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Reiseführer Nordzypern

Kap Andreas-Kastros

Am Zafer Burnu, der Spitze der Karpaz-Halbinsel

Am Zafer Burnu, der Spitze der Karpaz-Halbinsel

Die archäologische Stätte am äußersten Ende der Karpaz-Halbinsel zählt zu einer Gruppe von rund fünfundzwanzig bisher erforschten präkeramischen Siedlungen des zyprischen Neolithikums. An der Nordküste der Insel gibt es aus den verschiedenen neolithischen Kulturphasen eine Reihe weiterer Fundstätten, die sich wie Kap Andreas-Kastros durch ihre verwegene Lage auszeichnen. Troulli zum Beispiel, ein Felskegel 16 km östlich von Girne, an dessen landseitiger Flanke neolithische Siedlungsspuren zu erkennen sind oder Agios Epiktitos Vrysi (türk. Çatalköy, 11 km östlich von Girne) auf einer brüchigen Felskante, von der dann und wann ganze Partien ins Meer abstürzen und ganz im Westen auf dem winzigen Felseneiland Petra tou Limniti, das vordem als Landvorsprung mit der Küste verbunden war.

Ein Dorf am Ende der Welt

Neolithische Siedlungen auf isolierten Küstenfelsen sind nichts Ungewöhnliches. Der Wunsch nach Sicherheit vor feindlichen Übergriffen ließ die Steinzeitmenschen solche scheinbar unwirtlichen Orte als geeignete Siedlungsplätze auswählen. Im Falle von Andreas-Kastros liegen die Überreste der Rundhütten auf einem nach Süden gerichteten Absatz unterhalb des Aphrodite Akraia-Plateaus, nach oben durch eine Felswand geschützt und nach unten durch steil abfallendes Gelände und das Meer. Die Häuserspuren (s. Foto) entsprechen nach Grundriss und Größe den Haustypen von Chirokitia, der berühmten (und umfassend erforschten) steinzeitlichen Siedlung auf halbem Wege zwischen Limassol und Larnaca.


Man lebte am Kap in Rundhütten mit einem inneren Durchmesser zwischen 2,60 m und 3,00 m. Das entsprach einer Wohnfläche von etwa 5 bis 7 m². Die Konstruktion war einfach: Geeignete Steine wurden in nur einer einzigen Reihe übereinander geschichtet, ohne gestampften Lehm oder ungebrannte Ziegel zur Verstärkung zu verwenden und damit die beträchtliche Wanddicke zu erreichen wie in Chirokitia. Überdeckt waren die Hütten mit einem Flachdach aus Ästen und Zweigen, das mit Lehm abgedichtet wurde. Gestampfte Erde bedeckte ihren Boden, in seiner Mitte war eine Feuerstelle. Ein einziger Bau - vermutlich eine Gemeinschaftseinrichtung - bringt es auf eine Wandstärke von 1,70 m.


Die vier Grabungskampagnen von je fünf Wochen zwischen 1970 und 1973, geleitet von dem Franzosen Alain Le Brun und unterstützt vom Centre National de la Recherche Scientifique, förderten hochinteressante Funde zutage, darunter auch Spuren von Nahrungsmitteln. Wir wissen heute daher recht gut, wie der Speiseplan der Steinzeitmenschen am Kap aussah. Sie waren Jäger: Das damals auf der Insel noch weit verbreitete Damwild (dama mesopotamica) zählte zu ihrer bevorzugten Beute und sie waren Bauern: Schaf, Ziege und Schwein waren, auf welchem Wege auch immer, ins Land gelangt und man begann sie zu domestizieren. Sichelähnliche Werkzeuge und Mahlsteine wurden eingesetzt, was darauf schließen lässt, dass Agrarprodukte den Hauptanteil der Ernährung ausmachten. So fanden die Ausgräber denn auch eine erstaunliche Vielfalt von Pflanzenresten, angefangen von Getreidearten wie Einkorn (Triticum monococcum), dem nahen Verwandten einer Urform des Weizens, und Emmer (Triticum dicoccum), der auch zur Gattung Weizen zählt sowie Gerste und Lolch (auch eine Getreideart). Man stieß auf Linsen, Ackerbohnen und die Überreste von Feigen, Pistazien, Oliven. Schließlich fand man noch einige Muschelschalen und Fischgräten - auch das Meer diente den Menschen am Kap in bescheidenem Umfang der Nahrungsbeschaffung.


Ü ber das religiöse Leben haben die Grabungen nicht viel zutage fördern können. Man weiß, dass Beerdigungen nicht wie in Chirokitia im Haus, sondern stets außerhalb der Behausungen stattfanden: In einem nur 75 X 45 cm messenden Grab wurde ein auf dem Rücken liegender Körper mit zurückgebogenen Beinen entdeckt.

Handwerk und Kunst

Charakteristisch für das zyprische präkeramische (auch: akeramische) Neolithikum ist eine hochentwickelte Technik der Steinbearbeitung. Das gilt für Werkzeuge wie die walzenförmigen Beile aus dem Gestein Andesit als auch für die vollendet geformten Steingefäße und flachen Schüsseln mit und ohne Relief- bzw. Ritzdekor. Auch Objekte aus Feuerstein wie Klingen und Schaber zählten zu den Funden und in nicht geringer Zahl zierlich-schlanke Obsidianklingen, die aus einem natürlichen Gesteinsglas gefertigt wurden und von denen man sogar weiß, woher sie stammen: Nicht aus Zypern, denn hier fehlen jungvulkanische Gebiete, sondern aus der Gegend um das südanatolische Çiftlik - Importe also!

Offene Fragen

Mit Hilfe der Radiokarbonmethode wurde das Alter einiger Fundstücke ermittelt. Sie entstammen dem Zeitraum 6058 +/- 125 bis 5500 +/- 120 v. Chr., entsprechen mithin den aus Chirokitia gewonnen Daten. Unbeantwortet bleibt freilich die Frage, woher die Menschen kamen, die sich am Kap ansiedelten. War ihre Kultur das Ergebnis einer eigenständigen, zyprischen Entwicklung oder waren sie aus Übersee auf die Insel gelangt? Daran schließt sich die nächste Frage an: Wenn es Kolonisten vom Festland waren, was im Moment als wahrscheinlich gilt, woher kamen sie? Von den Küsten Kleinasiens oder aus dem Levanteraum?

Im Herbst 2005 wurde die Fundstätte durch Baumaßnahmen des türkischen Militärs stark in Mitleidenschaft gezogen.

 


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