Im Reich der „verschrobenen Gartenkauze“

Eine Gartentour in West-Cork

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Ein im Kern mildes Klima und wenige Frosttage sind geradezu ideal, um Exoten wie Keulenlilien und Agaven prächtig gedeihen zu lassen. Südafrikanische Gräser lassen ihre Halme im sanften Wind schwingen; Eukalyptusbäume aus Australien entfalten ihren intensiven Duft. Ungezählte Rhododendren erblühen im Mai und setzen wie auf einem expressionistischen Gemälde Farbtupfer in die Landschaft, mal in Hellrosa, mal in Tiefrot oder in Orangegelb.

Irland - Blick auf den Steingarten unterhalb von Lisselan House

Blick auf den Steingarten unterhalb von Lisselan House

Bandon und Scibareen mit ihren in grelles Gelb, Blau, Lachsrosa oder Giftgrün getauchten Häusern haben wir hinter uns gelassen. Selbst der glänzende Ford T4 am Ortseingang von Ballinascarthy bewegt uns nicht, unsere Fahrt von Cork in den Westen des Counties zu unterbrechen, denn schließlich sind wir unterwegs, um Riesenpalmlilien, Scharlachfuchsien oder Blumenrohr mit so illustren Beinamen wie Picasso, Monet und Princess Di zu sehen.

Hier fliegt nicht nur ein kleiner weißer Ball übers gepflegte Grün

Eine Überraschung erwartet uns in Lisselan Gardens – der Neun-Loch-Golf-Platz, den man nur komplett bespielen kann, wenn man eine Kabelbahn besteigt, die die Spieler aus den Niederungen am Argideen auf die höher gelegenen Greens bringt. Doch uns steht der Sinn nicht nach Abschlag, nach Putten oder nach Birdies und Eagles, sondern nach exotischer Flora.

Irland - Auch dieser Exot gedeiht prächtig in Lisselan Gardens

Auch dieser Exot gedeiht prächtig in Lisselan Gardens

Betreten wir Lisselan Gardens, so nehmen wir im Frühjahr einen leichten Hauch von Knoblauch war. Ein dichter Teppich von weißen Blüten zieht unsere Blicke auf sich. Wilder Lauch, ja, das muss der „Übeltäter“ sein, der seinen intensiven Duft verströmt. Der uns begleitende John Beavan, die gute Seele des Gartens und zugleich ein Pionier auf dem Gebiet der Zucht von Freilandfuchsien, weist uns unterwegs auf einen mächtigen Baum hin. Mit mehr als sieben Metern Stammumfang ist die Monterey-Fichte von Lisselan die mächtigste ihrer Art in Irland.

Irland - Mehr als 7 Meter Stammumfang hat diese Monterey-Fichte in Lisselan Gardens

Mehr als 7 Meter Stammumfang hat diese Monterey-Fichte in Lisselan Gardens

Mit einem Mantel aus Flechten und Moosen sind einige der anderen Baummethusaleme des Gartens bewachsen, die wohl noch aus der Zeit stammen, als die Familie von William Bence-Jones in dem Mitte des 19.Jahrhunderts erbauten Herrenhaus lebte. John Beavan schätzt das Alter dieser sonst nur auf Felsen gedeihenden Flechten und Moose auf 200 Jahre. Nur Schritte von der Monterey-Fichte entfernt zeigt sich ein Most-Eukalyptus im bläulichen Blättergewand. Beim Weitergehen weist uns John auf eine weidenblättrige Steineibe hin, die ihre natürliche Verbreitung in Chile hat und sich augenscheinlich auch auf irischem Boden zuhause fühlt. Aus südamerikanischen Gefilden stammt außerdem der „Chilenische Feuerbaum“ mit seinen feuerroten Blüten.

Irland - Die Blüte des „Chilenischen Feuerbaums“

Die Blüte des „Chilenischen Feuerbaums“

Die acht im Park vorhandenen Skulpturen der „Vier Jahreszeiten“ sind typisch für einen italienischen Garten. Angesichts der zweimal im Garten vorhandenen „Vier Jahreszeiten“ fügt John Beavan mit einem Grinsen im Gesicht an: „Augenscheinlich haben wir hier in Lisselan den einzigen Garten Irlands mit gleich acht Jahreszeiten!“

Irland - Die „Vier Jahreszeiten“ in Lisselan Gardens

Die „Vier Jahreszeiten“ in Lisselan Gardens

Die Mitte des 19.Jahrhunderts angelegten Gärten folgen in ihrer Gestaltung im Wesentlichen den Ideen von William Robinson, der sich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert im Zuge der Arts&Crafts-Bewegung für den Naturgarten stark machte. Robinson war jegliche Geometrisierung oder Formalisierung der Natur ein Dorn im Auge. „Natur gedeiht halt nicht in geraden Linien“, merkt John Beavon kommentierend an. Daher entdeckt man in Lisselan nur zwei Formschnitte, die typisch für Renaissance- und Barockgärten sind.

