Nahuel Huapi heißt auch der über 700.000 ha große Nationalpark, der einen Teil des Seengebietes umfasst und nördlich in den Parque Nacional Lanín übergeht. Dieser ist nach dem 3.776 Meter hohen Vulkan Lanín benannt und für seine Araukarienwälder bekannt. Eine lohnende Tour führt an die Siete Lagos (Sieben Seen) und in das malerische Städtchen San Martín de los Andes mit seinen typischen Holzhäusern.

Argentinien: Barbecue (Foto: Pixabay)

Barbecue (Foto: Pixabay)

Weiter südwärts bekommen die andinen Landschaften ein noch raueres Gepräge. El Chaltén, Argentiniens Trekking-Mekka, liegt im Schatten des Fitz-Roy-Massivs und lädt Naturfreaks zu erlebnisreichen Wanderungen in die Gebirgswelt ein. In einer Kulisse aus Gletschern, Südbuchenwälder und Felsmassiven führt die beliebteste Trekkingtour zur Laguna Torre. Naturliebhabern geht auch in und um El Calafate das Herz auf - selbst wenn sie im Hochsommer von den eisigen Winden Patagoniens durchgeschüttelt werden. Das 4.000-Einwohner-Städtchen am Lago Argentino ist Sprungbrett zu Argentiniens wildesten Gletschern, die zum Nationalpark Los Glaciares und zum Welterbe der Menschheit gehören. König unter den Gletschern ist der Glaciar Perito Moreno, der stetig wächst und kalbt. Der Blick auf die 70 Meter hohe Frontwand des weißen Giganten ist ein Schauspiel der Natur. Weitere Gletscher wie Upsala, Onelli und Spegazzini werden im Rahmen von Bootstouren ab Puerto Bandera angesteuert.

 Gletscher im Süden Argentiniens (Foto: Pixabay)

Gletscher im Süden Argentiniens (Foto: Pixabay)

An der Atlantikseite gibt die Ruta Nacional 3 den Weg vor. Sie zieht sich durch die unendlich scheinenden Weiten Patagoniens und endet 3.063 km südlich von Buenos Aires auf Feuerland. Interessante Ziele unterwegs sind die Península Valdés (Halbinsel mit Pinguinen, Seeelefanten, Killerwalen, küstennahe Beobachtungen von Bartenwalen), das walisisch geprägte Städtchen Trelew sowie die Pinguinkolonien von Punta Tombo und Cabo Virgenes.

Der Cerro Torre in Patagonien (Foto: Pixabay)

Der Cerro Torre in Patagonien (Foto: Pixabay)

Die Magellan-Straße trennt den Kontinent von Tierra del Fuego, der 47.000 km² großen Insel Feuerland. Der Nordteil besteht aus monotonem Tafelland, in der Mitte erreicht man den eisigen Lago Fagnano, die Kordilleren bäumen sich bis zu 2500 Meter hoch auf. Im tiefen Süden stößt Feuerland an den Beagle-Kanal, an dessen Ufern sich Ushuaia von einer alten Sträflingskolonie zu einem der wichtigsten touristischen Pole Südamerikas gemausert hat. Ausflugsklassiker führen zur Estancia Harberton (einsame Farm), zur Isla de los Lobos (Seelöweninsel, Bootstour), in die Sierra Martial (Panoramablicke über die Stadt) und in den Feuerland-Nationalpark, in dem die "Traumstraße der Welt" an der Lapataia-Bucht endet. Häufig herrscht eine typische Ende-der-Welt-Stimmung. Mehr Himmel als Erde, mit tiefen Wolken, scharfen Winden und grimmig aufgewühlter See.

Andreas Drouve


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