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Reiseführer Nordzypern

Im Visier der Araber

Fern der großen Ereignisse durchlebte Zypern in frühbyzantinischer Zeit eine Phase politischer Stabilität und wirtschaftlicher Blüte. Die Periode friedlichen Aufbaus fand ein jähes Ende, als die Insel zum Schauplatz einer der überraschenden Wendungen der Geschichte wurde: Arabiens im islamischen Glauben vereinte Stämme hatten, ihre tief sitzende Scheu vor dem Meer überwindend, in unvorhersehbarer Geschwindigkeit den Übergang von der Wüste zur See, vom Kamel zum Schiff vollzogen, hatten nach byzantinischem Vorbild eine Kriegsflotte aus dem Boden gestampft und waren im Jahre 649 über Zypern hergefallen.


Der unerwartete Angriff auf byzantinisches Territorium stand unter dem Kommando von Muawija, seinerzeit Statthalter in Syrien, in späteren Jahren Kalif in Bagdad und Begründer der Omaijaden-Dynastie. Sein Griff nach Zypern machte deutlich, dass mit den Arabern eine neue expansive Macht ins Spiel gekommen war, die bei der Neuordnung des Mittelmeerraums ein gewichtiges Wort mitzureden hatte.

"...wie Würmer auf einem Holzspan"

Die Expedition gegen Zypern war im Lager der Angreifer nicht unumstritten. Frühe arabische Historiker wie Tabari, Ibn Khaldun, Maqrizi, Sirhank u. a. fanden heraus, dass Muawija, ein Vertrauter Mohammeds (er diente ihm als Schreiber, seine Schwester Umm-Habiba war mit dem Propheten verheiratet), gegenüber dem Kalifen Omar die Gefahren einer Seeoperation heruntergespielt hatte: Zypern läge so nahe, dass man "fast das Bellen der Hunde und das Gackern der Hühner hören" könne. Misstrauisch geworden, erkundigte sich der Kalif bei seinem Gouverneur in Ägypten, was es denn mit dem Meere auf sich habe. Dessen Antwort passte in Omars Konzept:


"Das Meer ist wie ein gewaltiges Ungeheuer, auf dem sich winzige Kreaturen abquälen, über sich nichts als den Himmel und unter sich allein das Wasser. Wenn es ruhig daliegt, wird einen das Herz schwer. Wenn es tobt, geraten die Sinne ins Taumeln. Man darf ihm wenig trauen, umso mehr sollte man es fürchten. Jene, die auf ihm segeln wie Würmer auf einem Holzspan, drohen von ihm verschlungen zu werden. Sie stehen Todesängste aus."


So bekam denn Muawijah zu hören: "Nein, bei Gott, der Mohammed sandte mit der Wahrheit! Ich werde es nie zulassen, dass sich ein Muslim auf dieses Wasser wagt . . . ein einziger Muslim ist mir mehr wert als alle Schätze der Griechen!"


Wie das Ringen um eine Invasion Zyperns ausging, erzählt der im Jahre 892 verstorbene arabische Historiker al-Baladhuri in seinem Werk Kitab Futuh al-Buldan ("Die Eroberung der Länder"). Danach modifizierte Muawijah ein wenig seine Pläne, betonte abermals, wie leicht das Meer um Zypern zu überqueren sei und erhielt endlich unter Omars Nachfolger Othman die Einwilligung zum Angriff mit der rätselhaften Anmerkung: "Nur wenn Du mit Deiner Frau segelst, geben Wir die Erlaubnis, andernfalls nicht". "So schiffte sich Muawijah in Akkon (an der palästinensischen Küste) ein und segelte in Begleitung seiner Frau Fakhitah mit einem riesigen Flottenverband in Richtung Zypern", schreibt al-Baladhuri und weiter: "Das ereignete sich im Jahre 28 n. H. (25.9.648 - 13.9.649) nach der Regenzeit. Andere sprechen vom Jahre 29 n. H. (14.9.649 - 3.9.650)."
N. H. steht für "Nach der Hidschra", der Übersiedlung Mohammeds von Mekka nach Medina im Jahre 622. Mit ihr beginnt die muslimische Zeitrechnung.


