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Reiseführer Nordzypern

Über Zyperns Weinkultur

In unserem Kapitel "Essen und Trinken" werden aus gutem Grund nur festlandstürkische Weine aufgeführt, denn nordzyprische Tropfen sind rar. Dabei mangelt es hier durchaus nicht an Experten, haben doch viele Zyperntürken vor 1974 in den Hauptanbaugebieten um Paphos und Limassol Fachkenntnisse und reiche Erfahrungen in der Kunst der Weinherstellung gewinnen können. Doch der beschränkte einheimische Markt und fehlende Exportmöglichkeiten, dazu manch` hausgemachte Widrigkeiten haben alle Versuche, in Nordzypern eine eigenständige Weinproduktion dauerhaft zu etablieren, scheitern lassen. Nehmen wir nur das Beispiel der Marke "Kantara", weiß und rot. Vor Jahren verheißungsvoll gestartet, führt sie heute nur noch ein Schattendasein. Ob die gut bewerteten Weine der Yeni Dünya-Farm in Hisarköy einmal in größeren Mengen auf den Markt kommen werden und was bei der erneuten Inbetriebnahme der "Wine Factory" von Mehmetcik herauskommen wird, steht in den Sternen. Keine Frage : für das Wirtschaftsleben Nordzyperns wäre es eine Bereicherung und den einheimischen und zugereisten Weinfreunden eine Genugtuung, wenn die jahrtausendealte zyprische Weinbautradition an den nördlichen Küsten einen neuen leistungsfähigen Standort fände . . .Nicht auszuschließen, daß dann noch einmal so bedeutsame Worte fallen könnten, wie jene, die Marcus Antonius seiner Cleopatra ins Ohr flüsterte, als er ihr die Insel zum Geschenk machte : "Die Süße Deiner Liebe gleicht dem Weine Zyperns."

Das war im ersten vorchristlichen Jahrhundert. Doch die Anfänge der zyprischen Weinkultur reichen noch weiter zurück, wie Ausgrabungsfunde im bronzezeitlichen Enkomi belegen. In archaischer und klassischer Zeit waren im Lande produzierte Weine schon hoch geschätzt, doch zählten sie noch nicht zu den großen Sorten. Das sollte sich bald ändern, wie Strabon, Plinius, Seneca, Agronius und andere prominente Weinkenner Roms vermerkten : sie stellten die Inselgewächse schon in eine Reihe mit den besten außeritalischen Weinen. Auch unter byzantinischer Herrschaft florierte die Weinwirtschaft, aber erst die trinkfreudigen Heerscharen der Kreuzzüge brachten Kunde über den süffigen Zypernwein nach Europa. In ihrer Erinnerung verklärten sie den zyprischen Rebensaft überschwenglich zu einem wahren Göttertrank, um zugleich vor ihm zu warnen, "der im Munde süß schmeckt, aber tötet, wenn er nicht durch Wasser gemäßigt wird." Die begeisterten Erzählungen von Glaubenskämpfern und Pilgerreisenden animierten westeuropäische Handelshäuser zum Einstieg in das Importgeschäft, galt doch Zypernwein unterdes an Westeuropas Höfen als Krönung eines feudalen Gastmahls. Als Richard Löwenherz 1191 auf Zypern landete, waren die politischen und militärischen Begleitumstände seiner ambitiösen Levante-Expedition zwar voller unangenehmer Überraschungen, doch in einem Punkt konnte er vollkommen sicher sein : für sein zyprisches Abenteuer würde er mit köstlichen Inselweinen auf das Angenehmste entschädigt werden. So soll er denn auch Jahre später bekannt haben : "Ich muß zurück nach Zypern - und sei es nur, um dort wieder Wein zu trinken." Wilbrand von Oldenburg trank 1212 Zypernwein, der so dickflüssig war, daß er "wie Honig mit Brot genossen wurde" und der Jerusalempilger Ludolf von Sudheim erzählt in seinen Reiseerinnerungen aus dem Jahre 1336 von einem Weinberg in der Diözese Paphos : "Dieser gehörte einst den Tempelherren, jetzt aber den Hospitalbrüdern vom Heiligen Johannes zu Rhodos (Johanniter). Zur Zeit der Templer waren immer hundert Sklaven, gefangene Sarazenen, täglich in demselben ; diese hatten keine andere Arbeit oder Auflage, als den gesamten Weinberg zu pflegen und zu bewachen." Und er empfiehlt dringend, dem Wein wegen seiner Stärke Wasser zuzusetzen : "Zu einem Teile Wein neun Teile Wasser ; wenn aber jemand ein Faß voll von diesem Weine tränke, so wird ihn derselbe nicht bloß berauschen, sondern seine Eingeweide verbrennen und vernichten. Gleichwohl ist es sehr gesund, lauteren Wein mit nüchternem Magen zu trinken, und gibt es in der Welt keine besseren und stärkeren Trinker als in Cypern." Im Hauptanbaugebiet an den Südhängen des Troodos-Gebirges hatten die Johanniter, nachdem ihnen 1210 König Hugues I. de Lusignan ihre Besitzungen zugewiesen hatte, den Weinbau intensiviert, neue Anbauflächen erschlossen und nach der Aufhebung des Templer-Ordens (1312) dessen Ländereien dem schon beträchtlichen eigenen Besitz hinzugefügt.

