Kelten, Pubs & Guinness

Eine Landpartie durch Nordirland

Text: Beate Schümann
Fotos: Dirk Renckhoff

Kennen Sie diese herrlichen Picknickkörbe englischer Machart? Die mit dem fantastischen Flechtwerk, dem floral-gemusterten Wachstuchfutter und unter Lederschlaufen gut sortiertem Besteck? So einen brauchen Sie jetzt, denn Nordirland ist genau das richtige Pflaster für eine Landpartie. Natürlich geht ein gut gefüllter Rucksack auch.

Irland Nordirland Castle

Gut gefüllt sollten auf alle Fälle beide sein, denn Nordirland ist nicht so klein wie man denken könnte: die Fläche beträgt immerhin 13.576 Quadratkilometer. Ein Drittel davon dürften Wälder, Wiesen und Moore sein, ein weiteres Drittel Flüsse, Seen und Kanäle. Auf dem Rest leben die 1,7 Millionen Menschen. Das milde Golfstromklima lässt die Natur wie im Gewächshaus sprießen. So viel Grün drückt Frieden aus. Überhaupt geht es im Lande friedlich zu – erst recht, seit Katholiken und Protestanten in Belfast wieder gemeinsam an einem Tisch sitzen und den Friedensprozess voranbringen.

Quirliges Derry

Irland Nordirland DevenishDie Reise führt durch die drei westlichen der sechs nordirischen Grafschaften: Derry, Tyrone und Fermanagh. Übrigens kursiert ein Witz, der Sie gleich zu Beginn mit den hiesigen Verhältnissen vertraut macht: Ein Spanier fragt einen Nordiren, ob es ein gälisches Wort für mañana gebe. Der andere antwortet: „Ein Wort, das so viel Eile ausdrückt, kennen wir nicht.“ Nehmen Sie sich Zeit.

Beginnen wir in Londonderry. Auf den Landkarten steht Londonderry. Wenn Sie nach dem Weg fragen, sagen Sie am besten einfach: Derry. Das macht Sie den Leuten flugs noch sympathischer. Die Nordiren denken nämlich nicht gern an London, dem die britische Provinz seit 1921 untersteht. Denn am liebsten wären sie ja unabhängig.
Derry ist seit 1969 das Symbol für den jahrhundertealten Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken. Hier sind Steine geflogen. Die Eisenjalousien vor den Fenstern erinnern daran. Doch trotz der negativen Schlagzeilen: Derry ist eine hübsche Stadt.

Die Hügellage an einer Schleife des River Foyle haben die Stadtgründer gut ausgesucht – schön und strategisch ideal. Das musste Begehrlichkeiten wecken. Deshalb türmten die Bewohner diese imposanten Stadtmauern auf. Anderthalb Kilometer lang, vier Tore, immerhin fünfhundert Jahre alt und fast im Originalzustand. Das sind zugleich anderthalb Promenaden-Kilometer auf den Zinnen, die einen Superausblick auf Stadt, Fluss und Umgebung bieten.

Die Buntglasfenster der St. Columb’s Cathedral von 1633 erzählen von der schwersten Belagerung durch King James, der die gut befestige Stadt trotzte. Innerhalb der Mauern schaffen gregorianische Stadthäuser Atmosphäre, pfeifen Dudelsackspieler, amüsieren Clowns und Artisten. Quirliges Derry. Bei der Craigavon Bridge steht die Hände-über-die-Kluft-Skulptur: zwei Figuren, die sehnsüchtig die Arme nacheinander ausstrecken. Schöner lässt Hoffnung sich nicht ausdrücken.