Irland - Geckig ist dieser Heckenschnitt

Geckig ist dieser Heckenschnitt

Nicht zu übersehen sind die im Mai voll erblühten Rhododendren und Azaleen. Auch am Rande des Golfplatzes dehnen sich dichte Bestände von Rhododendren aus. Für die Fuchsien, die in Lisselan im ehemaligen Küchengarten ihren Lebensraum haben, ist der Spätherbst die Zeit, in der sie ihre roten Hängeblüten tragen. Über 30 Arten wie die Baumfuchsie, die bis zu 3,50 Meter hoch werden kann und deren Blüten aufrecht stehen und nicht wie sonst bei Fuchsien hängen, hat John seit mehreren Jahren gehegt und gepflegt. Das gilt auch für die Scharlach- und die Königsfuchsie. Lisselan ist, so John Beavon, der einzige Ort, wo in Irland Fuchsien nicht im Gewächshaus oder als Topfpflanze zeitweilig im Freien gehalten werden. Um die Freilandfuchsien über den Winter zu bringen, so John, müssen die Kronen allerdings dicht mit Holzspänen bedeckt werden.

Irland - Keulenlilie und Rhododendron in Lisselan Gardens

Keulenlilie und Rhododendron in Lisselan Gardens

Noch Stunden könnten wir durch den Garten spazieren, doch weitere Gärten in West-Cork warten auf uns. Schnell wird noch ein Blick in die Remisen von Lisselan House geworfen, denn dort befindet sich eine ansehnliche Sammlung alter Autos, darunter auch ein Ford T4 im Originalzustand, und dann geht es weiter.

In Phemies Gartenreich

An der Nordseite von Dunmanus Bay erwartet uns eine ältere weißhaarige Dame an der Zufahrt zu ihrem Garten. Es ist Phemie Rose, die von sich selbst sagt, dass sie wohl verrückt sein muss, um auf diesem kargen Fleckchen Erde mit ihrem Mann zusammen einen Garten mit exotischer Flora zu umsorgen. „Vor zwei Jahrzehnten haben wir mit Kilravock Gardens begonnen. Es wuchs hier eigentlich gar nichts. Nach dem Bau des Hauses durch meinen Mann legten wir den lang gestreckten, schmalen Garten unterhalb und neben dem Haus an“, so berichtet Phemie.

Irland - Kilvarock Gardens – ohne Phemie Rose nicht denkbar

Kilvarock Gardens – ohne Phemie Rose nicht denkbar

Im nächsten Satz gesteht die Hobbygärtnerin gleich, dass ihre Passion die Pflanzenwelt der südlichen Hemisphäre ist. „Ich könnte ja auch gewöhnliche Sträucher und Stauden im Garten halten, aber das ist nun wirkliche keine Herausforderung. Und die brauche ich. Ich ziehe meine Pflanzen aus Samen. Manche muss ich in den Kühlschrank legen, andere muss ich in ein Feuer werfen, damit sie keimen“, erzählt sie uns mit einem Lächeln im Gesicht. Sich und ihre ebenso passionierten Gartenfreunde bezeichnet Phemie schlicht als „verschrobene Gartenkauze“.

Schlendern wir durch Phemies Reich, so sehen wir nicht nur dunkelroten Fächerahorn, dessen Laub sich wie ein Poncho ausladend ausbreitet. Scharfkantig sind die Blätter des „Lanzenholzes“, das eigentlich ein Neuseeländer ist. Mehlbeeren sind ebenso bei Phemie und Malcolm zuhause wie herzblättrige Funkien, die ihren Platz an einem kleinen Teich haben. Ein südafrikanisches Gras, das ein wenig an Schachtelhalm erinnert, präsentiert uns Phemie voller Stolz, denn es trotzte bisher jedem noch so harten Winter.

Irland - In Neuseeland heimisch, aber auch unweit von Durrus ragt das „Lanzenholz“ in den Himmel

In Neuseeland heimisch, aber auch unweit von Durrus ragt das „Lanzenholz“ in den Himmel

Auch den mediterranen Garten, der von schützenden Mauern umgeben ist, zeigt uns Phemie auf der Gartentour. Eine Riesenpalmlilie aus Mexiko findet sich neben einer Hundertjährigen Aloe. Am Rande des Gartens steht ein Sommerflieder, der kräftig gelbe, runde Blüten entwickelt.

Auf die abschließende Frage, woher denn die Vorliebe für Pflanzen aus Neuseeland und Australien stamme, also auch für den in ihrem Garten rot blühenden Eukalyptusbaum, verweist Phemie auf die fünf Jahre, die sie an der Südwestküste Australiens verbracht hat. Die Zeit in Kilravock Gardens vergeht im Fluge, und schon ist es Lunch Time. Wir fahren auf die andere Seite der Bucht, wo Antje und Richard uns in Blair's Cove Restaurant erwarten.

