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Reiseführer Nordzypern

Die Osmanen kommen

Rückblick

Nachdem die osmanischen Türken 1354 nahe Gallipoli (türk. Gelibolu) an den Dardanellen ihren ersten Brückenkopf auf europäischem Boden errichtet hatten, unterwarfen sie nach und nach die christlichen Mächte des Balkans. 1529 standen sie das erste Mal vor Wien.

Einige Jahre bevor sich die osmanischen Heere den kerneuropäischen Zentren näherten, hatte Sultan Selim I. (reg. 1512-1520) im Verlauf seiner großangelegten Offensive gegen die südlichen und südöstlichen Nachbarländer das Reich der persischen Safaviden besiegt. Letztes Hindernis auf dem Weg zur osmanischen Vorherrschaft in der Region war das Regime der Mamluken im syrisch-ägyptischen Raum. An der Südflanke ihres Reiches, wo die ertragreichen Handelsrouten aus Südasien zusammenliefen, waren sie in eine gefährliche Konfrontation mit den nach Indien vordringenden Portugiesen geraten. Als Selim I. dem Mamlukenstaat im Norden eine zweite Front aufzwang, brach die Herrschaft der turkstämmigen Kriegerkaste in Syrien (1516) und Ägypten (1517) zusammen. Der Sultan der Osmanen übernahm unverzüglich den Kalifentitel und erklärte sich zum Schutzherrn der heiligen Stätten des Islam in Mekka, Medina und Jerusalem.

Ein Nebenaspekt des Machtwechsels betraf ganz direkt Zypern. Seit Venedig 1489 die Herrschaft über die Insel an sich gerissen hatte, kam die Serenissima bereitwillig allen Tributverpflichtungen (die aus der Niederlage von 1426 herrührten) gegenüber dem Mamlukenstaat nach. Als dessen „Rechtsnachfolger“ kam auch das Osmanische Reich in den Genuß venezianischer Tributzahlungen in Höhe von jährlich 8.000 Golddukaten.

Sultan Süleyman der Prächtige

Sultan Süleyman der Prächtige
Quelle: Skylife Nr. 208, Nov. 2000

Nur wenige Jahre nach dem Ende des Mamluken-Reichs schlug auch die Stunde des Johanniterimperiums auf Rhodos. Mit seiner aggressiven Kaperflotte hatte es den osmanischen Waren- und Pilgerverkehr entlang der Ägäisküste unsicher gemacht. 1522 überrannte Sultan Süleymans Streitmacht die Stützpunktkette der Ordensritter auf den Dodekanes-Inseln. Nach Jahren des Umherwanderns errichtete der Orden 1530 auf Malta wieder ein militantes Regime, in dem manche ein Aushängeschild der Christenheit sahen, andere die „schlimmste Verschwörerstätte christlicher Korsaren“.

Kontroverse Planspiele

Obwohl von osmanischen Territorien umschlossen und wie eine feindliche Galeere im Meer der Türken schwimmend, blieb Zypern noch lange unbehelligt. Ausschlaggebend dafür waren die tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten innerhalb der osmanischen Entscheidungsgremien. Für die Militärführung war der Waffengang gegen die letzte christliche Bastion im osmanisch dominierten östlichen Mittelmeer unverzichtbar. Doch es gab auch andere Stimmen. So plädierten einflußreiche Kreise um den Großwesir (Premierminister) Mehmed Sokollu Paşa, der als Christenkind aus Bosnien auf dem Wege der „Knabenlese“ (devşirme) in Istanbul Karriere gemacht hatte, für einen Präventivkrieg gegen die Großmacht Spanien. Gegner des Plans warnten vor einer Überschätzung der spanischen Ambitionen in der Levante, schließlich seien Spaniens wirtschaftliche Interessen im atlantisch-transatlantischen Raum angesiedelt. Sokollu und seine Anhänger hätten einen Ausgleich mit Venedig auch deshalb vorgezogen, weil das Reich der Türken von der Erfahrung und dem Geschick der Venezianer im internationalen Handelsgeschäft noch stets profitiert hatte und gerade jetzt Unterstützung bei dem Versuch benötigte, den ins Stocken geratenen Orienthandel wiederzubeleben. Seit nämlich die Portugiesen den direkten Weg über die Kap-Route nach Europa nahmen und Schlüsselmärkte wie den von Antwerpen mit Pfeffer überschwemmten, kam nicht nur Venedig das Monopol für den Handel mit exotischen Gütern abhanden, kaum weniger alarmierend war die neue Entwicklung auch für das Osmanische Reich, das über teuer verkaufte Verkehrsrechte am Orienthandel kräftig mitverdient hatte.

