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Reiseführer Nordzypern

Richard Pococke (1738)

"Die Cyprier sind die verschlagensten und künstlichsten Leute in der ganzen Levante, auch nicht vielwahrheitsliebender als ihre Nachbarn und man kann sich auf ihre Worte gar nicht verlassen, da sie alle Mittel und Wege zu betrügen, sich zu Nutze machen. Die Weiber übertreffen heute zu Tage ihre Vorfahren an Tugend sehr wenig und da sie keine Schleyer tragen, zeigen sie sich in einer solchen Gestalt, die man hier zu Lande für ungebührlich ansiehet. Sie gehen alle Pfingsten in Procession an die See, welches ein Überbleibsel der heidnischen Gewohnheit zu seyn scheinet, da man zum Andenken der aus dem Meere herfür kommenden Venus jährlich in Procession nach dem Meere gieng und vorAlters dabei noch viele andere Dinge vornahm. Die Cyprier bleiben noch immer bei der barbarischen Gewohnheit anderer morgenländischer Völker, mit ihren Weibern wie mit Dienstboten umzugehen; sie warten bei Tische auf und setzen sich niemals mit an den Tisch, ausser in einigen Familien, die durch vielen Umgang mit den Franken zu ihrer Lebensart sind gewöhnt worden; denn da sie unter den griechischen Kaisern und den Venetianern gestanden, haben sie sehr viele europäische Gebräuche angenommen. Sie bedienen sich der Stühle und Tische und schlafen auf länglicht viereckigen Pritschen,vermuthlich um von den schädlichen Thieren im Sommer und dem Dampfe, welcher im Winter das starke Regenwetter verursacht, desto besser befreiet zu seyn (...)

Das gemeine Volk kleidet sich meistens hier ebenso, wie auf den andern Inseln der Levante; allein diejenigen, welche sich vor dem gemeinen Pöbel etwas einbilden, kleiden sich wie Türken; nur, daß sie eine rothe, mit Pelz ausgeschlagene Mütze tragen, welches die eigentliche griechische Tracht ist, die nur von den Insulanern, sie mögen leben, in welchem Theile der Levante sie nur immer wollen, getragen wird (...)

Die Mahomedaner verheirathen sich öfters mit Christinnen und fasten mit ihren Weibern. Viele derselben sind, wie man glaubt, dem Christenthume nicht abgeneigt; nichts destoweniger aber sind die Türken auf die Gewalt der Christen hier so eifersüchtig, dass sie denselben nicht verstatten wollen, einige schwarze Sclaven, die häufig nach Egypten gebracht und den Türken verkauft werden, oder andere, welche Mahomedaner sind, zu kaufen (...)

Die Priester sind, wie in den morgenländischen Kirchen gewöhnlich, sehr unwissend, und, ohngeachtetdie griechische Sprache ihre Muttersprache ist, so können sie doch nicht einmal das alte Griechische im Neuen Testamente lesen, obgleich dasselbe von dem heutigen Griechischen sehr wenig verschieden ist. Doch ist das Griechische in Cypern mehr verfälscht als auf vielen anderen Inseln, indem die Einwohner von den Venetianern manche Worte angenommen haben. Diese Sprache ist sonst nicht unangenehm, nur dass sie sehr geschwinde gesprochen wird (...)

Die Einwohner pflügen mit ihren Kühen, und melken, wie ich mir habe sagen lassen, dieselben nicht,weil sie es für etwas grausames halten, ein solches Thier zu melken und zugleich damit zu arbeiten.Der Verlust der Kuhmilch wird durch die Ziegen ersetzet, welche hier weit bunter sind, als ich sie jemals gesehen habe. Man macht aus der Ziegenmilch Käse, welcher allenthalben in der Levante berühmt, und nur der einzige gute Käss ist, den man in diesen Ländern antrifft (...) Die Türken haben vor den Schweinen einen solchen Abscheu, dass die Christen an den Orten, wo sie weniger als in Cypern zu sagen haben, keine halten dürfen; sie werden daher von hieraus mit vortrefflichen Schinken versorget, die man im Einsaltzen wohl in acht nimmt, hernach kostbaren Wein darüber giesset, und wenn sie durch Pressen getrocknet sind, aufhängt (...)

Der Handel ist an diesem Orte (Famagusta) sehr schlecht, welches die Ursache ist, warum alle Lebensmittel hier wohlfeil sind: denn ein fetter Hammel kostet nur eine halbe Krone. Innerhalb der Mauern darf kein Christ wohnen, ausser wenn er im Gefängnis ist und in diesem Zustande sahe ich einen griechischen Patriarchen von Constantinopel, der abgesetzet, und weil er seinem Nachfolger Ränke spielen wollen, vor einigen Monathen nach diesem Orte verbannet worden war; ich traf denselben nachher auf einer von den Fürsteninseln bei Constantinopel an, da er von seiner Verbannung zurück gekommen war. Man dultet in der Stadt nicht, dass ein Christ anders als zu Fusse herein oderheraus gehe. Ein Europäer, der von dem türkischen Kaiser einen Freibrief erhalten hatte, in seiner Kutsche hinein zu fahren, erhielt, als er denselben zu dem Stadthalter sendete, diese sehr kaltsinnigeAntwort, "dass er ihm zwar aus Gehorsam gegen den Freibrief erlaube, mit seinem Fuhrwerke in die Stadt zu kommen, er verstatte ihm aber nicht, mit demselben wiederum aus der Stadt zu fahren".

Richard Pococke`s Beschreibung des Morgenlandes und einiger andern Länder, der diese Auszüge entnommen sind, erschien 1791 in deutscher Übersetzung im Verlage der Waltherschen Buchhandlung zu Erlangen. Im dritten Buch, erstes bis sechstes Hauptstück, schildert GeneralvikarPococke seine Erkundungstour durch die Insel, der er anläßlich einer mehrjährigen Levante-Reise einen längeren Besuch abstattete. In Begleitung eines Janitscharen des britischen Konsuls in Larnaca hatte Pococke die Insel kreuz und quer durchwandert und über seine Eindrücke und Beobachtungen ausführliche Notizen angefertigt, die noch heute wegen ihrer Zuverlässigkeit von Historikern geschätzt werden. 1743, ein Jahr nach seiner Rückkehr - er war zu dieser Zeit Hauskaplan des Vizekönigs von Irland, Earl of Chesterfield - erschien der erste Teil seines Reiseberichts A Description of the East. Richard Pococke wurde 1756 Bischof von Ossory in Irland,blieb aber trotz seiner hohen Kirchenämter seiner Reiseleidenschaft treu.

 


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