Reiseführer Prag: Verschnaufpause im Grünen - Gärten und Parks

Rein statistisch gesehen kommen auf einen Einwohner Prags 80 m² Grünfläche. Eigentlich gar nicht so wenig auf den ersten Blick, doch aufgrund der ungleichmäßigen Verteilung dieser Flächen innerhalb des Stadtgebiets kann vor allem der Stadtrand mit größeren Grünflächen aufwarten.

Besucher, die des Laufens auf hartem Kopfsteinpflaster müde sind, müssen jedoch nicht zwangsläufig in Außenbezirke ausweichen, um Erholung zu finden. Die Königlichen Gärten rund um die Burg sind in den Sommermonaten zugänglich. Ein angenehmer Ort, um vom Besichtigungstrubel auszuruhen und den Blick über die Dächer der Kleinseite schweifen zu lassen - auch wenn es nicht einfach sein wird, ein freies Plätzchen auf einer der Bänke zu ergattern. Ähnliche Oasen stellen die Gärten im Anschluss an die Palais der Kleinseite dar. Leider bleiben einige von ihnen der Öffentlichkeit versperrt, da sich nach den Adelshäusern des 18. und 19. Jhs. nun Botschaften - wie die Deutschlands und der USA - das Terrain gesichert haben. Doch im Waldsteingarten, im Vojanovy-Park und auf den Grünflächen der Halbinsel Kampa stehen genügend grüne Rückzugsmöglichkeiten offen.

Mit dem Petrin (Laurenziberg) eröffnet sich Besuchern eine der schönsten und weitläufigsten Parkanlagen unweit der historischen Sehenswürdigkeiten. Der bewaldete Hügel kann von mehreren Seiten über gewundene Spazierwege erklommen werden, vor allem zur Zeit der Baumblüte ein besonderes Erlebnis. An der Straße Ujezd gibt es eine Möglichkeit, den Petrin ohne kräftezehrenden Anstieg zu bewältigen: Die Drahtseilbahn, bereits 1891 in Betrieb genommen, zählte damals zu den Wunderwerken moderner Technik. Die Bahn kann mit ganz normalen Tickets der öffentlichen Verkehrsmittel benutzt werden. Sie hält sogar an einer Mittelstation, an der ein exklusives Restaurant mit Blick über die Stadt lockt. Noch eindrucksvoller ist der Rundblick, den man vom 60 Meter hohen Aussichtsturm genießen kann. Dieser Prager Eiffelturm wurde nur zwei Jahre nach seinem Pariser Vorbild errichtet, eine 175 t schwere Stahl- und Eisenkonstruktion, deren Besteigung einen wirklich atemberaubenden Ausblick bis in die Vororte Prags hinaus eröffnet - es sei dann, eine Dunstglocke liegt gerade wieder einmal über der Stadt. Wenige Schritte weiter steht die St. Laurentiuskirche aus dem 12. Jh., ihr Umbau im 18. Jh. erfolgte durch Ignaz Palliardi.

Unweit der Bergstation erblickt man Teile der unter Karl IV. errichteten so genannten Hungermauer. In der Geschichtsschreibung wird sie gern als mildtätiges Werk des Kaisers beschrieben, der einer Hungersnot entgegenwirken wollte und den Bedürftigen gegen Naturalien Arbeit gab. In Wirklichkeit war sie schlicht Teil der erweiterten Verteidigungsanlage der Kleinseite. Südlich der Bergstation wartet mit dem Spiegel-Irrgarten vor allem auf Kinder eine lustige Abwechslung. Einen Teil des Weltalls kann man in der Sternwarte nebenan betrachten.

Über Durchbrüche in der Hungermauer gelangt man in den südlich des Petrin gelegenen Kinsky-Garten (Kinskeho Zahrada). Die Familie des Grafen Kinsky ließ das Areal Anfang des 19. Jhs. als englischen Park anlegen. Die Villa Kinsky dient heute als Lager für die ethnologischen Sammlungen der Nationalgalerie. Ein kleines Kuriosum ist die nicht weit davon entfernte St. Michaeliskirche. Der hölzerne dreitürmige Bau stammt aus der Karpato-Ukraine, die bei Gründung der Tschechoslowakei noch teilweise dem Staatsgebiet angehörte.

Von Touristen kaum wahrgenommen werden die Clamschen Gärten (Klamkova Zahrada) westlich des Stadtteils Smichov, von der U-Bahnstation Andel aus mit der Straßenbahn erreichbar. Der Name verweist auf das Adelsgeschlecht Clam-Gallas, das den Park Ende des 18. Jhs. gründete. Einst Teil des Dorfes Kosire, ist er längst dem Stadtgebiet eingegliedert. Neben einer Kapelle und einem Pavillon aus gräflichen Zeiten ist u.a. noch ein reich verzierter "Tempel der Nacht" zu bewundern.

Noch weiter westlich, ebenfalls in der Plzenska, erstreckt sich der romantische Cibulka Zahrada der Familie Thun-Hohenstein. Diese im 19. Jh. geschaffene Parkanlage lehnte sich in ihrer Konzeption an die von Jean Jaques Rousseau propagierte Rückkehr zur Natur an. Der heute etwas verwilderte Park beherbergt künstliche Ruinen, einen chinesischen Pavillon und eine Eremitage.

Nördlich der Josefstadt, auf der anderen Seite der Moldau, beginnt der weitläufige Letna-Park. Wo heute ein riesiges Metronom die Blicke von der Parizska her auf sich zieht, wurde Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts ein monumentales, 14 000 t schweres Stalin-Denkmal errichtet. Im Verlauf der "Entstalinisierung" wurde das Denkmal 1962 gesprengt. Der nicht weit entfernte Hanavsky-Pavillon, 1891 fast komplett aus Gusseisen gefertigt, sollte die Leistungsfähigkeit der Hanau-Eisenhütten unter Beweis stellen. Heute locken ein Restaurant und ein Café mit einer schönen Aussichtsterrasse. Ein weiteres Panorama-Restaurant, das Praha Expo 58, im Osten der Parkanlage, zieht bei schönem Wetter zahlreiche Besucher an. Vom Glas-Aluminium-Pavillon, schon auf der Brüsseler Weltausstellung 1958 Aushängeschild tschechischer Leistungsfähigkeit, bietet sich ein wunderbarer Blick auf die Stadt.

Fast nur unter Pragern findet sich der ausländische Besucher im Stromovka-Park (Baumgarten) nördlich der Letna-Anlagen wieder. Im ehemaligen königlichen Wildgehege - noch im 18. Jh. lebten hier mehrere hundert Damhirsche - ließ Kaiser Rudolf II. einen mit Wasser aus der Moldau gespeisten Deich anlegen. Der dafür durch den Berg Letna getriebene 1000 m lange, 3 m hohe und 60 bis 80 cm breite Tunnel war der erste Tunnelbau Prags. Mit dem so genannten Königlichen Saal, einem Lustschloss des kaiserlichen Statthalters, sowie der Kaisermühle, in der einst Glas und Edelsteine geschliffen wurden, bietet der über 1 km² große Park neben angenehmen Spazierwegen auch einige sehenswerte historische Objekte.

Wer gut zu Fuß ist, kann vom Baumgarten aus über die Kaiserinsel und eine anschließende Fußgängerbrücke bequem zum Zoo und dem benachbarten Schloss Troja mit seiner Parkanlage gelangen.


Suchen bei schwarzaufweiss



Das könnte Sie auch interessieren



 Schließen