Die Welt des Bieres


Prag U Fleku

Im U Fleku kann man auch draußen sitzen

So wie Coca Cola ein Markenzeichen amerikanischer Kultur ist, so kann Bier als das Nationalgetränk der Tschechen bezeichnet werden. Schon der Name pivo - er leitet sich von pít her, was trinken bedeutet - zeugt von seiner herausragenden Bedeutung hierzulande.

Seit 1082 wird in Prag Bier gebraut. Chroniken berichten gar aus dem 9. Jh. vom Hopfenanbau, der durch das milde böhmische Klima begünstigt wurde. Legendären Ruf erlangte der Hopfen aus der Gegend um das nordböhmische Saaz, der in alle Welt exportiert wurde.

1842 begann man im westböhmischen Pilsen damit, ein untergäriges, stark gehopftes, bitteres Bier zu brauen, das bald zum Synonym für Biere gleichen Typs auf der ganzen Welt wurde. Doch das Original ist unübertroffen: Weiches, mineralarmes Wasser, der gute Saazer Hopfen und ein besonderer Schimmelpilz, der die Wände der neun Kilometer langen Lagerkeller der Brauerei bedeckt, gehören zu seinen Geheimnissen. Ein Großteil des Pilsner Urquells geht übrigens in den Export.

Die Beliebthiet des Biers in der Tschechischen Republik belegt ein Blick in die Prag: Im Kelch (U Kalicha), einer der berühmtesten Prager BierkneipenStatistik. Über 140 Liter pro Kopf sollen es durchschnittlich sein, die die Tschechen jedes Jahr durch ihre Kehlen rinnen lassen, das sind immerhin noch einige Liter mehr, als die nicht gerade bierfeindlichen Deutschen konsumieren. Die große Auswahl an Bierkellern in Prag - vom gotischen Gewölbe bis hin zu etwas schmuddligen Vorstadtkneipe - sorgt dafür, dass dieser Trend nicht abbricht. Die Bierkneipe (tschech.: hospoda oder pivnice) als Treffpunkt verfügt über eine lange Tradition. Hier sitzt man zusammen, um zu erzählen und zu streiten, zu diskutieren und zu lamentieren. "Man" ist in diesem Fall durchaus geschlechtsspezifisch zu sehen, denn Frauen waren hier immer eine Minderheit, was sich heute langsam zu verändern beginnt.

Auf der anderen Seite erwies sich die Kneipe als demokratische Instanz, vereinte sie doch Arbeiter wie Intellektuelle am selben Tisch oder Tresen. Für Schriftsteller wie Jaroslav Hasek war sie häufig sogar Arbeitsplatz. Mit seinem Roman "Die Abenteuer des braven Soldaten Schweijk", in dem dieser sich für "nach dem Krieg...jeden Abend ab sechs beim Kelch" verabredet, verschaffte er einer Prager Bierkneipe gar Weltruhm. Doch im Kelch wird man heute keine Einheimischen mehr finden, Touristengruppen haben das Terrain besetzt. Nicht ganz so bekannt ist die Wirtschaft U zlatého tygra (Zum Goldenen Tiger) mitten in der Altstadt, einst Stammkneipe des Schriftstellers Bohumil Hrabal.

Selbst in die Politik hielt der Gerstensaft Einzug: Mit der Gründung einer "Partei der Bierfreunde" wollten Freunde dieses Nationalgetränks 1990 auf die verbindende Kraft des Bieres hinweisen. Eine ähnlich bierselige Idee hatte schon Hasek mit seiner "Partei des maßvollen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze" ausgebrütet - in der Kneipe natürlich.

Erschrecken Sie beim Besuch einer der Prager Kneipen nicht, wenn Sie auf den Schildern Gradangaben zwischen 10° und 14 ° finden. Sie bezeichnen die Dichte eines Bieres - ähnlich der Stammwürze bei deutschen Bieren -, der Alkoholgehalt beträgt nur ungefähr 3,5 %.

Die Prager wählen ihre Stammkneipe nach dem dort ausgeschenkten Bier. Der Autor dieser Zeilen wagt es nicht, in die unendliche Debatte um das beste Prager Bier einzugreifen. Die Auswahl ist groß und muss von jedem selbst getroffen werden: Pilsner Urquell und Budweiser aus Ceské Budejovice (Budweis) brauchen Bierkennern nicht extra vorgestellt zu werden, sie haben längst Weltruhm erlangt. Eine kleine, aber entschlossene Schar schwört auf Bier aus der Brauerei Velké Popovice (Groß-Popowitz) in Mittelböhmen, die seit 1727 existiert. Im Stadtteil Smíchov wird das 10- und 12-gradige Staropramen-Bier gebraut (Staropramen = Alte Quelle), aus der Bránik-Brauerei im gleichnamigen Stadtteil stammen helle und dunkle 10- bis 14-gradige Biere. Aus Holesovice kommt das 10- und 12-gradige Prazan-Bier. Die vielleicht bekannteste Prager Brauerei findet man im U Fleku, wo seit 1499 ein 13-gradiges, dunkles Bier gebraut wird, das im dazugehörigen Lokal ausgeschenkt wird.

Übrigens: Bier wird normalerweise aus Halblitergläsern getrunken, kleinere Mengen verachtet der normale Prager. Nur wenn Sie abfällige Blicke nicht scheuen, verlangen Sie ein malé pivo, ein kleines Bier (0,3 l).


Suchen bei schwarzaufweiss



Das könnte Sie auch interessieren



 Schließen