Nach zähen Debatten fiel unter Sultan Selim II. (reg. 1566-1574) die Entscheidung für die Annexion Zyperns und gegen die unabsehbaren Risiken eines Krieges gegen Spanien. Der Herrscher stützte sich dabei auf ein Rechtsgutachten (fetva) von Ebu-us-Suud Effendi. Er war damals der „Şeyh-ül-Islam“, das ranghöchste Mitglied unter den Repräsentanten (ulema) der theologischen Gelehrsamkeit und des Rechts, zugleich war er als Müfti der höchste geistliche Würdenträger des Landes. Der Kernsatz des Gutachtens (das unter christlichen Kommentatoren seit jener Zeit immer wieder für Aufregung sorgte) lautete: „Der Fürst des Islam (d. i. der Sultan) kann nur dann gesetzmäßig mit den Ungläubigen Frieden schließen, wenn daraus für die gesamten Muslime Nutzen und Vorteil entsteht. Wird dieser Vorteil nicht bezweckt, ist auch der Friede nicht gesetzmäßig. Sobald ein Nutzen erscheint . . . so ist es . . . allerdings erforderlich und notwendig, den Frieden zu brechen.“ Zürnte Joseph von Hammer-Purgstall, der große Orientalist aus Wien: „Dieses Fetva beleidigt in so hohem Grade die ersten Grundsätze des Völkerrechts und öffentlicher Treue, schreit so laut wider alle Begriffe der Redlichkeit und traktatenmäßiger Verbindlichkeit…“

Sultan Selim II.

Sultan Selim II.

Das war Anfang des 19. Jahrhunderts. Selim, seinerzeit, meinte indes überzeugende Gründe für einen Schlag gegen die Insel zu haben. Sie sei ein Unruheherd und das widerspreche den Interessen der Menschen der Region, zudem liege Zypern inmitten osmanischen Einflußgebietes, auch sei die Insel seit den arabischen Invasionen über mehr oder weniger lange Zeiträume muslimisches Territorium und bis noch vor kurzem dem Mamlukenreich tributpflichtig gewesen. Besonders schwer wiege der Umstand, dass im Schutze der Insel christliche Piratenflotten operierten, die Pilgerreisen zu den heiligen Stätten des Islam gefährdeten und den Verkehr auf den Handelsrouten zwischen Ägypten und dem osmanischen Kernland fast zum Erliegen brächten.

Der Angriff

An seiner Seite versammelte der Sultan den gebürtigen Bosnier Lala Mustafa Paşa, den er zum Oberbefehlshaber (serdar) des Zypernunternehmens ernannte, seinen Schwiegersohn, den Renegaten kroatischer Herkunft, Piyale Paşa, als Flottenkommandeur, Admiral (kaptan-i derya) Ali Pasha, der Truppen, Material und Munition für die Landoperationen transportierte sowie den aus Albanien stammenden Piraten Murat Reis, dessen kampferprobte Schiffe der Invasionsstreitmacht den Rücken freihalten sollten. Die Flotteneinheiten des algerischen Gouverneurs Uluç Ali Paşa, auch er ein Renegat, der als Giovanni Dionigi Galeni seine Jugend im süditalienischen Kalabrien verlebt hatte, sollten später dazustoßen.

Lala Mustafa Pasa

Lala Mustafa Pasa

Die drei osmanischen Flottenverbände verließen Istanbul zwischen Mitte März und Mitte Mai 1570. Es sollen an die 350 Schiffe gewesen sein, die zunächst 50.000 Soldaten nach Zypern transportierten und im weiteren Verlauf – vor allem während der Belagerung von Famagusta – noch ein mehrfaches an Truppen verschifften. Dieser gewaltigen Streitmacht standen auf Seiten der Verteidiger nur 4.300 Fußsoldaten, 1.000 Reiter und 4.500 Mann einer griechisch-zyprischen Bauernmiliz gegenüber. Am 3. Juli 1570 gingen die türkischen Truppen nahe Larnaca an Land. Drei Wochen später begann die Belagerung von Nicosia, das unzureichend ausgerüstet und dilettantisch verteidigt, am 9. September fiel. Noch im gleichen Monat kapitulierte die Seefestung Kyrenia (türk. Girne). Nach langen Vorbereitungen begann mit dem Sturm auf das stark befestigte Famagusta der Endkampf um den Besitz der Insel, in dessen Verlauf es zu den Greueltaten kam, die noch lange die Gemüter vieler Zeitgenossen erregten. Am 1. August 1571 gaben die Verteidiger Famagustas den Kampf auf – ganz Zypern war in türkischer Hand.