Aus der Feder des syrischen Jakobiten-Patriarchen Dionysios von Tel-Mahre, der eine Weltchronik des Zeitraums 582-842 verfasste, stammt die Beschreibung der Ausfahrt der vereinten syrisch-ägyptischen Kriegsflotte gen Zypern:


"Die ungeheure Zahl ihrer Masten verwandelte die See in einen schwimmenden Wald. Sie setzten ihre Segel als seien sie schneebedeckte Berge und aufgewühlt erschienen die Tiefen des Meeres. Staunen überfiel jeden, der die Schiffe sah. Ihre gewaltige Zahl bedeckte weithin das Meer und starke und kriegstüchtige Männer in der Pracht ihrer Kampfausrüstung bevölkerten die Decks, voller Stolz, bei dem Feldzug gegen das paradiesische Zypern dabei zu sein, dem heiteren Land, das nie zuvor Plünderern zum Opfer gefallen oder einer fremden Macht tributpflichtig war".

Die Insel litt schwer unter dieser ersten Invasion und den anderen, noch folgenden arabischen Übergriffen. Dennoch blieben die wichtigsten sozialen und kirchlichen Strukturen halbwegs funktionsfähig. Mit ihrer Hilfe konnte der Kollaps einer traumatisierten Gesellschaft abgewendet, ihre Kontinuität und kulturelle Identität bewahrt werden.

"Zwischen Griechen und Sarazenen"

Nach einer weiteren Invasion unter dem Kalifen Abd el-Malik (686) einigten sich der arabische Herrscher aus Bagdad und Byzanz` Kaiser Justinian II. im Jahre 689 in einem ungewöhnlichen Abkommen darauf, die Insel einer Doppelverwaltung zu unterstellen, wonach die Abgaben Zyperns (wie schon die Georgiens und Armeniens) beiden Mächten zu gleichen Teilen zufließen sollten. Den Arabern als Tribut, dem Kaiser in Konstantinopel als Steuern. Das eigenartige Doppelstatut, dem sich Zypern fast drei Jahrhunderte zu unterwerfen hatte, erwies sich als wenig stabile Übereinkunft. Obwohl gleichsam neutralisiert, musste die Insel räuberische Übergriffe, Strafaktionen und Vergeltungsschläge der einen wie der anderen Seite über sich ergehen lassen. Weder die arabischen Kalifen noch Byzanz machten allerdings ernsthafte Anstalten, die uneingeschränkte Vorherrschaft auf Zypern zu erringen bzw. zurück zu gewinnen. Das mag sich aus den im Laufe der Jahre veränderten strategischen Zielsetzungen beider Mächte erklären lassen, die der Insel eine weniger bedeutende Rolle zuwiesen. Als Zypern dann doch, begünstigt durch innerarabische Spannungen, mit geringem militärischen Aufwand im Jahre 965 unter Kaiser Nikephoros II. Phokas in den Schoß von Byzanz zurückkehrte, fand das Ereignis in der byzantinischen Öffentlichkeit nur wenig Beachtung.


Die eigentümliche Machtverteilung auf Zypern haben Reisende jener Zeit ganz unterschiedlich wahrgenommen. Wie etwa Willibald, ein Vetter des Bonifatius (des "Apostels der Deutschen"). Der Kleriker und spätere Bischof im bayerischen Eichstätt hatte 724 anlässlich seiner großen Orientreise der Insel einen Besuch abgestattet und dabei beobachtet, dass "die Bewohner von Cypern zwischen den Griechen und Sarazenen wohnen und ohne Waffen sind, weil seit langem Frieden und Aussöhnung zwischen den Sarazenen und Griechen herrscht." Der arabische Geograph al-Muqaddassi schrieb um 985 lapidar "die Insel gehört dem, der gerade die Übermacht in jenen Gewässern hat." Und sein Kollege al-Istakhri stellte um 945 fest: "Zypern ist sehr fruchtbar und wurde von Muawijah durch Übergabe erobert, sodass sie mit den Muslimen in Frieden ist."

 


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