Mit und ohne Alkohol

Vor allem am Freitag und Samstag Abend ziehen Tausende junger Leute durch die Innenstadt. Obwohl die meisten mehr trinken, als sie vertragen, sind Schlägereien selten. „Wenn Du keinen Alkohol trinkst, kannst Du in Irland nicht viel machen“, lästert der junge Mann, der sich in einem Hotel als Nachtportier ein paar Euro dazu verdient.

In Cork stimmt das nicht. Die nach Dublin und Belfast drittgrößte Stadt der Insel hat mehrere Theater, das Institut für Choreografie und Tanz, eine Oper, bekannte Jazz-, Chor- und Filmfestivals, eine der bekanntesten Kunstsammlungen des Landes, Galerien, die zweitgrößte Uni Irlands und das Literaturzentrum der irischen Südprovinz Munster.

Cork - Crawford Art Gallery

Crawford Art Gallery (städt. Kunstmuseum)

Die Kunststudentin Annie fühlt sich in Cork als Teil eines Ganzen, einer „Gemeinschaft, derer sich die Leute nicht so bewusst sind, die aber immer da ist.“ Die 23jährige ist hier am Lee-Fluss aufgewachsen, durch die Welt gereist und nun zurückgekommen: „Wie verloren Du Dich auch fühlst, hier gibt es immer einen Platz für Dich.“

Cork - Pub

Seit dem Rauchverbot in allen irischen Pubs (und an sonstigen Arbeitsplätzen) trifft man sich draußen zum Rauchen wie hier vor dem "Mutten Lane", ein Gasstrahler wärmt die Raucher, Trinken auf der Straße ist verboten. Dieser Pub hat zum Glück einen kleinen Vorhof

Einen Platz in einer der vielen Kneipen, wo die Menschen unabhängig von Herkunft, Beruf oder sozialem Status schnell ins Gespräch kommen oder einen Arbeitsplatz in den vielen Unternehmen, die sich an den Ufern des Lee in den letzten Jahren niedergelassen haben. Mit Steuerrabatten und billigen Grundstücken hat die irische Regierung Großunternehmen wie Apple oder die Hotelkette Marriot angelockt. Der Pharmakonzern Pfizer produziert in einem Corker Vorort Viagra-Pillen.

Gearbeitet wird auch

„Wenn Du Englisch und eine weitere Sprache kannst, findest Du schnell einen Job“, weiß Brian Kessler. Vor allem große US-Unternehmen haben ihre Call Center an der irischen Südküste gebaut. Die Telefongebühren sind günstiger als in den Staaten, die Zeitverschiebung passt zu den hiesigen Arbeitszeiten und die Iren sprechen Englisch. Europäische Firmen folgten und stellen in ihren Telefonzentralen junge Leute ein, die englisch, deutsch oder eine andere europäische Sprache sprechen. Viele bleiben nur, bis sie genug Geld für die Weiterreise haben. So werden die Stellen schnell wieder frei.

Cork - in der Altstadt

In der Altstadt von Cork

Carla hat vor drei Jahren über eine Anzeige im Internet eine Stelle in Cork gefunden. Inzwischen leitet die 29jährige Münchnerin das Call Center Team eines US-amerikanischen Reiseveranstalters. „Hier ist der Alltag nicht so stressig wie in Deutschland“, meint sie und Brian, ebenfalls aus Bayern, bestätigt es. Er kam auf der Suche nach den irischen Wurzeln seiner Mutter vor ein paar Jahren nach Cork. Jetzt ist er immer noch da. „Vieles ist einfacher als in Deutschland“, meint der junge Mann, der im Kulturzentrum Everyman’s Palace Tickets verkauft. „Die Leute sind lockerer, aufgeschlossener, unkomplizierter.“ Schwieriger werde es, wenn man einen Handwerker braucht, warnt er vor der Kehrseite der lockeren irischen Lebenseinstellung. „Wenn du dich hier um neun verabredest, brauchst Du nicht vor halb Zehn zu kommen.“

Cork - Musikerinnen

Sraßenmusikerinnen in St. Patrick

Billig ist das Leben in Cork nicht. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Innenstadt kostet rund 800 Euro, ein Bier in der Kneipe rund vier Euro. Für einen Einkauf im Supermarkt zahlt man „bestimmt ein Viertel mehr als in Deutschland“, schätzt Brian. Dennoch liebt er, wie so viele junge Leute aus ganz Europa, die kreative, quirlige Atmosphäre in dem mit 180.000 Einwohnern überschaubaren Städtchen.

Der Mönch vom schwarzen Fluss

Die Malerin Anne Steinen ist in Cork geboren: „Diese Stadt brummt vor Ideen. Sie ist voll mit jungen, kreativen Leuten“, schwärmt sie und ärgert sich, dass „so viele Projekte an den Behörden oder simplen Versicherungsfragen scheitern“. Im Kulturhauptstadtjahr 2005 sollte sich das ändern.

