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Wie Neubulach wieder ein Bergwerksstädtchen wurde

Die Suche nach der "Großen Halle"

Das Schaubergwerk mit Namen "Hella-Glück-Stollen" und eine Ausstellung in der früheren Bergvogtei, die dem Fachwerk-Rathaus im idyllischen Städtchen Neubulach benachbart ist, sind Erinnerungen an die Zeit, in der man ein Bergwerksort war. Der Stollen dient im übrigen nicht allein der Besichtigung, sondern ist seit 1974 auch Station für Asthma-Therapie.

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Azurith im Schwarzwälder Mineralienmuseum

Wismut für das Deutsche Reich
Es war eine ehrenamtlich arbeitende "Stollengemeinschaft", die in Neubulach der im wahrsten Sinne des Wortes verschütteten Bergwerks-Tradition wieder ans Tageslicht verholfen hat. 1286 ist Neubulachs Bergbau im Zusammenhang mit dem "Monte Argentifodino", dem Silberbergwerk, erstmals erwähnt worden. Die Blütezeit brachte das 14.Jahrhundert, als Erz und Silber abgebaut wurden, Es waren Landmänner, die im Bauernkrieg von 1525 die Anlage stürmten und teils zerstörten. Der Abbau kam dann wie in etlichen anderen Schwarzwaldorten auch 1832 zum Erliegen.

In den Jahren 1917 bis 1923 fuhr man noch einmal ein in die Stollen und 1938 waren die Neubulacher Vorkommen im Zuge der Autarkie-Bestrebungen der Nazizeit noch einmal ein Thema: Man stellte fest, daß das Wismut aus den großen Halden rund um das kleine Städtchen ausgereicht hätte, um den Bedarf des Deutschen Reiches auf 15 Jahre (!) hinaus zu decken. 1945 war die Aufbereitungsanlage für dieses Unternehmen fertiggestellt, doch mit Ende des Krieges und der NS-Zeit kam es nie zur Durchführung.

Aber Neubulachs Bergwerksanlagen, die vielen verzweigten Stollen und Gänge, waren ja noch da. "Da ist kein Glück d’rauf", sagten die alten Männer, wenn sie vor dem Schlund des Hella-Glück-Stollens im Ziegelbachtal standen. "Kein Glück d’rauf?" Nicht alle glaubten das, und so kam der Gedanke auf, den besterhaltenen, allerdings langsam zerfallenden Stollen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Eine Bürgeraktion
Ende 1982 gründete sich die "Stollengemeinschaft", eine Bürgeraktion, die später vom Land Baden-Württemberg als kommunale Initiative ausgezeichnet wurde. Es waren schließlich 70 Ortsansässige, die an den Wochenenden in den Gang kamen; 7000 freiwillige Arbeitsstunden haben sie geleistet.

Bereits beim Ausbau einer ersten Strecke von 384 m stießen die Männer auf die "Azurithöhle" - der blaue Azurit und der grüne Malachit sind typisch für Neubulach und bei Mineraliensammlern sehr begehrt. Später langte man mit dem "Segen-Gottes-Gang", der sich bei der Aufschließung als verschlammter Bach präsentierte, bei einer Strecke von 438 m an.

"Glückauf" und St.Barbara
Heute stellt sich Neubulach wieder als ein Schwarzwälder Bergwerksstädtchen dar. Der Gesangverein hat nun das Lied "Glückauf, glückauf, der Steiger kommt" in sein Repertoire aufgenommen. Man hört das Bergmannslied wieder beim Ostermarkt am Ostermontag oder bei der Kirbe (Kirchweih) im Oktober, wenn die Wirtshaustische dicht besetzt sind und das "Innerstädtle" innerhalb der Stadtmauern beim "Märkt" fast überquillt von Menschen. Der Musikverein hat sich inzwischen Bergmanns-Uniformen zugelegt, in der erwähnten ehemaligen Bergvogtei ist eine Bergmannskapelle mit der Schutzheiligen Barbara untergebracht worden. Die Wetterfahne auf dem Schulhaus erzählt derweil schon jahrelang die Mär vom Vater, der mit dem Sohn auf dem Feld einen großen Silberklumpen entdeckte und daraufhin sagte: "Bua, lach’!" (Neubulach wird im Volksmund als "Bulich" bezeichnet, was sich von "Bulach" ableitet, der Nachbarort Altbulach als "Altebulich").

20 Kilometer Unterwelt
Örtlichen Insidern ist die Neubulacher Unterwelt über die für Besucherinnen und Besucher begehbaren Stollen hinaus bekannt. 20 Kilometer soll das Labyrinth unter dem Städtchen insgesamt messen, ca. sechs Kilometer sind inzwischen zugänglich und vermessen. Man hat dort einen versteinerten Spitzhammer entdeckt, eine verrostete Hacke, einen Eimer und ein Stück Siegel mit Adler, der vielleicht für das Wappen Neubulachs steht.

Ein See unter der Erde
Im Ort sagt man, daß es unter der Erde noch eine "Große Halle" gäbe, bis heute unentdeckt. Ein ehemaliger Unter-Tage-Kapo hat berichtet, die sei so groß, daß ein kleines Haus hineinpassen würde. Die Tochter eines Ingenieurs, der in den 20er Jahren einfuhr, hat wiederum erzählt, daß ein großer See dort unten sei, doch gefunden hat man auch den noch nicht.

Toter Mann im toten Stollen
Einmal, da war auch ein toter Mann im toten St.Georgs-Stollen am Abhang zum Teinachtal - ein Greis, der sich mit schier übermenschlichen Kräften Zugang ins Bergwerk verschafft hatte. Er hatte wohl die Absicht, dort einsam zu sterben. Gelegenheit, diesen Beschluß zu überdenken, blieb ihm nicht mehr: Er stürzte in einen fast 20 Meter tiefen Schacht des St.Georgs-Stollen und wurde erst nach tagelanger Suche tot aufgefunden.

Man wohnt "im Bergwerk"
Von den überirdischen Bergwerksanlagen ist inzwischen vielerlei verschwunden. Auf den Halden entlang der Mühlsteige ist ein neues Wohnviertel entstanden, das der Volksmund "im Bergwerk" nennt. Es gibt Glückaufstraße, Steigerstraße, Grubenstraße, Stollengässle. Von den Firmengebäuden existieren noch Backsteinbauten, in denen im 2.Weltkrieg sowjetische und italienische Zwangsarbeiter untergebracht waren. Der mächtige Rundbau der großen Waschanlage, fast ein Wahrzeichen des Neubulacher Bergwerkes, ist abgerissen worden. Aber ein Wahrzeichen hat man immer noch, das Stadttor, und auch dies hat mit der Bergwerksgeschichte zu tun, heißt es doch "Porta Argentica", "Silbertor".

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