Irland Nordirland Friedhof

Typisch Nordirland: klares Licht und klare Linien

Zwei Kirchen und zwölf Pubs

Irland Nordirland JanusGut 40 Kilometer weiter südlich erreichen wir Gortin. Der Ort in der Grafschaft Tyrone hat vielleicht zwei Tankstellen, zwei Kirchen und zwölf Pubs. Hier kommt der Picknickkorb zum Zuge. Denn Gortin ist ein Startpunkt für Wanderungen in den Sperrins, von der Eiszeit vor zwanzigtausend Jahren geformten Hochflächen mit sanften Bergwellen und mit Moos gepolsterten Kuppen. Der Friede, den die Hochflächen der Sperrins vor den Toren Gortins ausdrücken, die sanften Bergwellen und abgerundeten Kuppen, setzt sich in den Bewohnern fort. Spätestens hier wird der Mensch unpolitisch. Tief durchatmen. So viel Grün kann einen ganz schwindelig machen.

Der höchste Berg in den Sperrins heißt Slieve Gallion, nicht gerade der Mount Everest der Gegend, aber doch 528 Meter hoch. Unter unseren Füßen liegen weite Wiesenteppiche mit wandernden Schafherden, einsamen Gehöften, endlose Rasterhecken, die die Landschaft wie im Kataster markieren, steinige Relikte aus grauer Vorzeit, und wilden Brombeer- und Himbeersträuchern, die aushelfen, wenn der Picknickkorb leer ist.

„Guinness is good for you“

Irland Nordirland KopfRichtig gestärkt ist man vom irischen Nationalgericht Irish Stew, ein Kartoffel-Lamm-Eintopf, später in der „Badony Tavern“ in Gortin, das hervorragend ist. Die Hausherrin Oonagh McKenna bietet in den Sperrins geführte Wanderungen an. An den Wänden des Pubs steht „Guiness ist good for you“ oder „Guiness for strength“ zu lesen.

Mit der neu getankten Energie geht’s weiter. Auf der B48 nach Omagh gelüstet es Sie nach Kulturgeschichte? Wunderbar, denn in Cullian können Sie einen Blick in den Ulster History Park werfen (Foto unten). Auf engem Raum und open-air ist die Entwicklung der unterschiedlichen Siedlungsformen Irlands genau rekonstruiert, ein Gemeinschaftswerk von Archäologen und Historikern. Darunter sind Häuser aus verschiedenen Epochen, Dolmen, Menhire, Steinkreise und ein Crannóg, eine wehrhafte künstliche Insel, oder ein Ringfort aus dem Neolithikum.

Um echtem Kelten-Feeling auf die Spur zu kommen, biegen Sie auf der A47 Richtung Belleek, bei Boa Island, zum verwunschenen Caldragh Cemetery ab. Der Friedhof ist klein, verfehlt aber seine Wirkung nicht. Unter den in Stein gehauenen, verwitterten Figuren befindet sich auch jener doppelseitige Janus-Kopf, dessen heidnische Miene diverse Prospekte ziert. Bei Nebel hausen hier bestimmt auch Elfen und Geister – und spuken!

Irland Nordirland History Park

Im Ulster History Park: so wohnten die Kelten

800 Kilometer Wasserwege

Irland Nordirland EnniskillenHinter dem kleinen Ort Lack auf der B4 ist die Grenze zur Grafschaft Fermanagh überschritten. Malerisch liegt das Städtchen am River Erne, der sich vom See hier wieder zum Fluss verengt hat, direkt an der Grenze zum irischen Donegal. Der Ort kam im neunzehnten Jahrhundert durch die Porzellanmanufaktur zu spürbarem Wohlstand. Seit 1857 stellen die Künstler der Belleek Pottery, der ältesten Porzellan-Manufaktur Irlands, die berühmten Körbe, zerbrechliche Figuren und Geschirr her. Ein Film über den Herstellungsprozess und ein Porzellanmuseum erklären alles über die Kunst.

Enniskillen: Die Stadt hat es sich an einem von der Natur geschaffenen Engpass gemütlich gemacht. Links und rechts von ihr wächst sich der River Erne zu einer weit verzweigten Seenplatte aus: ein Labyrinth aus Flussarmen und 154 Inselchen. Enniskillen trennt den Fluss in den nördlichen Lower Lough Erne und den südlichen Upper Lough Erne. Von Beton geführt, fließt er ruhig durch die Stadt, um sich außerhalb der Stadtgrenzen wieder nordirischer Wildheit hinzugeben. Da ihn ein Kanal mit dem Shannon-System verbindet, sind zwischen Limmerick und Belleek gut 800 Kilometer Wasserwege schiffbar.