Aus zweitausend Vorschlägen, die die städtische Veranstaltergesellschaft auf ihre europaweite, offene Ausschreibung erhalten hatte, wählten die Juroren vierzig Projekte aus: Ausstellungen zur Geschichte der Ozeanriesen, die den Corker Hafen Cobh mit Nordamerika verbanden, ein Straßentheaterfestival, ein Monat der Kindheit, ein Ruderrennen vom 23 Kilometer entfernten Atlantik in die Innenstadt, Gastspiele von Performancekünstlern und Theatern aus den neuen EU-Ländern, Kunstausstellungen und viele kleinere Ereignisse unter dem Motto Kunst für alle.

Cork - Cobh, Denkmal für Lusitania

Lusitania Denkmal: Ein deutsches U Boot versenkte am 7. Mai 1915 vor Cobh (damals Queenstown) den Nordatlantikliner "Lusitania". Die wenigen Überlebenden gingen in Queenstown an Land.

Der Heilige Fin Barre würde sich über diese quirlige Stadt zu Füßen seiner Kathedrale wundern. Er hat sich einst hier niedergelassen, um dem Rummel auf seiner Insel zu entfliehen. Als immer mehr Pilger in seine Einsiedelei auf der Insel Gugan Barra kamen, machte er sich auf die Suche nach einem ruhigen Plätzchen, an dem er Gott nahe sein konnte. Der eigenwillige Mönch folgte dem Lauf des schwarzen Flusses nach Osten. Schließlich gründete er vor 800 Jahren an einer Biegung des Lee ein neues Kloster, die Keimzelle der Stadt Cork.

Cork - Blick auf den schwarzen Fluss

Cork ist stolz auf seine Tradition der meist friedlichen Begegnungen verschiedener Kulturen. In der Bucht, die der Lee-Fluss unten am Meer geschaffen hat, landeten Wikinger, Normannen, Engländer und Hugenotten, die alle ihre Spuren in der Stadt hinterlassen haben. Das von den Religionsflüchtlingen aus Frankreich im siebzehnten Jahrhundert gebaute Hugenottenviertel ist heute ein beliebtes, autofreies Ausgehviertel mit vielen neuen Bars und Restaurants. Ein Platz trägt dort den Namen des Gitarristen Rory Gallagher. Er ist Corker wie der „Befreier Irlands“, Frank O’Connor.

... und schließlich noch James Joyce

Selbst James Joyce, Irlands bekanntester Schriftsteller, stammt eigentlich aus Cork. Sein Vater ist hier geboren und zog später nach Dublin. Über lange Zeit lebte die Familie nur von den Erträgen ihrer Häuser und Grundstücke im Süden. Joyce hat eine Kindheitserinnerung an die Stadt in einem seiner Stücke verarbeitet. Sein Vater bestellte sich im Victoria Hotel die bekannteste Corker Spezialität: Drisheens, eine Blut- und Innereiensülze, die, so Touristenführerin Noreen „widerlich aussieht und nach absolut nichts schmeckt“. Ein Metzger verkauft sie heute noch in der viktorianischen Ladenpassage „English Market“. Zwischen den gusseisernen Säulen der rund 150 Jahre alten Passage mit ihren bunt bemalten Decken duftet es nach frischem Kaffee, ausgefallenen Kuchen und nach Meer. Die Fischstände verkaufen alles, was der nahe Ozean an Genüssen hergibt.

Cork - Fischhändler im English Market

Fischhändler im English Market (Marktpassage aus dem 19. Jahrhundert)

Draußen erinnert die neu gestaltete Hauptstraße Patrick Street mit ihren futuristischen Laternenmasten an die Schiffe, die hier Jahrhunderte lang festmachten. Sie brachten auch die niederländischen Kaufleute, denen die Stadt viele ihrer Bürgerhäuser, ihre grachtenähnlichen Kanäle und viele ihrer 128 Brücken über die Arme des Lee verdankt. Erst im 18. Jahrhundert ließen die Stadtväter die meisten innerstädtischen Kanäle zuschütten und die Stadtmauern abreißen, um Platz zu schaffen.

Cork - St.Patrick Street

St. Patrick Street

Stadtführerin Noreen erinnert sich an den Besuch der Juroren, die die Europäische Kulturhauptstadt 2005 auswählten: Sie hätten gesagt, dass sie „da unter dem Pflaster, wo das Wasser fließt, etwas spüren, was 2005 ans Tageslicht gefördert werden könnte“. Was das war? Sie konnten es nicht erklären. Aber die Leute haben gesehen, dass diese Stadt viel zu bieten hat. Und sie meinten, nun sei der Moment gekommen, es zu zeigen und zu feiern.

Reiseinformationen zu Cork

Irland Information
Gutleutsr. 32
60329 Frankfurt/M.
Tel. 069.66800950
Mo.-Fr. 9 – 18 Uhr
www.irland-urlaub.de

Cork im Internet:

www.corkkerry.ie
www.corkcity.ie
www.cktourism.ie
http://www.cork-guide.ie

 

Website des Autors: http://www.ecomedia-journalist.de

 

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