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Reiseführer Nordzypern

Kolokaz

Eine echte Rarität! Nirgendwo sonst in Europa wird diese urwüchsige Knollenfrucht geerntet. Allerdings befindet sie sich auch in Zypern auf dem Rückzug. Ein Newcomer aus Amerika, die Kartoffel, löste irgendwann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Kolokasie von ihrem Stammplatz in den zyprischen Küchen ab. Ganz verdrängen ließ sie sich freilich nicht und wo immer in Zypern traditionelle Kochkunst hochgehalten wird, da ist auch die Kolokasie mit von der Partie.

In Restaurants wird man ihr nie begegnen. Die Chance, einmal ihren kulinarischen Stellenwert zu ergründen, ergibt sich eigentlich nur, wenn man zu Einheimischen nach Hause eingeladen wird und die Hausfrau ein Kolokazgericht auftischt wie etwa diesen Kolokaz-Hähnchen-Topf: dazu werden Hähnchenteile und feingehackte Zwiebeln kräftig angebraten, Selleriescheiben und Kolokasienstücke sowie pürierte Tomaten beigegeben, die Mischung mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft gewürzt, dann abgedeckt und 15-20 Minuten bei schwacher Hitze geköchelt. Die Zubereitung der Kolokasie ist der schwierigste Teil der Kochprozedur. Das Knollengewächs sollte nicht gewaschen, sondern nur geschält werden. Beim Zerkleinern wird so vorgegangen: mit einem scharfen Messer wird von der Spitze nach unten nur jeweils knapp eingeschnitten und dann Stück für Stück abgebrochen. Dabei muss der Schnitt parallel zur Achse der Pflanze geführt werden, um nicht die Fasern des Fruchtfleisches zu verletzen, was die Stärke beim Erhitzen austreten ließe und das Gemüse ein „für Europäer etwas unangenehm Seifenartiges im Geschmack“ annehmen kann, wie einst ein deutscher Reisender klagte.

Arabische Wurzeln

Ein anderes, sehr altes Rezept stammt aus der Feder des Ibn Razin al-Tudjibi, der nach seiner Vertreibung aus dem muslimischen Andalusien die Kochkunst seiner verlorenen Heimat für die Nachwelt festhielt:
„Man wäscht von schönen frischen Kolokasien den Staub ab, schält den oberen Teil, schneidet sie in feine Stücke und gart sie kurz in Salzwasser. Dann lässt man sie trocknen und brät sie nun in der Pfanne in Öl oder Fett, bis sie braun sind. Abgefüllt in eine Schüssel, werden sie zum Schluss mit etwas Limonenessig besprenkelt.“
Das bringt uns auf die Spur der Araber, die Colocasia esculenta wie übrigens auch das Zuckerrohr Anfang des 8. Jahrhunderts in Spanien eingeführt hatten, wo die Pflanze später wieder in Vergessenheit geriet. Aus dem arabischen Raum, vom Land am Nil, wo die Kolokasie (arab. Qulqas) zu den Grundnahrungsmitteln zählte, gelangte die Knollenpflanze im Mittelalter auch nach Zypern. Erstmals erwähnt sie 1573 Stefano Lusignano in seiner Inselgeschichte: „Sie lässt sich sehr gut essen, sei es in Suppen und Salat oder geröstet“. Und der Archäologe Max Ohnefalsch-Richter notierte 1880: „Die Bauern Cyperns genießen und kennen oft gar nicht die Kartoffel, dagegen die Kolokasie (...) Diese Erdfrucht (wie bei der Kartoffel ist der genießbare Teil der verbreitete Wurzelstock) soll, wie so vieles, von den Ägyptern nach der Insel gebracht worden sein...“


