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Reiseführer Nordzypern

Dipkarpaz

Das von den Inselgriechen Rhizokarpaso genannte Großdorf bedeckt ein auf gut 150 m ansteigendes Hochplateau. Zur nördlichen Meeresküste hin senkt es sich sanft ab, ist aber nach Süden durch ein reich gegliedertes Bergsystem vom Küstensaum abgeschnitten. Der Hauptort des Karpaz erfreut sich einer Gunstlage, die eine weiträumige Bewässerungskultur erlaubt. Wie die Dörfer Lapta und Alsancak am Nordhang des Besparmak-Gebirges ist Dipkarpaz als Streusiedlung angelegt. Viele Häuser sind hier von kleinen Feldern, Gemüse- und Obstgärten umgeben. Schon vor Jahrhunderten hatten die Dorfbewohner ein aus Brunnen und Zisternen gespeistes, effizientes Bewässerungssystem geschaffen. Kanäle leiteten das Wasser in die Gärten und auf die kleinen Felder. Im tiefliegenden und besonders ertragreichen westlichen Ortsteil Anavrysi tummelten sich sogar Wasserschildkröten in einem sumpfigen Bach.

Griechische Kirche in Dipkarpaz

Griechische Kirche

Haupterwerbszweig war bis weit in das 20. Jahrhundert die Seidenkultur. "Die feinste und weißeste Seide kommt aus Famagusta und dem Karpaz", beobachtete der toskanische Gesandte Giovanni Mariti um 1770. Die aus den Kokons gewonnene Rohseide wurde auch gleich vor Ort gesponnen und zu Stoffen gewebt. Auch Tabakpflanzungen gehörten zum damaligen Ortsbild. So berichtete der deutsche Reisende Max Ohnefalsch-Richter aus dem Jahre 1880: "Herrlichen Tabak sollte ich in Rhizokarpaso wachsen sehen und das vorjährige getrocknete Blatt in meiner Pfeife schmecken. Die Qualität lässt nicht zu wünschen übrig und muss einen Tabakgourmand befriedigen." Nach dem Niedergang der Kokonzucht stiegen viele Bauern auf den Anbau von Tabak des Orient-Typs um. Es entstanden spezielle Schuppen zum Trocknen der Tabakblätter. Das Dorf entwickelte sich binnen weniger Jahre zum Zentrum des zyprischen Tabakanbaus und blieb es bis 1974. Auch heute noch wird hier Tabak, allerdings nur in vergleichsweise kleinen Mengen für den Export in die Türkei kultiviert. Intensiver Gemüseanbau ist vorherrschend und in den Tälern der näheren Umgebung gedeiht Getreide auf der rotbraunen Karpazerde.

Türken, Griechen und Lateiner

1960 hatte Rhizokarpaso 3.150 Einwohner. Es war ein nach damaliger Sprachregelung "rein griechisch-zyprischer Ort". 1976, zwei Jahre nach den innerzyprischen Wirren und kriegerischen Ereignissen, mit denen für die Insel ein neues Zeitalter anbrach, lebten hier nur noch 2.160 Einwohner, darunter 1.660 Griechen und 500 Türken. Die Mehrheit der Zyperngriechen hatte sich in den Inselsüden abgesetzt, Türken vom Festland - überwiegend aus dem Raum Mersin/Adana - waren hinzugezogen. Diese Entwicklung hielt in den kommenden Jahren an. Das Zahlenverhältnis verkehrte sich: heute leben ca. 2.500 Menschen in Dipkarpaz, darunter nur noch etwa 250 Zyperngriechen. Letztere verfügen über Grund und Boden, können sich in beiden Teilen Zyperns frei bewegen und dürfen Besuch aus dem Süden empfangen. Ihre Kinder schicken sie auf eine Grundschule, in der in griechischer Sprache unterrichtet wird. Weiterführende Schulen gibt es freilich nur im Süden. Keine Frage: Das Leben in der selbst gewählten Isolation ist nicht einfach. Spannungen mit den türkisch-zyprischen Behörden bleiben nicht aus. Ihre Entscheidungen werden nicht selten als schikanös empfunden. Freilich gibt es je nach "Lagerzugehörigkeit" und politischem Standort stark differierende Meinungen über die Lebensumstände der hiesigen Griechen.

Dipkarpaz

Kirche und Moschee auf engstem Raum

1993 entstand die Moschee von Dipkarpaz. Sie zählt zu den großen muslimischen Gebetshäusern auf der Insel. Hoch am Hang gelegen, überragt sie die Agios Synesios - Kirche. Dem letzten intakten Gotteshaus im Ort stände ein neuer Anstrich gut zu Gesicht, so wie schon 1994, als aus dem Dorfetat von umgerechnet 150.000 Euro ein ansehnlicher Betrag für die Verschönerung der Kirche abgezweigt wurde.