Irland - Im Mittelmeergarten von Kilravock Gardens

Im Mittelmeergarten von Kilravock Gardens

Irische Slow Food in Durrus

Gut essen und den Blick auf Dunmanus Bay genießen, kann man in Blair's Cove Restaurant etwas außerhalb von Durrus. Dass man auch hier im Mai blühende Keulenlilien aus Down Under findet, verwundert nach dem Besuch in Kilvarock Gardens nicht.

Irland - Blick von Blairscove House auf Dunmanus Bay

Blick von Blairscove House auf Dunmanus Bay

Richard, ein junger Küchenchef, der auf regionale Produkte und eine verfeinerte regionale Küche schwört, sowie dessen Partnerin Antje haben ihr Restaurant, in dem sich ein riesiger offener Kamin befindet, mit Sinn für dezente Dekoration ausgestaltet. Ein schwerer Lüster fehlt ebenso wenig wie die polierten Kupferpfannen über dem Kamin. Kerzenleuchter stehen auf den weiß gedeckten Tischen. Auch moderne Kunst kann man bei Richard und Antje bewundern. Ob man sich nun für geschmorten Lachs und Mondfisch oder Lende vom Gubarreen-Schwein entscheidet, zu denen es als Beilage Brechbohnen und Karotten gibt, ist einfach eine Frage der eigenen Vorliebe.

Irland - In Blairscove Restaurant

In Blairscove Restaurant

In die Jahre gekommen

Wohl gestärkt machen wir uns nach Bantry auf. Welch ein Kontrast zu dem schmalen Garten von Phemie ist die ausladende Gartenlandschaft rund um Bantry House. Wer wenig Sinn für „feudale Wohnkultur“ hat, der ist gut beraten, sich ausschließlich dem weitläufigen Garten zu widmen. Vor dem Haupteingang grüßt in einem weiteren Rundbeet die Skulptur der römischen Göttin der Jagd die Besucher. Die zwischen Bantry House und Bantry Bay angelegten Rundbeete zeichnen sich vor allem durch ihre Farbkontraste aus, zu denen winterharte Zwiebelpflanzen wie der Zierlauch und Taglilien beitragen; hinzu kommen Palmlilien und Phönixpalmen, die mit ihren silbergrünen Blättern einen Kontrapunkt zu den Taglilien setzen.

Irland - Blick von den 100-Stufen auf Bantry House

Blick von den 100-Stufen auf Bantry House

Bis in den Oktober hinein sind die Rosen im „versunkenen Garten“ in voller Blüte. Auch die verschiedenen Malvengewächse sind prägnante Farbtupfer im Blütenmeer des „versunkenen Gartens“. John Albrow, der aus Wales gebürtige Gärtner in Bantry House, weist uns bei dem Rundgang auch auf die in den Gärten wachsenden gewaltigen Nordmann-Tannen hin, die ihre Heimat im Kaukasus haben. Aus dem 18. Jahrhundert stammen riesige Rotbuchen, die teilweise einen Stammumfang von vier Metern aufweisen. Das ist, so John, für einen Standort nahe des Meeres eher außergewöhnlich. Wer sich intensiver für das weitläufige Gartenparkgelände interessiert, der kann verschiedene Spazierwege nutzen wie den Old Ladies Walk oder den Woodland Walk, der zum Gemüse- und Obstgarten führt. Doch auch rund um Bantry House gibt es genug zu entdecken.

Eine gräfliche Bleibe mit Altersgebrechen

Die Nachkommen des ersten Besitzers des Hauses, Richard White, Graf von Bantry, leben noch heute auf dem Anwesen, das in den Jahren des irischen Bürgerkriegs in ein Krankenhaus umgewidmet wurde.

Wer Bantry House betritt, tritt ins Halbdunkel ein und wird zugleich von einem muffigen Geruch empfangen. Schaut man sich genau um, dann bemerkt man den hohen Restaurierungsbedarf. Dass man Porträts und Büsten der ehemaligen gräflichen Hausherren, darunter William White, dem vierten und letzten Grafen von Bantry, im Haus findet, ist kaum eine Überraschung.

Irland - Formale Gartengestaltung im sogenannten versunkenen Garten von Bantry House

Formale Gartengestaltung im sogenannten versunkenen Garten von Bantry House

Zu den außergewöhnlichen Einrichtungsgegenständen, deren Existenz im Haus den Reisen der gräflichen Hausherren geschuldet ist, gehören unter anderem eine Moscheelampe aus Damaskus, eine Truhe aus Sansibar sowie ein russischer Hausschrein aus dem 17./18.Jahrhundert. Im Rosa und im Gobelin-Salon sind einige französische Wandteppiche zu bewundern. Zu den Kunstwerken des Hauses gehört außerdem eine Sammlung von Rom-Ansichten, die von Piranesi und Tiepolo stammen.

Irland - Dieser Wandteppich gehört zur exklusiven Ausstattung von Bantry House

Dieser Wandteppich gehört zur exklusiven Ausstattung von Bantry House

 

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