Anbauschwerpunkte waren hier Güzelyurt (Morphou), Alsancak (Karavas), Lapta (Lapithos) und Yesilköy (Aghios Andronikos) auf der Karpaz-Halbinsel – Landstriche also, die das im Überfluss hatten, was Kolokaz (im Gegensatz zu Kartoffeln) in großen Mengen benötigt und seinen Anbau auf nur wenige Lokalitäten beschränkte: Wasser.
Als gegen Mitte des 19. Jahrhunderts die Kartoffel von der in Larnaca ansässigen Großgrundbesitzerfamilie Mattei (die sich auch um die Heuschreckenbekämpfung verdient machte) in Zypern eingeführt wurde, konnte von einem Siegeszug lange Zeit nicht die Rede sein. So stellte noch 1903 der Geograph Eugen Oberhummer fest: „Wichtiger und für Cypern eigentümlicher ist eine andere Knollenfrucht, welche als Ersatz für die Kartoffel gelten kann, nämlich die Colocasie...“
Wegen mancher Ähnlichkeiten mit dem Kolokaz nannten die Einheimischen den Erdapfel aus Amerika anfangs „frenk kolokasi“.

Stärke ist ihre Stärke

Die Gattung Colocasia gehört zur Familie der Araceae, der Aronstabgewächse. Sie wird überwiegend in den Tropen und in einigen subtropischen Gebieten für den Direktverzehr oder zur Gewinnung von Stärke angebaut. Andere tropische Knollenpflanzen wie Batate, Maniok und Yam sind noch weiter verbreitet und zählen ebenso zu den bedeutenden Grundnahrungsmitteln ärmerer Bevölkerungsschichten. Die Kolokaz-Staude mit den Varietäten Dasheen („esculenta“) und Eddoe („antiquorum“) bildet ein knollig verdicktes Rhizom (Wurzelstock) aus, das als Stärkelieferant industriell genutzt werden kann. Die Stärke - ihr Anteil liegt bei 15 – 26 % - wird unter der Bezeichnung „Portland Arrowroot“ gehandelt. Was den Nährwert angeht, ähnelt Kolokaz der Kartoffel. Nur sein Zuckeranteil ist höher. Wegen des Gehalts an Calciumoxalatkristallen können weder Blätter noch Knollen roh genossen werden.


Die Kolokasie wird zumeist in Salzwasser gekocht, manchmal auch geröstet oder frittiert. Zu den kulinarisch anspruchsvolleren Zubereitungen zählt unbedingt das hawaiianische Nationalgericht „Poi“, bei dem die Kolokasie in Teig gebacken und mit Fisch oder Fleisch serviert wird.
Auch die schildförmigen dekorativen Blätter, die man nicht zu Unrecht „Elefantenohr“ nennt, können gegessen werden. Dazu verwendet man nur junge Blätter, aus denen sich ein dem Spinat ähnliches, mancherorts „Karibenkohl“ genanntes Gemüse zubereiten lässt. Und Brockhaus` Konversations-Lexikon von 1892 weiß, dass „verschiedene Arten ihrer schönen Blätter wegen häufig als Zierpflanzen in Warmhäusern gezogen werden“.

Von Wasserbrotwurzel bis Taro

Im deutschen Sprachraum hat sich die Bezeichnung „Kolokasie“ in enger Anlehnung an die wissenschaftliche Nomenklatur Colocasia esculenta bzw. C. antiquorum eingebürgert, die wiederum auf das griechische „kolokásion“ (Plural: „kolokasía“) zurückgeht.
Lange bevor die Arten ihre eindeutige Benennung erhielten und die Verwandtschaftsverhältnisse der Pflanzenfamilien geklärt waren, kursierten die eigenartigsten Namen für die Kolokasie. Teilweise fußten sie auf antiken Begriffen wie etwa „Ägyptische Bohne“ (wegen der essbaren Samen) oder „Ägyptische Wasserlilie“ (wegen ihrer rosenroten Blüten), auch nannte man sie „Kohlpinte“ oder „Wasserbrotwurzel“ und noch in jüngster Vergangenheit sprach man von „Blattwurz“ und „Zehrwurz“.
Auf der Hawaii-Insel Kauai, wo die Kolokasie auf großen überfluteten Feldern wächst, nennt man sie „Kalo“, in der arabischen Welt „qulqas“, in Nordzypern „kolokaz“, im griechischen Süden Zyperns „kolokási“. International hat sich „Taro“ durchgesetzt, ein Wort aus der Sprache der neuseeländischen Maori.

 


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