Lepanto und die Folgen

Währenddessen hatte Papst Pius V. unter dem Eindruck der Vorgänge auf Zypern die zaudernde Christenheit zur Formierung einer „Heiligen Liga“ bewegen können. Sie sollte, wie es in der Vereinbarung hieß, „den Türken vernichten und ruinieren“. Ein großes Wort angesichts des grassierenden gegenseitigen Mißtrauens unter den Bundesgenossen und der Tatsache, dass statt der propagierten „Weltkoalition der christlichen Mächte“ nur eine Rumpfliga zustande kam. Frankreich jedenfalls sah sich als Verbündeter der Hohen Pforte außerstande teilzunehmen und empfand es als Zumutung, sich seinem Erzrivalen Spanien an die Seite stellen zu sollen. Ähnlich argumentierte das elisabethanische England, das sich zu einem Bündnis mit Spaniens Philipp II. nicht herablassen wollte. Auch der Habsburger Maximilian II. hatte (wie schon Frankreich) einen Friedensvertrag mit Istanbul abgeschlossen und winkte ab.

Ungeachtet der verzweifelten Lage der Verteidiger von Famagusta, regelte die „Heilige Liga“, der nun Venedig und der Vatikan, Spanien, die spanischen Vizekönigreiche Sizilien und Neapel sowie Genua, Savoyen und die Johanniterritter von der Insel Malta angehörten, in aller Ausführlichkeit die Aufteilung der Kriegskosten und legte die Anteile an den zu erwartenden Eroberungen fest. (Durch Ausgleichszahlungen aus der Papstkasse in Höhe von 50.000 Dukaten an Venedig und 1 Mio. Escudos an Spanien sowie der Aufteilung der Beute im Wert von je 200.000 Escudos an Spanien, Venedig und den Papst blieben die Nettokosten des Lepanto-Unternehmens relativ gering.)

Ernsthafte Anstrengungen, Zypern zu entsetzen, unternahm freilich niemand und das hatte seine Gründe: Venedig gab den Kampf um die Insel längst verloren und plante bereits hinter den Kulissen künftige Arrangements mit den Türken. Die anderen Bündnispartner rührte das Schicksal Zyperns kaum. Sie sahen vielmehr mit heimlicher Genugtuung das Debakel auf die Serenissima zukommen.

Was die Verbündeten noch zusammenhielt, war das unbändige Verlangen nach der großen militärischen Abrechnung mit den Osmanen wann und an welchem Ort auch immer. Am 7. Oktober 1571 trafen die beiden Kriegsflotten vor Lepanto (griech. Navpaktos, türk. Inebahti) am Ausgang des Golfs von Korinth zur letzten großen Galeerenschlacht der Geschichte aufeinander. Die „Heilige Liga“ behielt die Oberhand, ließ aber die Gelegenheit verstreichen, Nutzen aus ihrem epochalen Sieg zu ziehen – zu groß waren die Rivalitäten unter ihren Führern. Einer von ihnen, Marcantonio Colonna, Stellvertreter des Oberbefehlshabers Juan d`Austria, gab einen unverhüllten Einblick in die innere Verfassung der „Heiligen Liga“, als er offen bekannte, es sei ein großes Wunder gewesen, „dass die herrschende Gier und Habsucht uns nicht in einer zweiten Schlacht gegeneinander trieb“.

Italienische Galeasse

Mit starkem Rammsporn bewaffnet: eine italienische
Galeasse aus der Seeschlacht von Lepanto

Die als unbesiegbar geltende türkische Flotte hatte schon binnen Jahresfrist ihre Verluste ausgeglichen und verfügte wieder über 250 kampfentschlossene Galeeren. Auch der türkische Großwesir zeigte sich von der Niederlage unbeeindruckt, als er dem venezianischen Botschafter in Istanbul den Unterschied „zwischen Eurer und unserer Niederlage“ erläuterte: „Indem wir Euch das Königreich Zypern entrissen haben, haben wir Euch einen Arm abgetrennt. Indem Ihr unsere Flotte besiegt habt, habt Ihr uns nur den Bart abrasiert. Der Arm wächst nicht wieder nach, aber der Bart wächst nun um so dichter.“

Die Auseinandersetzung vor Lepanto führte zu einer Bereinigung der Einflußsphären im Mittelmeer. Die Türken beschränkten sich jetzt auf ihre Vormachtstellung im östlichen Teil, während spanische, maltesische und italienische Flotten das westliche Mittelmeer unter sich aufteilten.

Den Verlust Zyperns konnte Venedig leicht verkraften. Dank der schnellen Normalisierung der Verbindungen zur Hohen Pforte waren schon wenige Jahre nach dem zyprischen Krieg venezianische Kaufleute wieder führend im Export zyprischer Baumwolle tätig, gemäß ihrem Leitspruch „Wir sind zuallererst Venezianer, danach erst Christen“. Grundlage der venezianisch-türkischen Beziehungen war ein umfassendes Vertragswerk, das entgegen den Absprachen mit den Verbündeten der „Heiligen Liga“ 1573 einen Separatfrieden besiegelte, der die Abtretung der Insel an das Osmanische Reich bestätigte und den Venezianern die Zahlung einer Kriegsentschädigung (!) an Istanbul in Höhe von 300.000 Dukaten auferlegte.

 


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