Obwohl schon in jener Zeit Stimmen laut wurden, die Zyperns Wein wegen seines penetranten Teergeschmacks, der vom Auspichen der Gefäße herrührte, für ungenießbar erklärten, blieben die zyprischen W e i n s t ö c k e bei Europas Weinbauern begehrt, denn sie galten als besonders geeignet für die Auffrischung und Veredlung heimischer Sorten. Auch an den Rhein wurden sie versetzt, nach Ungarn (Tokay) und Sizilien (Marsala), in die Champagne und nach Madeira im 14. Jahrhundert, "wo sie dem berühmten Wein dieser Insel den Ursprung gaben", wie der Geograph Eugen Oberhummer vermutet. Thibaut IV., genannt "le Chanconnier" , Graf der Champagne und König von Navarra, soll, als er während des 6. Kreuzzuges (1248-54) auf der Insel weilte, einen jungen einheimischen Adligen, der in gefährliche Liebeshändel verstrickt war, durch persönliche Intervention vor dem drohenden Todesurteil gerettet haben. Der junge Mann folgte dem Grafen mit seiner Geliebten nach Frankreich und überreichte ihm zum Dank Ableger der edelsten Weinstöcke Zyperns, die in den Gärten des Grafen zu den berühmten Champagnerreben heranwuchsen, was -wäre diese Episode wahr- Frankreichs Anspruch, Ursprungsland der Champagnerrebe zu sein, in einem anderen Licht erscheinen ließe.

In der Zeit der Herrschaft Venedigs verlieh die englische Königin Elisabeth I. ihrem Favoriten, dem politisierenden Abenteurer Sir Walter Raleigh, das Importmonopol für zyprische Weine über den Hafen von Southampton, wo eine prosperierende Kolonie zyprischer Kaufleute an den Weingeschäften einträglich mitverdiente. Von Selim II., dem Eroberer Zyperns, wird berichtet, er habe mit der Parole "es befindet sich dort ein Schatz, den zu besitzen nur der König der Könige würdig ist" seine militärischen Führer zum Angriff auf das weinreiche Zypern angetrieben. Drei Jahre nach der Einnahme der Insel sei der wegen seiner unmäßigen Trinkgelage mit vorzugsweise zyprischen Weinen in den Ruf eines Säufers geratene Sultan nach einer ausgiebigen Weinprobe in seinem Bade tödlich verunglückt. Verständlich, daß das Kerngebiet des Weinanbaus, die Johanniter-Kommende nahe Limassol, mit den Kronländereien des Sultans verschmolzen wurde. So "hing der Duft des Kommandaria-Weins noch immer um das frühere Besitztum der Ritter" - was heißen soll, die Produktion von Wein ging auch unter türkischer Herrschaft weiter. 1576 bedachte der venezianische Renaissance-Schriftsteller Tomasso Porcacchi die Weine der Insel mit dem Prädikat "sehr süß und wohltuend" und den Weinen aller Länder ebenbürtig.

Eine erste umfassende Kurzmonographie über alle Aspekte der zyprischen Weinkultur veröffentlichte 1791 ein deutscher Anonymus unter dem Titel "Über den Weinbau und Weinhandel auf der Insel Cypern" in dem Leipziger "Journal für Fabrik, Manufaktur und Handlung" und außerdem in leicht gekürzter Fassung und mit geändertem Titel ("Der Cypernwein") in "Neues Hannoverisches Magazin, worin kleine Abhandlungen, einzelne Gedanken, Nachrichten, Vorschläge und Erfahrungen . . .", (1792, Band 2). Mit seiner kenntnisreichen Darstellung rückte er das schiefe Bild einer von mittelalterlicher Legendengläubigkeit, unbekümmerten Übertreibungen und schlichter Unkenntnis geprägten Berichterstattung zurecht.