'Ennis’ heißt auf Gälisch zwar Insel, und ´killen’ Kirche. Genügend Kirchen hat die 30.000-Einwohner-Stadt tatsächlich. Das ist deutlich zu sehen, wenn die 168 Stufen des Cole Memorial Tower erklommen sind. Zwischen den Kirchtürmen ragen auch die Türme der Maguire-Festung heraus, die allerdings nur vom Fluss aus kolossal wirkt: alles Fassade. Auf der anderen Uferseite stehen noch ein paar typische „Two up, two down“-Arbeiterhäuser: Oben zwei Räume, unten Wohnzimmer und Küche. Sie stammen aus der Blütezeit der Flachsindustrie, die bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die wichtigste in Irland war. Den Ortskern schmücken Pubs, Butcher, Country Stores, Takeaways und Wine Cellars, alle im viktorianischen Stil knallig Rot, Blau oder Grün lackiert.

Picknick im romantischen Park

Irland Nordirland Statue DevenishAlles gesehen? Dann können Sie mit aufgefülltem Picknickkorb am Round ´O’ Quay zur zweistündigen Bootstour auf dem Lower Lough Erne starten. Die MV Kestrel schippert in die schönste Seenidylle. Vorbei geht’s am berühmten Internat Royal Portora International, wo Oscar Wilde gut acht Jahre zur Schule ging. Enniskillen ist mächtig stolz darauf. Weil Wilde hier mit dem Sohn des Marquis von Queensburg eine Affäre hatte, musste er sich 1875 vor Gericht verantworten und dafür im Gefängnis büßen. Dort entstand auch sein Werk „Ballad ov Trail“.

Sonst sehen wir vor allem Schleusen, Schilfrohr und Vögel. Erst am Anleger von Devenish Island stellen wir fest, dass der Lower Lough Erne noch von anderen befahren wird. Am mystischen Ort trifft man sich. Um 560 soll der heilige Molaise das Kloster, dem zeitweise 1500 Mönche angehörten, gegründet haben. Die Ruinen sind den Wikingern zu verdanken. Aber auch andere haben hier Unfug getrieben. Gerade diese Ruinenreste machen hier den Zauber aus, der über der Insel mit dem typischen Rundturm und dem frühchristlichen Hochkreuz liegt. Bei gutem Wetter sind die Donegal-Berge sichtbar.

Zu Besuch beim vierten Earl of Belmore

Einem vernünftigen Kelten wäre es nicht eingefallen, auf dem Landweg irgendwo hin zu gehen. Doch das südöstlich von Enniskillen gelegene Castle Coole, den Familiensitz der Earls of Belmore, erreichen Sie nur über die B514 von Enniskillen nach Lisnaskea.

Irland Nordirland Castle Coole

Castle Coole

Der 1798 gebaute Palast gilt als das schönste neoklassizistische Gebäude Irlands. Der National Trust hat die imperiale Pracht übernommen und restauriert. Hinter der monumentalen Fassade verbergen sich reich möblierte Wohnräume aus verschiedenen Epochen, die Bibliothek mit dreitausend Büchern und viele Schlafzimmer. Da der vierte Earl of Belmore vierzehn Kinder hatte, gab es ebenso viele Schlafzimmer. Sein eigener Ruheraum ist vollständig mit purpurner Seide ausgeschlagen, auch Teppich, Lampenschirme und Bettdecke sind rot. Im Salon stehen Sitzmöbel mit vergoldeten Rahmen und mit Seide bezogen. Nur das Material für die Rekonstruktion kostete 60 000 Pfund. Die ganze Pracht ist von einem romantischen Park umgeben, der ideal ist für ein letztes Picknick.

 

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