Die mitten im Ort gelegene, relativ große Kirche weist ein Hauptschiff auf, zwei Seitenschiffe und zwei Apsiden. Die dritte Apsis ging zu Bruch, als der Campanile errichtet wurde. An den verbliebenen Apsiden sind byzantinische Architekturmerkmale erkennbar, was auf einen Vorgängerbau aus dem 12. Jahrhundert hinzudeuten scheint. Der größere westliche Teil der dem ehemaligen Bischof Synesios von Carpasia geweihten Kirche einschließlich der oktogonalen Kuppel entstand erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ihre Fassade zeigt den Kathedralen von Famagusta nachempfundene gotische Details.

Arch House in Dipkarpaz

Stilvoll übernachten im Arch House

In byzantinischer Zeit aus den Ruinen des antiken Carpasia erbaut, wurde das kleine Rhizokarpaso im Hohen Mittelalter zur Metropolis von Famagusta. Dieser ungewöhnliche Vorgang geht auf das Konkordat von 1222 zurück. Ein eigens auf die Insel entsandter päpstlicher Legat namens Pelagius diktierte den orthodoxen Kirchenoberen die barschen Anordnungen Roms, wie in Zukunft das Nebeneinander von orthodoxer und katholischer Kirchenhierarchie in Zypern auszusehen habe. Da der Versuch einer Latinisierung des zyprisch-orthodoxen Klerus gescheitert war, blieben Rom nur noch administrative Maßregeln, um den Einfluss der volksnahen Traditionskirche zurückzuschrauben. Und die hatten es in sich: Die existierenden 14 Bischofssitze wurden auf vier reduziert und als besonders gravierend erwies sich die Verbannung der vier Bischöfe in weit entfernte, zumeist unterentwickelte Inselgegenden. Das kirchliche Oberhaupt von Nicosia residierte nun im Troodos-Gebirge, der Bischof von Paphos musste seine Residenz in die westlichen Troodos-Ausläufer verlegen, sein Amtsbruder aus Limassol fand sich in Lefkara wieder und der Bischof von Famagusta im fernen Rhizokarpaso. Die Trennung von ihren Gemeinden und die 1260 in der sog. Bulla Cypria von Papst Alexander IV. durchgesetzte Verpflichtung, den lateinischen (katholischen) Erzbischof in Nicosia als kirchliches Oberhaupt anerkennen zu müssen, bedeuteten für die orthodoxen Bischöfe Entmachtung und Demütigung zugleich. Ihr und ihrer Nachfolger anhaltender Widerstand veranlasste immerhin noch 250 Jahre später Papst Sixtus IV., den Erbauer der Sixtinischen Kapelle, die zyprischen Opponenten zur Einhaltung des Konkordats von 1222 aufzufordern.

Dipkarpaz

Vorbereitung für das Mittagessen

Blaue Augen, blondes Haar

Reisende vergangener Jahrhunderte staunten nicht wenig, als sie nach entbehrungsreichem Ritt im fernen Rhizokarpaso eintrafen und dort Frauen begegneten, die mehr ihren Lieben daheim ähnelten als den eigentlich hier erwarteten glutäugigen, schwarzhaarigen Schönen. So schrieb Esmè Scott-Stevenson 1880 in ihrem Buch "Our Home in Cyprus": Einige Frauen im Dorf mit ihren blonden Haaren und blauen Augen sind ungewöhnlich hübsch und Dr. Paul Schröder bemerkte 1873 in einem Brief: Die Bewohner sind blond, und, namentlich die Frauen, von feinem, schönen Körperbau und natürlich hat auch der penible Chronist J. C. Goodwin in seiner "Historical Toponymy" von 1985 festgehalten, dass die Einwohner von Rhizokarpaso jahrhundertelang wegen ihrer vorherrschend blauen Augen auffielen." Nur Sir Samuel White Baker erweist sich als Spielverderber. Er berichtet aus Rhizokarpaso in "Cypern im Jahre 1879" von einer uns umgebenden Menge der hässlichsten, schmutzigsten, kleinsten und abstoßendsten Weiber, die mir je vor Augen gekommen; es war peinlich, sie anzusehen."
Der große alte Mann der Zypernforschung, Eugen Oberhummer, dachte wohl an unbekannte Immigranten, als er 1892 in einem Zeitschriftenbeitrag feststellte: "Es bildet auch die Bevölkerung von Rhizokarpaso einen eigentümlichen, von den übrigen Cyprioten verschiedenen Schlag, dessen Herkunft bis jetzt nicht aufgeklärt ist." Eine eigenwillige Deutung des Phänomens "blauäugig und blond in Rhizokarpaso" versucht der Engländer Colin Thubron, der 1971 die Insel durchwanderte: "Einige ihrer Menschen lassen noch Anzeichen des venezianischen oder des berühmten Kreuzritterblutes erkennen. Ihre blasse Haut und ihr braunes Haar könnten deutsch oder norditalienisch sein, und es stimmt, dass die Frauen hübscher sind als die meisten auf der Insel. Der schwere, sinnliche Blick, dessen Schönheit nur so kurz währt, ist verschwunden, und wer weiß, vielleicht rinnt das Blut von Nordländern und Schotten in ihren Adern."

 


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