Ohne eigenes Zutun bescherte das 19. Jahrhundert den zyprischen Weinbauern zwei ausgeprägte Boomphasen. Die eine wurde ausgelöst durch den Krim-Krieg, die andere entwickelte sich aus der hektischen Nachfrage europäischer Länder, nachdem die gefürchtete Reblaus (Phylloxera) 1860 nach Europa eingeschleppt worden war und einen Großteil des Rebbestandes vernichtet hatte. Um 1890 war die Zahl der zyprischen Weinbauern auf 10.337 gestiegen - eine Folge des Nachfrageschubs aus Europa, aber auch eine Reaktion auf die Liquidierung der harten, seit der osmanischen Zeit auf den Weinbauen lastenden Steuer, die 1884 von der englischen Administration durch einen einfachen Exportzoll ersetzt worden war. Nach der Erholung der europäischen Weinbaugebiete sah sich Zyperns aufgeblähte Weinwirtschaft vor gewaltigen Problemen. Das gleiche Phänomen -zunächst Flächenerweiterung auf Grund großer Nachfrage, dann dramatischer Rückgang der Exporte nach der Konsolidierung der europäischen Anbaugebiete- wiederholte sich nach dem Ersten Weltkrieg und auch nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die europäischen Verhältnisse entspannten, der kriegsbedingte Boom in Zypern in sich zusammenfiel und die Weinbauern auf den Erträgen ihrer abermals vergrößerten Anbaufläche sitzenblieben und obendrein noch den Geschmackswandel in Europa zu spüren bekamen, der zunehmend nach trockenen Weinen verlangte und die traditionsreichen süßen Weine Zyperns verschmähte.

Für Politiker und Agrarfachleute waren die Probleme der heimischen Weinwirtschaft eine immer wieder gern beschworene Herausforderung. Doch erheblich länger als in allen vergleichbaren Weinländern, im Grunde bis in die fünfziger Jahre, lastete das Gewicht überholter Strukturen auf diesem volkswirtschaftlich so bedeutenden Sektor. Erst die Umgestaltung der europäischen Märkte bewegte die zyprische Regierung, ein durchgreifendes Modernisierungskonzept zu entwerfen.

Als Juwel zyprischer Weinkultur gilt der "Kommandaria", ein Dessertwein aus einer Mischung von Mavro- und Xinisteritrauben mit einem unerreichten Bukett und einer delikaten Honigsüße. Sein Name geht auf die Templer-, später Johanniterkommende nahe Limassol zurück. Seit Jahrhunderten nach überlieferten Verfahren hergestellt, gilt er wohl zu Recht als der älteste aller namentlich bekannten Weine der Welt. Aus der Küche eines zyprischen Gourmets ist das folgende Rezept für die raffinierte Zubereitung einer Feigenschnepfe (Beccafico) überliefert - natürlich unter Verwendung des "Kommandaria" : "Man köpfe, rupfe und brühe sie ab. Dann bewahre man sie einige Zeit in Kommandaria und Essig. Man nehme sie aus der Beize, spalte sie und brate sie auf dem Rost bei schnellem Feuer. Dann trage man sie siedendheiß auf gerösteter Semmel mit gehackter Petersilie auf." Der Ruhm des "Kommandaria" war schon im Hohen Mittelalter an die europäischen Höfe gedrungen. Ein von der Gilde der Londoner Weinhändler im Jahre 1363 ausgerichtetes Bankett zu Ehren des zyprischen Königs Pierre I. de Lusignan, der "gleich einer Figur aus einem Heldenepos" unter Europas Machthabern für einen neuen Kreuzzug warb, wird gewiß nicht ohne einige Fässer "Kommandaria" über die Bühne gegangen sein. Als "Bankett der fünf Könige" hat ein Maler des 19. Jahrhunderts die Szene nachempfunden. Mit dem königlichen Gast aus Zypern zechten König Edward III. von England, König David von Schottland, König Jean II. von Frankreich und König Waldemar von Polen.

 


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